Das HinSchG in der Praxis Was Vermögensverwalter zur internen Meldestelle beachten müssen

Michael Olfen ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht sowie zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht

Michael Olfen ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht sowie zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht: Er erklärt, was Vermögensverwalter zum Hinweisgeberschutzgesetz wissen müssen. Foto: Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater

Ein durchschnittlicher deutscher Vermögensverwalter beschäftigt nach Zahlen des Instituts für Vermögensverwaltung der TH Aschaffenburg gerade einmal 10,7 Mitarbeiter. Damit zählen die meisten Vermögensverwalter zu den kleinen und mittleren Unternehmen, viele haben noch deutlich weniger Beschäftigte. Und doch müssen seit Juli 2023 auch diese wenigen Mitarbeiter die Möglichkeit haben, intern als Whistleblower anonym Rechtsverstöße melden zu können. Selbst dann, wenn operativ im Unternehmen nur zwei oder drei Mitarbeiter tätig sind. Das führt bei vielen Vermögensverwaltern zu kuriosen Situationen, denen aber vorgebeugt werden sollte.

Doch ein Schritt zurück: Hinter diesen Situationen steht der unionsgesetzgeberische Zweck zur Einrichtung einer internen Meldestelle. Dieser soll Rechtsverstöße aufdecken, insbesondere in den politisch wichtigen Bereichen Umwelt, Finanzen und Sicherheit. Deswegen gelten auch besonders strenge Regeln für Wertpapierinstitute und Kapitalverwaltungsgesellschaften. Dort müssen alle Unternehmen eine Meldestelle einrichten – unabhängig von der Zahl der Mitarbeiter. Hat also ein Wertpapierinstitut nur die schon angesprochenen zwei oder drei Mitarbeiter, braucht es trotzdem eine Meldestelle. Anders sieht es für kleine und mittlere Unternehmen aus anderen Branchen aus. Sie müssen eine Meldestelle nur einrichten, wenn sie mindestens 50 Arbeitnehmer beschäftigen.

Whistleblower anerkannt

Auch wenn sich im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat bis zur Verabschiedung des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) verständigt werden musste, bis diese Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 einen Monat nach Verkündung am 2. Juli 2023 in Kraft treten konnte: Der Whistleblower ist nunmehr als wichtige Informationsquelle gesetzlich anerkannt. Losgelöst von den jeweiligen Motiven werden Hinweisgeber unter anderem durch das Verbot von Repressalien jeglicher Art geschützt.

In der Praxis kristallisieren sich mehrere Lösungen für den zusätzlichen Aufwand heraus. Gerade die unter der ständig steigenden Bürokratisierung besonders leidenden Vermögensverwalter könnten auf die nahe liegende Idee kommen, den gesetzlichen Anforderungen zur Umsetzung des HinSchG mit minimalem internem Schulungsaufwand von eigenen Mitarbeitern und der Bereitstellung einer technischen Lösung als Meldekanal nachzukommen, um sich ein compliance-freundliches Image zu geben. Ein verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln im Zusammenhang mit Rechtsverstößen erfordert aber weit mehr.

 

Das kann funktionieren. Am Markt sind zahlreiche gewerbliche Anbieter tätig, die dafür eine smarte technische Lösung bieten. Außerdem bieten sie an, auch gleich die interne Meldestelle zu übernehmen. Hierbei ist aber auch Vorsicht geboten. Wie in vielen anderen Fällen werden absehbar nicht ausgebildete eigene Mitarbeiter oder eben die falschen als Meldestelle eingesetzt, um großen Schulungs- und IT-Aufwand zu umgehen. Ebenso sind auch gewerbliche, nicht juristisch vorgebildete Anbieter nicht immer als Ombudsperson für Vermögensverwalter geeignet oder sogar kontraproduktiv.

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Eine dritte Lösung für zumindest etwas größere Vermögensverwalter ist, Vertrauensanwälte als ausgelagerte, aber interne Whistleblowing-Stelle zu benennen. Diese Möglichkeit bietet im Zusammenhang mit grundsätzlichen Compliance-Vorgaben dem Unternehmer im Fall von aufgedeckten Regelverstößen bereits gute Argumente gegenüber den Straf- und Ordnungsbehörden, dass er sich seiner Aufsichtspflicht bewusst ist und Regelverstößen unternehmensintern konsequent begegnen will.

Wichtig: Schon ohne Verstoß gegen das HinSchG handelt ordnungswidrig, wer die Aufklärung einer Zuwiderhandlung durch die zugehörige Aufsicht verhindert oder erschwert. Deshalb wäre die interne anwaltliche Meldestelle immerhin starkes Indiz, jede regulatorische Zuwiderhandlung unterbinden zu wollen. Fakt ist auch: Aufsichtspflichtverletzungen können nach aktueller Rechtslage über Paragraf 130 OWiG mit Bußgeldern belegt werden. 

Empfindliche Strafen

Diese Strafen können bis zu einer Million Euro betragen – und zwar unabhängig von Größe und Mitarbeiterzahl eines Vermögensverwalters. Vermögensverwalter riskieren zudem, dass sie sich bei Unterlassen zunehmend öffentlicher Kritik ausgesetzt sehen, ganz zu schweigen vom Imageverlust. Dass bei manch einem Vermögensverwalter die Bereitschaft fehlt, sich mit notwendiger Compliance im Zusammenhang mit dem HinSchG auseinanderzusetzen, dürfte aber auch den zahlreichen offenen Fragen geschuldet sein.

Gesetzgeberische Unklarheiten wie zum Beispiel die Frage, welche Macht der installierten Meldestelle zuzubilligen ist und welche Pflichten von ihr zu erfüllen sind, gehen zulasten der Akzeptanz. Sie könnten eine Meldung an eine externe staatliche Stelle provozieren. Die Frage ist: Haben die eingerichteten Meldestelen etwa nicht nur das Recht zur Durchführung interner Untersuchungen, sondern sogar die Pflicht, auf der Grundlage der gesetzlichen Kompetenzzuweisung nach Paragraf 12 Abs. 4 HinSchG mit eigenem Budget unabhängige Interviews zur Aufklärung durchzuführen? Hierfür könnte sprechen, dass interne Meldestellen nicht nur Meldungen anzunehmen und zu prüfen haben, sondern auch Befugnisse haben, Folgemaßnahmen zu ergreifen.

Sachkunde hilft

An dieser Stelle scheitern aber nicht ordentlich ausgebildete oder juristisch nicht geschulte eigene Mitarbeiter oder gewerbliche Anbieter regelmäßig. So werden offenbarte Missstände in der Praxis entlarvt. Unzureichende unternehmensinterne Compliance-Politik und Maßnahmen zur Umsetzung haben deshalb eher einen negativen Einfluss. Es drohen Reputationsverluste bei Kunden und der eigenen Belegschaft ebenso wie gesetzlich vorgesehene Bußgelder und Schadensersatzansprüche der Hinweisgeber im Fall eines Verstoßes zum Beispiel bei der Missachtung der gesetzlich verpflichtenden Vertraulichkeit nach Paragraf 8 HinSchG.

Es gilt also der Slogan des ehemaligen US Deputy Attorney General Paul McNulty: „If you think that compliance is expensive: try non-compliance“. Insofern bietet das interne Meldesystem auch Vermögensverwaltern einen gesetzlich vorgeschriebenen Anknüpfungspunkt. So können etwa mit einem berufenen Vertrauensanwalt ein mit Augenmaß praktiziertes Risikomanagement umgesetzt und interne Meldestellen betrieben werden, ohne sich dabei dem Vorwurf schlichter Lippenbekenntnisse aussetzen zu müssen. Sie bedürfen keinerlei Schulungsaufwand und sind unter Zuhilfenahme etwa von zertifizierten (SaaS-)Softwarelösungen eine mögliche Lösung für Vermögensverwalter.


Über den Autor:

Michael Olfen ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht sowie zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht. Olfen ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater, kurz OMV Law. Die Kanzlei hat Standorte in Hamburg, Berlin, Stuttgart und Palma de Mallorca.

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