566.000.000.000.000.000. Das ist die Anzahl der möglichen Permutationen aus den über 80 verfügbaren Zutaten für das morgendliche Müsli bei My Müsli. Ein Beispiel: Für 6,70 Euro kann man ein Crunchy-Honey-Granola-Müsli mit Mini-Butterkeksen und Gojibeeren bekommen. Die genauen Nährwerte, mögliche Allergene und das persönliche Geschmacksprofil werden dabei direkt vom Konfigurator mit angezeigt.
Dabei ist Müsli nur ein Beispiel von vielen: Der Megatrend Individualisierung ist allgegenwärtig. Konsum, Wertesysteme und der Alltag sind gleichermaßen davon betroffen. Welche Folgen hat das auf Produktangebote und was lernen wir daraus? Die amerikanischen Sozialpsychologen Lynn und Snyder haben diese Frage bereits im Jahre 2002 beantwortet. Die Möglichkeit, Produkte individualisieren zu können, erhöht die Identifikation des Kunden mit der Ware und beeinflusst so den Kaufentscheid positiv.
Ob Neuwagen oder Turnschuhe – fast alles kann nach dem eigenen Geschmack eingestellt werden, sogar das Nutella-Glas kann man mit dem eigenen Namen beschriften lassen. Auch wenn sich über den Mehrwert von M&M-Schokolinsen, welche mit dem Konterfei der Lieblingstante bedruckt sind, streiten lässt, Mass Customization ist ein Erfolgsmodell.
Viele Firmen versuchen daher diesen Trend aufzugreifen. Durch digitale Angebote und automatisierte Prozesse können sie mittlerweile auch kleine Losgrößen kostengünstig herstellen. Die abnehmenden Kosten dieser individuellen Designs und das in jedem Menschen ausgeprägte Bedürfnis nach Einzigartigkeit stärken diesen Trend zusätzlich.
Um das Ausgangsbeispiel wieder aufzugreifen: Die im April 2007 gegründete Firma My Müsli wächst seit Jahren im zweistelligen Prozentbereich und verbucht für 2018 über 61 Millionen Euro Umsatz. Wachstumsraten in dieser Größe sind ein Traum für die Verantwortlichen im Private Banking und Wealth Management.
Dabei sollten sie sich eine zentrale Frage stellen: Warum kann ein physisches Produkt, welches strengen Hygieneregeln unterliegt, so einfach und vergleichsweise kostengünstig auf den einzelnen Kunden zugeschnitten werden, und warum sieht man diesen Trend nicht auch bei immateriellen Produkten wie der Vermögensverwaltung? Haben die Kunden hier keinen Bedarf? Oder liegen andere Gründe vor?
Individualisierte Produkte stellen das Portfoliomanagement vor echte Aufgaben
Ein marktübliches Beispiel: Betrachtet man eine Vermögensverwaltung mit sechs verschiedenen Aktienquoten, optional nachhaltiger Konfiguration und wahlweiser Konzentration des Aktienanteils auf Europa oder Nordamerika, ergeben sich bereits 24 verschiedene Portfolio-Kombinationen.
Das Management einer solchen Konstellation bereitet einigen Banken bereits Schwierigkeiten und verursacht Kapazitätsengpässe: Unter anderem müssen Einzeltitel sorgfältig ausgewählt und die jeweiligen Varianten anteilig bestückt werden. Blockordersätze und oft genutzte, selbstgebaute Excel-Tools entlasten zwar, doch auch dieser Weg stößt schnell an seine Grenzen. Die bei Mandaten angepriesenen Skaleneffekte verringern sich dadurch stark. Obwohl Individualität hier nur angedeutet wird, sind solche Konstellationen ohne Digitalisierung und Automatisierung bereits jetzt kostspielig.
Es gilt: Individualität führt zu Komplexität, Komplexität ohne technische Hilfe führt zu erhöhtem Personaleinsatz und Risiko. Dies erhöht in der Folge den Druck auf ein Ergebnis, das bereits unter Regulierungsaufwänden und Margenreduktion leidet.