Regulierung Was für Investoren im ESG-Jahr 2022 entscheidend wird

Maximilian Horster, Leiter von ISS ESG

Maximilian Horster, Leiter von ISS ESG: Grüne Einflüsse wird es in den kommenden 12 Monaten zur Genüge geben. Foto: ISS ESG

2022 wird ein Jahr, in dem sich Finanzmarktteilnehmer noch tiefer und breiter mit dem Thema ESG auseinandersetzen werden. So weit, so vorhersehbar. Denn das gilt seit einigen Jahren zu jedem Jahreswechsel als sichere Voraussage – obgleich auch regelmäßig selbst die kühnsten Erwartungen übertroffen wurden.

Aber welche ESG-Bereiche werden im kommenden Jahr besonders im Mittelpunkt stehen? Wir erwarten besonders viel Aufmerksamkeit für diese drei Felder:

  • Regulierung und Selbstregulierung
  • Neue ESG-Strategien und -Ansätze
  • Neue ESG-Stimmen und -Marktteilnehmer

Regulierung und Selbstregulierung

Offenlegungspflichten, Taxonomien und mehr

Der Aktionsplan der Europäischen Union mit dem Ziel, das Finanzsystem nachhaltiger zu gestalten, hat den Markt schon in diesem Jahr spüren lassen, wohin die Reise geht. Die Selbsteinordnung von Fonds nach der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) und die ersten Anwendungen der Taxonomie zur Erfassung der Klimaausrichtung von Investmentstrategien waren aber nur ein kleiner Vorgeschmack.

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ISS ESG

2022 wird hier sowohl thematische Vertiefung als auch geographische Verbreitung bringen. Denn der EU-Aktionsplan ist erst zu einem kleinen Teil umgesetzt und viele Staaten von Nordamerika bis Asien stehen mit einer eigenen Finanzmarkt-Regulatorik in den Startlöchern. Wer auf eine einfache Ausweitung von zum Beispiel der EU-Taxonomie auf die Welt hofft, der sei hier schon einmal enttäuscht: Die Zeichen stehen eher auf unterschiedliche Definitionen von Nachhaltigkeit als auf Harmonisierung. Für globale Rating-Häuser wie das unsere heißt dies, die automatisierten Regulationsberichte für unsere Kunden auf die unterschiedlichsten Anforderungen einzelner Jurisdiktionen auszurichten.

Biodiversität

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Erkennen Sie ein Muster? Die ESG-Veteranen mögen sich erinnern, wie das Klimathema ab dem Jahr 2015 an Fahrt aufnahm: Indem Politik und Investoren in Frankreich die Klimaberichterstattung verpflichtend machten – danach folgten andere Länder. Wer den Markt beobachtet, hat gesehen: In Frankreich wurde die Klimaberichterstattung im Jahr 2021 um das Thema Biodiversität erweitert, und weitere Länder wie die Niederlande greifen das Thema nun auf.

Biodiversität, das neue Thema nach Klima für Investoren? Oder eine andere Parallele: im Dezember 2015 wurde die Task Force on Climate related Financial Disclosure, kurz TCFD, gegründet, heute ein global anerkannter Reportingstandard im Klimabereich. Dieses Jahr wurde mit der TNFD das Biodiversitäts-Pendant auf den Weg gebracht. Biodiversität wird hochrelevant für Investoren weltweit, wie auch in Deutschland, das die Convention on Biological Diversity unterzeichnet hat.  Investoren dürften zunehmend Lösung nachfragen, die bei der Erfassung von Biodiversitätsrisiken in Portfolios helfen.

Net Zero

Selbstregulierung bevor der Regulator es richtet? In Glasgow, bei der internationalen Klimakonferenz COP26, hat sich die Glasgow Financial Alliance for Net Zero offiziell konstituiert: Hunderte von Asset Managern, Asset Ownern, Banken, Versicherungen, Service Anbietern und Investment Consultants haben sich zum Ziel gesetzt, im Jahr 2050 „netto“ keine Treibhausgase mehr durch ihre Investitionen auszustoßen. Sie folgen damit Staaten, Regionen, Städte und Unternehmen, die dies ebenfalls versprochen haben.

Im Jahr 2022 wird die Welt mehr dieser Selbstverpflichtungen im Finanzmarkt erleben. Das derzeitige Hauptaugenmerk liegt auf dem Reduzieren von Emissionen, was aber nur ein Teil der Gleichung ist. Tatsächliches Net Zero erfordert die Entfernung bereits ausgestoßener Treibhausgase aus der Atmosphäre im großen Stil, was nur mit Technologie geht, die heute noch nicht existiert oder nicht skalierbar funktioniert.