Passend pauschal Was die Zinswende für Stiftungsfonds und ihre Investoren bedeutet

Auch wenn Pauschalangebote für Reisen vor allem auf Massentourismus und Wiederholbarkeit ausgelegt sind

Auch wenn Pauschalangebote für Reisen vor allem auf Massentourismus und Wiederholbarkeit ausgelegt sind: Manch Reisender fühlt sich auf dem Balkon einer Bettenburg wohl. Manch Stiftungsvorstand wählt ebenfalls lieber ein Pauschalangebot und damit einen Stiftungsfonds. Foto: Imago Images / Chris Emil Janßen

Kennen Sie den Pauschalreise-Vergleich? Ja? Damit ist aber nicht jener Vergleich gemeint, den Sie auf diversen Online-Portalen finden und in dem Sie Reiseziele, Hotelausstattungen und Verpflegungspakete auswerten können. Hier geht es um etwas, das sich gut verwenden lässt, wenn es um das Für und Wider von Angeboten geht, die herzlich wenig mit Urlaubsträumen zu
tun haben.

Mirjam Schwink beispielsweise, Leiterin des Stiftungsmanagements bei der BW-Bank, nutzt diesen Vergleich, um das Für und Wider von Stiftungsfonds abzuwägen. Das funktioniert dann so: Stiftungsfonds seien grundsätzlich mit dem Konzept einer Pauschalreise vergleichbar, der Grundgedanke sei ähnlich. Wenig Aufwand, fixe Kosten, bewährtes Konzept. Aber ein schnell abgeschlossenes All-inclusive-Paket für den nach einer ausgewogenen Kapitalanlage strebenden Stiftungsvorstand ist es dann eben auch nicht. Denn die Modelle sind – wie bei einer Pauschalreise – auf Wiederholbarkeit, auf Skalierbarkeit ausgelegt.

 

Bei der konkreten Ausgestaltung gebe es deswegen durchaus Unterschiede, erklärt Schwink, und das gelte unabhängig von der Vermögensgröße. Eben wie bei einer Pauschalreise. Bildungsurlaub und Bettenburg sind zwar jeweils Pauschalreisen, sowohl inhaltlich als auch preislich unterscheiden sich die Konzepte aber – und auch deren jeweilige Anbieter. Würde Schwink also einem Stiftungsvorstand die bildlich gesprochene Pauschalreise empfehlen? Durchaus, denn: „Ein solches Angebot ist nicht per se positiv oder negativ – es kann je nach Bedarf die beste Wahl sein.“

Für diese Sicht gibt es gute Argumente. 25.000 Stiftungen gab es Ende 2022 in Deutschland, weit über die Hälfte von ihnen weist ein Stiftungskapital von weniger als einer Million Euro auf. Eine Schwelle, bei der viele Banken und einige Vermögensverwalter überhaupt erst eine vollumfängliche und individuelle Vermögensverwaltung anbieten. Größere Stiftungen können sich etwa bei Schwink individuelle Vermögensverwaltungen in Mandatsform bauen lassen, einzelne Mandate für verschiedene Anlageklassen verteilen, einen eigenen Spezialfonds starten oder gemeinsam mit anderen Stiftungen ein Vermögens-Pooling in Spezialfonds-Form vorantreiben. Das Kapital, das kleine Stiftungen überhaupt anlegen können, reicht aber eben oft nur für skalierbare, pauschale und möglichst kostengünstige Angebote, die trotzdem die Ansprüche an Kapitalerhalt und regelmäßige Ausschüttungen sicherstellen sollen. Für einen Großteil der Stiftungen sind Stiftungsfonds deswegen die fast schon zwangsläufige Wahl.

Traditionell übervorsichtig

Doch zwischenzeitlich haperte es bei den Stiftungsfonds. Da Stiftungen einst als rechtlich unselbstständige Person und so als schutzbedürftig galten, übernahm der Staat damals die Rolle des Vormunds und entwickelte Vorgaben für die mündelsichere Anlage des Stiftungsvermögens. Praktisch hieß das: Staatsanleihen. Auch wenn die Zeit der mündelsicheren Anlage schon lange vorbei ist – die Anleihequote in deutschen Stiftungsvermögen sei jahreang hoch geblieben, berichtet Schwink. Auch in den Stiftungsfonds. Um aber den Kapitalerhalt und vor allem die regelmäßigen Ausschüttungen sicherstellen zu können, hätte sich die Vermögensanlage der Stiftungen verändern müssen: „In der absoluten Niedrigzinsphase haben wir beispielsweise im Dialog mit den Verantwortlichen einer Stiftung die Anlagerichtlinien angepasst und Vermögensklassen wie Aktien und Immobilien als Substanzbewahrer der Allokation beigemischt.“

Auch Bernhard Matthes, Leiter Asset Management bei der Bank für Kirche und Caritas und Fondsmanager des BKC Treuhand Portfolio, verweist auf die Schwierigkeiten, die sich durch die historisch bedingt hohe Anleihequote und die Zinsdürre ergaben: „Viele deutsche Stiftungen haben noch immer nicht die neutralen Aktienquoten erreicht, die eigentlich für einen langen Anlagehorizont ratsam wären.“

Ein Problem ist zudem, dass in den Stiftungsfonds oft nur eine klassische Aktien- und Renten-Allokation umgesetzt wird – mehr ist nicht drin. Auch wenn Matthes intensiv für eine breitere Streuung von Stiftungsvermögen wirbt: „Wenn es sich eine Stiftung aufgrund ihrer Größe leisten kann, sollte sie unbedingt illiquide Risikoprämien, etwa aus Private Equity oder land- und forstwirtschaftlichen Flächen, vereinnahmen.“ Für die Stiftungen, die sich das nicht leisten könnten und die deshalb auf einen Stiftungsfonds angewiesen seien, könnten immerhin liquide Alternatives oder Gold als Beimischung funktionieren. Doch das ist eher die Ausnahme.

 

All die Fondsmanager, die in den Stiftungsfonds stattdessen an steife Aktien-Renten-Portfolios gebunden waren, nutzten vor der Zinswende noch ein anderes Ventil, um Ausschüttungen auf Rentenseite sicherzustellen: Sie erhöhten die Risiken. Entweder sie investierten in Hochzinsanleihen oder in Anleihen mit längeren Durationen. Auch Matthes baute eine deutlich höhere Duration auf als viele andere defensive Multi-Asset- oder sogar Stiftungsfonds. Er argumentiert, dass die längere Duration als taktischer Stellhebel zu nutzen sei: „Gerade für unsere Anleger ist das auch die richtige Fristigkeit: Stiftungen und Kirchen haben einen unendlich langen Anlagehorizont, meist den Ewigkeitsgedanken, und deshalb die Zeit für mehr Zinsbindungsdauer und Schwankungen, die sie aussitzen können.“

Gutes Risiko, schlechtes Risiko

In Stiftungsfonds das Bonitätsrisiko dauerhaft zu erhöhen, hält er dagegen für falsch. Schließlich sei für Stiftungen nicht eine Schwankung das entscheidende Risiko, sondern das eines dauerhaften Kapitalverlusts – zumindest, wenn es um das Anlagevermögen in der Bilanz der Stiftungen geht. Anlagen, die dort wegen ihrer Bedeutung für den laufenden Geschäftsbetrieb bilanziert werden, müssen nur wertberichtigt werden, wenn eben von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen ist. Anders ist es bei der Liquiditätsreserve und damit dem Umlaufvermögen: Hier gilt das strenge Niederstwertprinzip. Werte müssen also berichtigt werden, wenn zum Bilanzstichtag der Wert der Anlagen unter die Anschaffungskosten gefallen ist. Da aber Stiftungen in der Regel ihr Kapital langfristig anlegen, wird das Vermögen normalerweise unter dem Anlagevermögen bilanziert.

Anders kann es bei den bilanzierten Liquiditätsreserven von Sparkassen oder Banken aussehen: Fällt der Kurs der Anleihen, so muss das auch bilanziert werden. Fordern Bankkunden zudem ihre Einlagen ein oder tritt sogar ein Bankenansturm auf, müssen im Zweifel auch Teile der gehaltenen Anlagen verkauft und die Schwankungen auf Rentenseite als Verluste realisiert werden. Unrühmliches Beispiel dafür: die Pleite der Silicon Valley Bank.

Die Bank litt auch darunter, dass 2022 wegen der Zinswende die Kurse der gehaltenen Anleihen in den Keller rauschten und die Verluste wegen der Abhebungen vieler Kunden realisiert werden mussten. Stiftungen waren dagegen einzig ihren Ausschüttungen verpflichtet. Deswegen schmerzte es auch weniger, dass die in der Niedrigzinsphase aufgebauten Rentenpositionen mit langen Durationen ob der inversen Zinskurve besonders ins Kreuzfeuer gerieten. „Natürlich haben die Kursverluste bei längerer Duration im vergangenen Jahr wehgetan“, erklärt auch Matthes, der sogleich einschränkt: „Wir können diese temporären Verluste aber bis zur Endfälligkeit aussitzen.“ Auch im BKC Treuhand seien deshalb trotz der Kursverluste keine Anleihenpositionen abgestoßen, sondern am kurzen Laufzeitende aufgebaut worden. Der Luxus von Stiftungen und Kirchen sei, dass sie keinen Regulierungen unterliegen würden: Nutzbar würde dieser Luxus durch höhere Aktienquoten, längere Laufzeiten und mehr illiquide Anlagen. Auch Schwink sieht Stiftungen deshalb im Vorteil. 

Kupon hier, Dividende da

Während Matthes sich im Fonds auf ordentliche Erträge auf Rentenseite fokussierte, nutzten andere Fondsmanager andere Wege: „Insbesondere in der Niedrigzinsphase lag unser Fokus neben Unternehmensanleihen und hochverzinslichen Anleihen auf Dividendenaktien mit stabilen, aber überdurchschnittlich hohen Dividenden“, erklärt Markus Diebel, Manager des DWS ESG Stiftungsfonds. Das Abwägen zwischen diesen beiden Komponenten gehört für Diebel und andere auf Anleihen und Aktien beschränkte Stiftungsfondsmanager zum täglichen Brot. Aber auch außerordentliche Erträge hätten dabei geholfen, die Ausschüttungen des einst für Stiftungen aufgelegten und nun auch bei Privatanlegern beliebten Fonds sicherzustellen. Ausschüttungen aus der Substanz sind bei den deutschen Publikumsfonds dagegen nicht möglich – anders als bei manchem Income-Fonds.

Aus der Niedrigzinsphase hat Diebel mehrere Erkenntnisse mitgenommen. „Neben der Absicherung gegen Zinssteigerungen spielt auch die Sektorenauswahl bei den festverzinslichen Wertpapieren eine größere Rolle“, erklärt er. „Außerdem haben wir unser Risikomanagement verbessert und die einzelnen Asset-Klassen unter Risiko- und Return-Gesichtspunkten angesehen.“ Die wichtigste Erkenntnis sei, dass die Situation für defensive Multi-Asset-Portfolios von Stiftungsfonds nun wieder deutlich attraktiver werde. Bei einer mittlerweile wieder kürzeren Duration erwarte man eine Dividendenrendite von klar über 3 Prozent und eine Rentenrendite von über 5 Prozent.

Auch wenn die Ausschüttungen so wieder problemloser erwirtschaftet werden können: Die Frage, ob ein solch klassisches, vielleicht sogar offensiveres oder breiter gestreutes Fondsportfolio zur eigenen Anlagerichtlinie passt, müssen Stiftungsverantwortliche trotzdem beantworten. Zudem bleibt der Blick auf die Kostenquoten der Stiftungsfonds ein Muss. In der Niedrigzinsphase fraßen die Gebühren die Erträge der Fonds laut einer Auswertung oft um über 30, teilweise auch über 50 Prozent auf. Zudem haben nicht alle Stiftungsfonds Tranchen, die auch für kleine Stiftungen mit einem geringen Anlagevolumen investierbar sind.

Portfolio- und Partnerwahl

Immerhin: Durch die Änderungen im nationalen Stiftungsrecht bleibt den Stiftungsverantwortlichen nun etwas mehr Handlungsspielraum beim An- und Verkauf ihrer Positionen. Theoretisch könnten Stiftungen Umschichtungsgewinne auch für ihre Ziele verwenden, wenn nicht die Stiftungssatzung dagegenspräche, erklärt Schwink von der BW-Bank und führt aus: „Wenn der nominale beziehungsweise reale Kapitalerhalt der Stiftung gesichert ist, können Portfoliomanager diese Umschichtungsgewinne Stiftungsentscheidern zur Verfügung stellen.“ Gleichzeitig wurde auch die Business Judgement Rule in das Stiftungsrecht eingewoben, die den Verantwortlichen etwas mehr Sicherheit einräumt. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen formuliert es so: „Stiftungsorgane verhalten sich immer dann pflichtgerecht, wenn sie unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durften, auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohl der Stiftung zu handeln.“

 

Das wirkt sich dann auch auf die Wahl des Stiftungsfonds oder anderer Anlageansätze aus, übersetzt Schwink: „Durch das neue Stiftungsrecht haben Stiftungsvorstände die Aufgabe beziehungsweise Verpflichtung, herauszufinden, ob sie die Vermögensanlage entweder selbst umsetzen können, oder ob sie einen Finanzpartner ins Boot holen, um Anlageentscheidungen zu delegieren.“ Gerade für die vielen kleinen Stiftungen ist das Pauschalpaket deshalb die wohl folgerichtige und auch selten anfechtbare Wahl. „Selbst bei nicht ganz kleinen Stiftungen liegt die komplette operative Verantwortung oft auf nur wenigen Schultern“, erklärt Matthes und führt aus: „Niemand kann da erwarten, dass eine idealtypische Professionalisierung für die Kapitalanlage vorherrscht.“

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