Nachhaltigkeitsexperte Jan Rabe Was das G in ESG bedeutet

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Unterteilt man die Fälle im europäischen Aktienmarkt seit 2010 nach Höhe der Marktkapitalisierung zum Zeitpunkt der Short-Kampagnen, ist zu beobachten, dass die Brutto-Überschussrenditen aller Zielunternehmen einen Monat nach Veröffentlichung eines Reports um rund 10 Prozent fielen (Abbildung 8). Doch anders als Large Caps (Marktkapitalisierung > 20 Milliarden Euro) und Mid Caps (5 bis 20 Milliarden Euro) erholten sich Small Caps ( < 5 Milliarden Euro), die 60 Prozent aller Zielunternehmen ausmachten, nicht mehr innerhalb von zwei Jahren nach einer Short-Kampagne.

Zyklische Werte waren stärker betroffen als defensive: 75 Prozent aller Zielunternehmen gehörten zyklischen Branchen an. Im Vergleich zu Zielunternehmen aus defensiven Branchen fällt auf, dass der Rücksetzer der Brutto-Überschussrenditen in der ersten Woche nach Veröffentlichung eines Berichts mit -10 Prozent doppelt so hoch ausfiel (Abbildung 9). Und während sich Zielunternehmen aus defensiven Branchen bereits nach einem Monat wieder erholten, setzte sich die Talfahrt der zyklischen Titel bis zu 18 Monate nach Veröffentlichung der jeweiligen Berichte fort, ehe sich eine Erholung einstellte. Am häufigsten betroffen waren Titel der Branchen Technologie (27 Prozent der Fälle), zyklischer Konsum (17 Prozent der Fälle) und Finanzwerte (12 Prozent der Fälle).

Die Art der Anschuldigung spielte eine entscheidende Rolle: Wurde in Short-Kampagnen auf Überbewertung (25 Prozent der Fälle), mangelhafte Produkte (13 Prozent) und Wettbewerbsdruck (16 Prozent) verwiesen, belastete das die Aktienkurse nicht anhaltend. Am stärksten hingegen wurden Aktienkurse belastet, wenn Investoren neben einer mangelhaften Berichterstattung auf intransparentes Accounting (30 Prozent) und schweren Betrug (13 Prozent) verwiesen (Abbildung 10). Alle Fälle, bei denen der Handel von Wertpapieren im Anschluss ausgesetzt wurde, entfielen auf diese Kategorien. Darüber hinaus führten auch Anschuldigungen in Bezug auf Überschuldung (3 Prozent) zu negativen Überschussrenditen.

Zusammenfassend lassen sich Zielunternehmen von Short-Kampagnen in Europa als zyklische Wachstumstitel beschreiben, deren Aktienkurse überdurchschnittlich volatil waren, mit hohen KGV-Bewertungsmultiplikatoren einhergingen und dennoch vom Konsens der Finanzanalysten zum Kauf empfohlen wurden (Abbildung 11).



Überführt man diese Erkenntnisse in die Auswahl von Filtern eines Screenings für das liquide EU-Anlageuniversum, ergeben sich zwei mögliche Varianten: Während sich Variante 1 auf potenzielle Betrugsfälle konzentriert, legt Variante 2 den Fokus auf Titel, die durch Auffälligkeiten in Sachen Accounting herausstechen.

Quelle: Metzler

Das Risikoprämien-Exposure der resultierenden Listen potenzieller Zielunternehmen deckt sich weitestgehend mit dem der dokumentierten Fälle (Historie). Dies ist ein Hinweis darauf, dass die indirekte Screening-Methode des Reverse-Engineerings zielgerichtet ist (vergleiche Abbildung 11).

Über den Autor: Jan Rabe leitet das Nachhaltigkeitsbüro (Sustainable Investment Office) der Fondsgesellschaft Metzler Asset Management. 

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