Jenseits des Hypes Was Berater für Unternehmerfamilien wirklich zu KI wissen müssen

Dirk Wiebusch, Gründer und Geschäftsführer des Instituts für Unternehmerfamilien (IFUF)

Dirk Wiebusch, Gründer und Geschäftsführer des Instituts für Unternehmerfamilien (IFUF): „Berater werden in Zukunft noch weniger reine Informationsvermittlung übernehmen müssen.“ Foto: Dirk Wiebusch

Seit dank ChatGPT eine breite Öffentlichkeit mit künstlichen Intelligenzen in Kontakt gekommen ist, vergeht kein Tag ohne neue Heilsversprechen oder vermeintliche Horrormeldungen in der Presse. Beide Betrachtungsweisen haben meist eines gemeinsam: Sie missverstehen die Natur der KI. Wer sich nur kursorisch mit dem Thema beschäftigt, gewinnt den Eindruck, dass es sich bei Programmen wie ChatGPT, Midjourney oder Google Bard um eigenständig denkende digitale Intelligenzen handelt. Das ist zwar nicht der Fall, doch können künstliche Intelligenzen in der Finanzberatung wertvolle Werkzeuge sein. Einen ersten Überblick finden Sie im Folgenden, weitere Informationen finden Sie hier in einem E-book.

Was kann die KI überhaupt?

Die aktuelle Generation von künstlichen Intelligenzen funktioniert ähnlich wie die Textvorschlags-Funktion in Ihrem Handy: Beenden Sie da zum Beispiel eine E-Mail mit „Viele Grüße“, wird Ihnen das Programm vorschlagen, Ihren Namen darunterzusetzen. Dieser Vorschlag kommt nicht etwa daher, dass das Programm den Sinn hinter den Worten versteht. Das Programm hat lediglich auf Basis Ihrer bisherigen Mails gelernt, dass Ihr Name mit höchster Wahrscheinlichkeit auf diese Phrase folgt. Bei sogenannten „generativen KIs“ wie ChatGPT ist das deutlich komplexer, weil ihre Large Language Models (LLM) beziehungsweise Natural-Language-Processing-Systeme (NLP) auf der Analyse von Millionen von Texten basieren.

Die KI klingt also intelligent – ist es aber nicht, ähnlich wie im von John Searle Anfang der 1980er-Jahre entworfenen „Chinese Room“-Gedankenexperiment: Ein Proband ohne Chinesisch-Kenntnisse wird in einen Raum gesetzt und bekommt von außen durch einen Spalt Karteikarten zugesteckt, auf denen chinesische Schriftzeichen stehen. Der Proband verfügt über ein Regelbuch, das ihm genau erklärt, welche Schriftzeichen er als „Antwort“ auf spezifische Karteikarten ausgeben muss — ohne zu wissen, was diese Schriftzeichen tatsächlich bedeuten. Laut Searle müsste einem Chinesisch-Muttersprachler, der von außen mit dem Probanden im Raum kommuniziert, so der Eindruck entstehen, dass der Proband im Raum Chinesisch kann – obwohl der ja nur strikt nach seinem Handbuch vorgeht. Genauso imitieren die aktuellen KIs menschenähnliche Kommunikation, ohne diese wirklich zu verstehen.

Mit KI standardisierte Arbeitsabläufe optimieren

Aufgrund dieser Einschränkung haben aktuelle Systeme noch diverse Schwachpunkte. Da sie nicht mitdenken, sondern lediglich die wahrscheinlichste Wortabfolge wiedergeben, können sie zum Beispiel schon mal völlig falsche oder sogar frei erfundene Informationen als Tatsachen darstellen. Und auch wenn die von Programmen wie Midjourney produzierten Bilder mitunter erstaunlich echt wirken, produzieren sie noch oft intuitiv unsinnige Details, die den „Uncanny Valley“-Effekt heraufbeschwören. An dieser Stelle also schon mal Entwarnung: Nein, die KI wird Ihren Arbeitsplatz wahrscheinlich nicht bedrohen. Denn trotz aller Versprechungen kann sie den Menschen in vielen Bereichen (Intuition, Empathie, Kreativität) noch nicht komplett ersetzen.

Doch eines ist sicher: Die KI wird in Ihrem Arbeitsleben Fuß fassen. Und zwar als ein Werkzeug, mit dem Sie standardisierte Arbeitsabläufe optimieren, um sich selbst wieder auf die kreativen Seiten Ihrer Arbeit zu konzentrieren. Bleiben Sie also unbedingt am Ball und verschließen Sie sich dieser Entwicklung nicht. Die Konkurrenz der Zukunft ist nicht die KI, sondern der Mensch, der mit KI arbeitet. Sie können es sich nicht leisten, dieses mächtige Werkzeug vollständig zu ignorieren.

Ihre Unternehmerkunden sitzen im selben Boot wie Sie

Gerade Ihre Top-Familienunternehmer sind häufig in Sachen Digitalisierung schon sehr weit, und erkennen bereits den Nutzen von künstlichen Intelligenzen für ihre Branche. Sie haben also kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem: Woher nehmen wir die Experten, die sich mit der Implementierung von KI-Routinen in unseren Prozessen auseinandersetzen? Dazu braucht es jemanden, der sich sowohl in Sachen KI als auch bei den Abläufen im Unternehmen exzellent auskennt. Jemanden, der zum Beispiel effektive Prompts für die KI erstellen kann, die nicht nur die Funktionsweise des Programms berücksichtigen, sondern auch die Voraussetzungen bei den zu optimierenden Produktionsabläufen.

 

Dass auch Ihr Institut in Zukunft mehr mit KI arbeiten wird, hilft vielleicht dabei, die Herausforderungen, denen der Unternehmer auf betrieblicher Seite gegenübersteht, vorauszusehen. Denn auch in Ihrem Institut werden in Zukunft Standardaufgaben wie Kreditempfehlungen mit KI gemacht werden. Sie, als Beraterin und Berater, übernehmen dann vor allem das wichtige Mensch-zu-Mensch, das auch in Zukunft ausschlaggebend für den Erfolg bei Ihren Kunden sein wird. Für Ihre Kollegen bei der Marktfolge Aktiv bedeutet das zum Beispiel, dass zwangsläufig weniger Arbeit übrigbleibt – ich gehe von einer Zahl im niedrigen zweistelligen Prozentbereich im Vergleich zu heute aus.

Als Private-Banking-Berater haben Sie es da besser, denn das Mensch- zu-Mensch war immer schon ein wichtiger Teil Ihrer Arbeit, und wird auch nicht wegfallen. Doch das Voranschreiten der KI sowohl aufseiten der Unternehmerkunden als auch bei den Finanzdienstleistern sorgt dafür, dass Berater in Zukunft noch weniger reine Informationsvermittlung übernehmen (müssen) – die Zahlen und Fakten, zum Beispiel zu Depots, deren Strukturen und Allokation, hat sich der Unternehmer im Zweifelsfall längst von der eigenen KI berechnen und vielleicht sogar erste Umsetzungstipps geben lassen.

Arbeiten Sie sich also umso mehr in die Geschäftsmodelle und die familiäre Situation des Familienunternehmers ein. Sie als Mensch übertrumpfen dank Ihrer Kreativität und Lebenserfahrung mit Leichtigkeit jede aktuelle KI, wenn es um emotional geladene und zwischenmenschlich komplexe Themen wie die Unternehmensnachfolge geht. Auch zu verstehen, welche Immobilien der Familienunternehmer privat besitzt, wie sich sein Privatvermögen dadurch strukturiert, wird in Zukunft wichtiger werden, um den Kunden ganzheitlich zu verstehen. Denn Sie werden in Zukunft der Sparringspartner auf Augenhöhe sein, mit dem der Unternehmer eigene Ideen gemeinsam durchdiskutieren kann. Selbst wenn er sich die harten Zahlen und Fakten von einer KI ausspucken lässt – erst Ihre emotionale Intelligenz erlaubt es Ihnen, diese in einen individuellen (familiären, rechtlichen und steuerlichen) Kontext zu stellen.

Lernen Sie, die neue Technologie zu beherrschen

In Sachen KI sollten Sie sich unter keinen Umständen von der Konkurrenz abhängen lassen. Praktisch alle Kundentypen erwarten schon heute von Ihnen, dass Sie selbstverständlich alle technologischen Mittel nutzen, um die bestmögliche Beratung zu leisten. Arbeiten Sie gemeinsam mit den Entscheidern in Ihrem Institut daran, schnell, datenschutzkonform und sicher KI an denjenigen Stellen zu implementieren, an denen sie einen wirklichen Mehrwert bringt. Denn die KI ist gekommen, um zu bleiben – bereiten Sie sich auf eine Zukunft vor, in der künstliche Intelligenzen ein fester Bestandteil Ihres Arbeitsalltags sein werden.


Über den Autor:
Dirk Wiebusch ist Gründer und Geschäftsführer des Instituts für Unternehmerfamilien (IFUF). Er berät seit mehr als 25 Jahren Familienunternehmen und Unternehmerfamilien. Seine Erfahrung gibt Wiebusch in Seminaren und Vorträgen an Finanzdienstleister weiter.
Noch mehr Hintergründe sowie Empfehlungen für Finanzdienstleister von Familienunternehmen zu künstlicher Intelligenz hat Wiebusch im kostenlosen KI-E-book des Versteher-Magazins zusammengetragen.

was Finanzdienstleister für Familienunternehmen jetzt wirklich zur künstlichen Intelligenz wissen müssen.
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