Volumen wächst weiter Warum Expresszertifikate derzeit so erfolgreich sind

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Die Ausgestaltung von Expresszertifikaten ist ausgesprochen vielfältig: Erträge können durch Fixkupons, Eventualkupons (mit oder ohne Nachzahlmechanismus) oder sich erhöhende Rückzahlungsgewinne entstehen. Das Kapital wird am Ende zumeist gesichert, sofern die Verluste des Basiswerts nicht zu hoch ausfallen. Höhe und Art des Risikopuffers sind je nach konkreter Ausgestaltung des Zertifikats sehr unterschiedlich. Als gängige Puffervarianten sind entweder kontinuierlich betrachtete Barrieren oder Stichtagsbetrachtungen üblich. Unter Umständen wird im Verlustfall die Verlusthöhe durch einen Airbagpuffer reduziert.

So wirkt sich ein Expressmechanismus aus

Identische Produktparameter:

  • Basiswert Euro Stoxx 50
  • Laufzeit drei Jahre
  • jährliche feste Zinszahlung
  • stichtagsbezogene Barriere am Laufzeitende bei 70?Prozent vom Startlevel
  • Verlust wie Index, wenn Euro Stoxx 50 am Ende unter 70?Prozent vom Startlevel

Variabler Produktparameter – Variante 1: kein Expressmechanismus Zinshöhe 3,80 Prozent
Variabler Produktparameter – Variante 2: mit Expressmechanismus, vorzeitige Tilgungsmöglichkeit nach Jahr 1 und Jahr 2, wenn Euro Stoxx 50 dann oberhalb Startniveau Zinshöhe 5,60 Prozent
Quelle: Emittentenberechnung, Stand Februar 2022

Als Erfolgsfaktoren für den starken Volumenzuwachs von Expresszertifikaten sind nachstehende Punkte besonders bedeutsam:

  • Durch die äußerst flexiblen Ausgestaltungsmöglichkeiten lassen sich passgenaue Produkte für nahezu jede Marktmeinung und für jeden Anlegertyp finden. Somit ist ein Einsatz von Expresszertifikaten bei breiten Anlegerschichten problemlos möglich.
  • Die Möglichkeit einer vorzeitigen Fälligkeit wird vom Anleger häufig positiv – quasi als zusätzliche Chance – gesehen. In den allermeisten Fällen ist ein solches Ereignis allerdings isoliert betrachtet aus Anlegersicht von Nachteil, da vorzeitige Fälligkeiten genau dann stattfinden, wenn der Basiswert angestiegen ist. Ein solcher Anstieg hätte die künftige Verlustgefahr bei einem nicht fällig gewordenen Zertifikat spürbar verringert. Somit ist im Grunde der Mechanismus der vorzeitigen Fälligkeit per se ungünstig. Jedoch steckt in diesem Nachteil gleichzeitig die Möglichkeit einer Verbesserung der Produktkonditionen, da die „Gefahr“ der vorzeitigen Fälligkeit mit dem damit verbundenen Wiederanlagerisiko es dem Emittenten ermöglicht, deutlich attraktivere Kupons zu zahlen (siehe vorstehendes Produktbeispiel).
  • Eine Besonderheit von Expresszertifikaten besteht darin, dass eine vorzeitige Fälligkeit für den Anleger automatisch ein positives Ergebnis seiner Anlage auslöst. Die Eigenschaften von Expresszertifikaten bewirken somit sehr häufig, dass der Anleger sich in psychologischer Hinsicht über eine Vielzahl kleinerer Erfolgserlebnisse freuen kann. Die Folge hieraus ist, dass sich Anleger mit fälligen Expresszertifikaten höchstwahrscheinlich für eine Reinvestition in dieselbe Produktgattung entscheiden werden.
  • Auch aus Beratersicht gibt es Vorteile. Entscheidet sich der Kunde dafür, einen Fonds zu erwerben, ist dies in aller Regel eine mittel- bis langfristige Entscheidung. Da die Fondsstrategie sich in aller Regel nicht täglich ändert, ist es für den Berater gar nicht einmal so leicht, mit seinem Kunden im Gespräch über Finanzthemen zu bleiben. Expresszertifikate bieten hier hingegen mannigfache Gelegenheiten, da es an den Bewertungstagen, die zu einer vorzeitigen Fälligkeit führen können, in jedem Fall einen Gesprächsanlass mit dem Kunden gibt. Kommt es zu einer vorzeitigen Fälligkeit, hat der Berater zudem die Möglichkeit für ein Neugeschäft, unter Umständen verbunden mit der Vereinnahmung einer Marge.


Das Fazit:

Die Beliebtheit der Expresszertifikate kommt nicht von ungefähr. Der Zuspruch für diese Produktgattung dürfte sich weiter fortsetzen. Allerdings sollten Berater bedenken, dass die Gewinnchancen für Anleger bei Expresszertifikaten oft vergleichsweise gering sind. Umso wichtiger ist es, darauf zu achten, dass nicht durch einige wenige Geschäfte sehr hohe Verluste entstehen, die die zuvor erzielten Gewinne zunichtemachen. Daher sollten bei der Auswahl der Papiere Höhe und Qualität des Risikopuffers eine wesentliche Rolle spielen.

Über den Autor:
Torsten Vetter ist Spezialist für Wertpapiere und Anlagezertifikate bei der NFS Netfonds Financial Service. Vor seinem Wechsel zum Hamburger Haftungsdach Anfang 2019 war der 55-Jährige viele Jahre bei der Bremer Privatbank Neelmeyer in der Anlageberatung und im Produktmanagement tätig.

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