Rally vorbei Warum es in Europa kaum Aktien-Schnäppchen gibt

Europäische Aktien haben rund 2,1 Billionen Euro an Wert zurückgewonnen, seit Mario Draghi vor zwei Jahren versprach, den Euro zu verteidigen. Investoren, die jetzt neu in den Markt kommen, haben Probleme, echte Schnäppchen zu finden.

Bei allen 19 Branchengruppen im Stoxx Europe 600 Index und bei rund 85 Prozent aller dort abgebildeten Unternehmen sind die Kurse seit Juli 2012 geklettert - also dem Zeitpunkt, zu dem der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) sein Versprechen abgab. Das belegt eine Auswertung von Bloomberg News bis einschließlich Montag dieser Handelswoche.

Zugewinne wie 98 Prozent bei der Banco Bilbao Vizcaya Argentaria haben die Lücke zwischen Firmen mit hoher und mit niedriger Bewertung so eng zusammenschmelzen lassen wie nie zuvor seit Statistik-Start. Weil sich der Aktienmarkt nun im Vergleich zu den Gewinnen um ein Vier-Jahres-Hoch bewegt und ein Mangel an günstigen Aktien besteht, dürfte die Rally - welche den Stoxx 600 in fünf der vergangenen sechs Quartale anstiegen ließ - zu einem Ende kommen. Das ist die Ansicht von Francois Savary, dem Investmentchef bei Reyl & Cie.

Zwar gewinne die europäische Wirtschaft wieder an Fahrt, doch in den Bewertungen der Aktien sei möglicherweise ein noch stärkeres Wachstum eingepreist. “Die breite Rally ist vorbei”, erklärte Savary in einem Interview mit Bloomberg News. “Es ist inzwischen sehr schwierig, einige der Bewertungen zu rechtfertigen. Man kann nicht mehr einfach alles kaufen. Vielmehr muss man Unterscheidungen treffen und differenziert agieren.”

Draghi senkte im vergangenen Jahr den Euro-Leitzins gleich zweimal. Zudem versprach er bei jedem Notenbanker-Treffen seit Juli, die Zinsen niedrig zu halten. Im Juli 2012 hatte er gar davon gesprochen, alles Notwendige tun zu wollen, um den Euro zu erhalten. Die Eurozone war damals wegen der Staatsschuldenkrise unter Druck geraten. Europäische Aktien im Stoxx 600 wurden zuletzt mit einem mittleren Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 19,4 gehandelt. Das ist nahezu das höchste Niveau seit Dezember 2009.

Die Zuwächse in den vergangenen 20 Monaten hoben das durchschnittliche KGV für die billigsten 20 Prozent der Firmen im Börsenbarometer auf 10,3 - verglichen mit 32,5 für die teuersten 20 Prozent. Das zeigen Daten von Bloomberg. Damit ist der Abstand zwischen den Gruppen so gering wie seit mindestens 2002 nicht mehr.

“Es ist schwieriger, Günstiges in Europa zu finden”, sagt auch Graham Secker, ein Stratege bei Morgan Stanley in London. “In den Bewertungen spiegelt sich eine stärkere Erholung wider als das, was wir womöglich sehen werden. Investoren wollen nicht noch mehr von dem kaufen, was sie schon haben. Gleichzeitig können sie nichts anderes zum Kaufen finden. Daher gibt es einen kleinen Stillstand im Markt.”

Volkswirte rechnen damit, dass die Eurozonen-Wirtschaft in diesem Jahr um 1,1 Prozent wachsen wird - nachdem sie 2013 um 0,5 Prozent geschrumpft war, laut die Median-Prognose einer Bloomberg-Umfrage. Das wäre zwar das erste Jahreswachstum seit 2011. Allerdings würde es unterhalb der im Durchschnitt seit 1992 erzielten 1,4 Prozent liegen, zeigen die Daten.

Konvergierende Bewertungen machen es für Investoren nicht einfach, Aktien zu finden, deren Kurse in Relation zum Gewinn besonders niedrig sind, erklärt Andrew Lapthorne, ein Stratege bei der französischen Societe Generale: “Wenn alles neu ausgepreist wurde, kommt man zu einem Punkt, an dem alles mit ähnlichen Bewertungen gehandelt wird. Es wird daher sehr schwierig, zu differenzieren”.

Die Bewertung von BBVA hat sich seit Juli 2012 mehr als verdoppelt - auf das 24,2-fache des Gewinns, belegen Daten von Bloomberg. Dabei sind die Gewinne der zweitgrößten Bank Spaniens in fünf der vergangenen sechs Jahre gefallen. Das steht im Gegensatz zu Svenska Handelsbanken, unter den Großbanken in Europa die am besten kapitalisierte. Ihre Bewertung ist von 11,3 auf 14,9 gestiegen. Das Unternehmen berichtete vier Jahre in Folge steigende Gewinne.

Im Fall von Renault hat sich die Bewertung sogar mehr als verfünffacht seit Juli 2012. Das KGV des französischen Autoherstellers, der drei Jahre in Folge einen sinkenden Gewinn auswies, erreicht im Vergleich zur Bayerische Motoren Werke (BMW) am 25. Februar ein Rekord-Hoch laut Daten von Bloomberg. Bei dem deutschen Konzern ist der Nettogewinn in jedem Jahr seit 2010 gestiegen.

“Nachdem die Bewertungen jetzt höher sind als die langjährigen Durchschnitte, ist die Kernfrage: Wann wird der Markt beginnen, gute Geschäftsmodelle zu belohnen?”, fragte Tom Stubbe Olsen, Gründer von European Value Partners in der Schweiz. Er selbst habe kürzlich Aktien von Unilever, Atlas Copco und Novo Nordisk gekauft.

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