Fehlende Daten und Blind-Pools Warum das ESG-Benchmarking in den Private Markets so schwierig ist

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Persönliche Gespräche erhöhen die Aussagekraft

Das ESG-Scoring-Modell, wie wir es in unserer Beratungspraxis für Manager von Private-Equity- und Private-Debt-Fonds nutzen, besteht daher aus drei Modulen.

Aufsatzpunkt ist auch hierbei die Erhebung umfangreicher quantitativer Daten. Dies wird durch einen detaillierten Fragebogen ergänzt, der die quantitativen Informationen durch deskriptive Beschreibungen der Prozesse und Maßnahmen auf Manager-Ebene wie auf Ebene der Portfoliounternehmen in einen greifbareren Kontext setzt. Beides wird in einem Bewertungsmodell mit rund 50 Kriterien detailliert erfasst, jedes Kriterium einem Vergleich mit der relevanten Peergroup unterzogen, in seiner Relevanz gewichtet und bewertet. Das Resultat sind Bewertungen in fünf wesentlichen Kriterienbereichen:

  • ESG-Set-Up
    Prüfung von Inhalt, Relevanz und Vollständigkeit des formalen Commitments des Managers zur Umsetzung einer ESG-Strategie

  • ESG-Ressourcen und -Erfahrung
    Bewertung der spezifischen Kapazitäten und des internen und/oder extern genutzten Know-hows, der Ressourcen für die Analyse von ESG-Faktoren im Investmentprozess ebenso wie für die Weiterentwicklung der firmenweiten ESG-Strategie und laufende Fortbildungen der Mitarbeiter

  • ESG-Integration in den Investmentprozess
    Einbeziehung von ESG-Risiken (qualitativ und quantitativ) innerhalb der verschiedenen Stufen des Investmentprozesses, sowohl hinsichtlich der formellen Implementierung in die Prozessdokumentation ebenso wie bezüglich der Einbeziehung in Gremienentscheidungen

  • ESG-Monitoring und Engagement (auf Ebene der Portfoliounternehmen)
    Umfang und Form der Datenerhebung (Update-Gespräche, ESG-Fragebögen, et cetera), formelle Berücksichtigung von ESG-Risiken in allen relevanten Monitoring-Dokumenten, Erstellung und Umsetzung eines ESG-Maßnahmenplans und so weiter.

  • ESG-Reporting
    Es gibt materielle Unterschiede wie und in welchem Umfang der Manager ESG-bezogene Informationen in das externe Investoren-Reporting und die weitere Investorenkommunikation einbezieht.

An die Datenauswertung schließt sich ein ausführliches Interview mit ESG-Beauftragten sowie Portfolio-Verantwortlichen des Managers an. Durch die Diskussion konkreter Maßnahmen in den unterschiedlichen internen Prozessen, Beispielen der Umsetzung von ESG-Strategien auf Portfoliounternehmensebene, Erhebung von relevanten KPIs, Grenzen der Umsetzung und der Einflussnahme in Bezug auf ESG-Kriterien, entsteht ein vollständigeres Bild, inwiefern der Manager die im Scoring dargestellte ESG-Strategie in der Praxis umsetzt.

Die Interviews helfen, die verarbeiteten Daten zu verifizieren und einzuordnen und die Erkenntnisse finden – positiv wie negativ – entsprechenden Einzug in die Gesamt-Bewertung und das Scoring des Managers.


Erfahrungswerte aus der Praxis

Gerade beim Thema ESG-Set-Up und ESG-Ressourcen und -Erfahrung zeigt sich recht klar, dass die Größe der Investment-Plattform durchaus eine Rolle spielt. Größere Plattformen haben sich zumeist auf einer – mindestens übergeordneten – Ebene schon früh mit ESG-Themen auseinandergesetzt und unterhalten nicht selten ein internes ESG-Team, das zum Beispiel für interne Fortbildungen verantwortlich ist. Kleinere Manager haben die ESG-Funktion häufig an einen Dienstleister ausgelagert.  Beide Vorgehensweisen haben aus unserer Sicht ihre Vor- und Nachteile und müssen in ihrer konkreten Umsetzung bewertet werden.

In den Kriterien-Bereichen ESG-Integration in den Investmentprozess sowie insbesondere beim ESG-Monitoring und Engagement zeigen sich wiederum die wesentlichsten Unterschiede je nach Positionierung der Investments in der Kapitalstruktur. Ein Eigenkapitalgeber hat naturgemäß einen größeren Einfluss auf die Rahmenbedingungen innerhalb derer das Management agiert. Im Vergleich dazu besitzt ein Fremdkapitalgeber zumeist weniger direkten Einfluss auf die Geschäftsführung und somit auch auf die Implementierung höherer ESG-Standards.

Gleichwohl haben Kreditfondsmanager erkannt, dass sie, soweit sie als einziger oder mindestens maßgeblicher Fremdkapitalgeber eine entsprechend starke Position innehaben, Einfluss auch auf ESG-Strategien nehmen können. So sehen wir zum Beispiel erstmals Vereinbarungen, bei denen die Kreditkonditionen an die Erreichung zuvor definierter ESG-KPIs geknüpft sind und es bei Erfüllung dieser Vorgaben Nachlässe auf die Finanzierungskosten gibt. Diese bewegen sich in für das Unternehmen spürbarem absoluten Umfang und bieten somit einen starken Anreiz zur Verbesserung des ESG-Profils. Der negative Einfluss auf die Investorenrendite bleibt dabei sehr gering.

Fazit

ESG-Benchmarking von Managern in den alternativen Anlageklassen erfreut sich wachsender Nachfrage, die Relevanz der Einbeziehung von manager-spezifischen ESG-Strategien in die Investitionsentscheidungen nimmt merklich zu. Der konzeptionell andere Ansatz sowie die höhere Datentransparenz in den liquiden Märkten vereinfacht die Vergleichbarkeit von öffentlich gehandelten Anlageprodukten gegenüber illiquiden Produkten.

Verfügbare Modelle für illiquide Anlagen haben gewisse Nachteile hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit für alle Fondsmanager und fehlender Einbeziehung von Ergebnissen persönlichen Gesprächen mit dem Manager. Letzteren halten wir gerade mit Blick auf eine aussagekräftige Beurteilung von ESG-Strategien für essenziell um die Daten, auf denen Scoring-Modelle basieren, ergänzen und einordnen zu können.

Investoren, für die die ESG-Awareness eines Fondsmanagers bei der Allokationsentscheidung eine Rolle spielt, sollten hierauf achten, um auch in dieser Hinsicht die bestmögliche Anlageentscheidung treffen zu können.


Über die Autoren:
Sabine Fischer ist geschäftsführende Gesellschafterin der Investmentboutique BB Alternatives Partners. Den Kölner Finanzdienstleister hat sie 2011 zusammen mit Alexander Bode gegründet. Das Unternehmen unterstützt institutionelle Investoren, Stiftungen und Family Offices bei der Allokation und beim Management von Alternative Investments, unter anderem auch in puncto Regulatorik.

Christopher ist seit 2017 als Senior-Analyst bei BB Alternatives Partners tätig. Sein Schwerpunkt liegt auf nachhaltigen Investments und der ESG-Integration in Alternativen Investments in der Praxis.

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