Finanzinstitute in Großbritannien erzielen europaweit die höchsten Umsätze, und dieser Trend nimmt stetig zu. Bis 2029 wird eine jährliche Wachstumsrate von 9,69 Prozent prognostiziert, im Vergleich zu nur einem Prozent in Deutschland. Der britische Markt ist dabei Vorreiter in der digitalen Transformation: Technologien wie KI, Robotic Process Automation und Cloud-Plattformen haben sich längst etabliert. So nutzt bereits die Hälfte aller britischen Banken künstliche Intelligenz, gegenüber nur 25 Prozent der deutschen Vermögensverwalter. Die Folge: Finanzdienstleister in Großbritannien verzeichnen mit etwa elf Prozent deutlich höhere Kapitalrenditen als deutsche Banken mit etwa sechs Prozent.
Britische Banken haben dabei schon früh das Potenzial erkannt, das in der Zusammenarbeit mit Fintechs und spezialisierten Finanzdienstleistern liegt. Viele Finanzinstitute in Deutschland hingegen haben den digitalen Aufschwung verpasst und stehen nun vor der Herausforderung, mit den wachsenden Erwartungen technikaffiner Verbraucher und dem Wettbewerbsdruck von agileren Fintechs Schritt zu halten. Um den Anschluss nicht gänzlich zu verlieren, müssen sie mehr in Digitalisierung investieren, agiler werden und vor allem einen Mentalitätswechsel fördern, bei dem Wachstum und Innovation im Fokus stehen.
Britische Banken lagern aus, während deutsche konservativ bleiben
Ein Grund für die Unterschiede des deutschen und britischen Finanzmarktes liegt in den unterschiedlichen Regulierungslandschaften. Deutsche Finanzmärkte werden in erster Linie von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und damit der Bafin reguliert, die strenge Compliance- und Aufsichtsvorschriften mit Schwerpunkt auf Finanzstabilität und Anlegerschutz durchsetzt. Die deutsche Regulierung ist durch ein hohes Maß an Zentralisierung und strenger Aufsicht gekennzeichnet.
Britische Behörden hingegen verfolgen einen prinzipienbasierten Ansatz, der vielmehr Marktintegrität und Wettbewerb fördert. Dadurch hat sich eine vielfältige Vermögensverwaltungslandschaft in Großbritannien etabliert: Es gibt mehr unabhängige Bankinstitute mit maßgeschneiderten Finanzlösungen, die einen aggressiveren Anlageansatz verfolgen. Folglich sind auch die Anleger offen für neue Finanzprodukte. So wird beispielsweise die Altersvorsorge überwiegend privat geregelt – in Deutschland dominiert hingegen noch das öffentliche Rentensystem.
Der wesentliche Unterschied ergibt sich aus dem Grundsatz der Vermögensverwaltung: deutsche Banken verfolgen einen konservativen Ansatz und bevorzugen Stabilität gegenüber Disruption und Expansion. Das kann sich jedoch negativ auf ihr Wachstum auswirken – und schafft überdies Platz für neue Konkurrenten auf dem Markt. Auf diese Weise haben sich in Deutschland Neobroker- und Banken wie N26 und Trade Republic etablieren können, die Millionen neuer Kunden der Generation Y und Z für sich gewonnen haben. Britische Banken haben hingegen früh erkannt: um mit den Kundenanforderungen an Digitalisierung Schritt zu halten, müssen sie mit Fintechs zusammenarbeiten, statt zu konkurrieren. So lagern sie immer mehr einzelne Geschäftsbereiche oder Prozesse an spezialisierte Partner aus.