Den ersten Teil der Family-Office-Serie finden Sie hier:
Aus unserer Beratungspraxis heraus erleben wir zahlreiche Fälle, in denen Familien über Jahre hinweg ihr Familienvermögen durch das betriebswirtschaftliche Personal des von Ihnen geführten Unternehmens mitverwalten lassen – wir nennen das das Embedded Family Office, wir wir bereits in unserem ersten Beitrag der Family-Office-Serie erläutert haben. Aus diesem Modell heraus wächst oft auch der Wunsch nach klarer Trennung, Vertraulichkeit und Professionalisierung. Eine gute Möglichkeit bietet dann ein Spin-Out in eine eigene Gesellschaft: Ein Single Family Office wird geboren.
Nicht weniger selten kann die Gründung eines Family Office beim Verkauf des eigenen Unternehmens erst virulent werden, wenn mit dieser Transaktion ein großes Barvermögen unmittelbar frei verfügbar wird – oder wenn mit einem Generationenwechsel Veränderungen angestoßen werden.
In unserem zweiten Beitrag möchten wir daher beleuchten, wie sich ein Single Family Office gründen lässt. Soviel vorweg: Das Single Family Office stellt das Family Office in Reinform dar. Die Vermögensverwaltung wird kompromisslos auf eigene Beine gestellt und streng nach dem Risiko- und Strategieprofil der Familieninteressen ausgerichtet. Zudem ist es gerade das Single Family Office, welches als vertrauter Dienstleister auch entlastend in anderen Lebensbereichen unterstützen kann.
Die Errichtung eines Single Family Office ist eine Entscheidung mit weitreichender Tragweite. Die Familie gründet eine neue, eigene Gesellschaft. Sie geht hiermit – erneut – in eine gemeinsame unternehmerische Verantwortung, beschäftigt eigenes Personal, stellt sich rechtlichen und regulatorischen Pflichten und verursacht Kosten, die laufend zu tragen sind.
Überlegungen vor der Gründung eines Single Family Office
Wir wollen daher zeigen, welche Motive zur Gründung eines Single Family Office führen und welche wichtigen Schritte vor und bei der Gründung zu bedenken sind. In vielen Teilen können diese Ausführungen entsprechend auf Multi Family Offices oder Mischformen zwischen Single und Multi Family Office übertragen werden.
Zentraler Treiber für die Gründung eines Single Family Office ist regelmäßig der Wunsch nach generationsübergreifendem Vermögenserhalt. Der über Jahrzehnte erarbeitete Wohlstand soll schließlich noch vielen kommenden Familiengenerationen zugutekommen. Dabei sind es Unabhängigkeit von Fremdanbietern und Eigenständigkeit in der Anlagestrategie, die Anlass zur selbstverwalteten Vermögensanlage geben. Oft kann es darüber hinaus den Familienzusammenhalt stärken, ein Single Family Office zu gründen. Auch Nachfolgegenerationen können als Führungskräfte aufgebaut werden und Familienmitgliedern herausfordernde berufliche Tätigkeiten übernehmen. Sprich: Die Aufgabenbereiche eines Single Family Office können sehr viel weiter reichen als die reine Verwaltung des eigenen Vermögens.
Das Single Family Office als Institut der Familie
Wenn eine Familie ein Single Family Office plant und betreibt, bietet es als festes Institut der Familie mehrfach im Jahr Anlass für Treffen, Abstimmungen und Aussprachen der Familienmitglieder. Schon bevor das Single Family Office gegründet wird, veranlasst es die Mitglieder der Familie, sich über die tragenden Familienwerte und die langfristigen Anlageziele zu einigen.
Diese Werte sollten in einer Familiencharta oder -verfassung niedergelegt werden und als Leitmotiv für die Tätigkeit des Single Family Office, aber auch für die Arbeit im Familienunternehmen dienen. Bei der Planung des Single Family Office muss man sich zudem über zukünftige Ausschüttungen, deren Höhe und Verteilung einigen. Jedes Familienmitglied sollte für sich bestimmen, welchen Beitrag es im Familienunternehmen einbringen will und kann. Das Single Family Office lädt insoweit wortwörtlich zur gemeinsamen „Unternehmung“ der Familie ein.
Wichtige Positionen in der Führung des Single Family Office können und sollten mit Vertretern der Familie besetzt werden. Nach außen hin verstärkt das Single Family Office eine einheitliche Kommunikation und kann Treiber für öffentlichkeitswirksame Arbeit sein, wenn dies gewünscht ist. So können philanthropische Engagements die Außenwirkung der Familie stärken. Auch für wirtschaftlich nicht interessierte Familienmitglieder erschließt eine Family Office so spannende Tätigkeitsfelder.
Grundsätzlich hilft es, vorhersehbaren Streitigkeiten und Interessenkonflikten vorzubeugen, indem eine unter den Familienmitgliedern eine Family Governance errichtet wird. In ihr sind formalisierte Verfahren festgeschrieben, um abzustimmen, zu schlichten sowie Verantwortlichkeiten klar zu verteilen. Oft stärkt das Single Family Office damit auch die interne Kommunikation. Nachfolgeregelungen und Nachlassverteilung innerhalb der Familie werden transparenter und gegebenenfalls an Qualifikation und Einsatz der Familienmitglieder geknüpft. Die Erfahrung zeigt, dass diese Schritte langfristig einen großen Gewinn für den Familienfrieden und für die Motivation der Folgegeneration zeigen.
Single Family Office als Nachwuchsakademie
Das Single Family Office kann den Wissens- und Verantwortungstransfer innerhalb der Familie frühzeitig forcieren. Oft erweist sich für Nachfolgegenerationen das Single Family Office als perfekter Ausgangspunkt um zum Beispiel betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Erfahrungen zu sammeln. Die junge Generation kann im Single Family Office mitgestalten und das Single Family Office ihren Kompetenzerwerb und Aufbau als Verantwortungsträger moderierend begleiten.
Single Family Office als privater Dienstleister
Angesprochen wurden bereits mögliche Dienstleistungen abseits des Portfoliomanagements und der Anlageberatung. Häufig sind hier Dienstleistungen rund um den Bereich der Nachfolgeberatung, der Organisation grenzüberschreitenden Lebenswandels, private Steuerberatung und weitere Dienstleistungen wie Sicherheitsleistungen, Immobilienverwaltung oder Fuhrparkmanagement möglich.
Die Erfahrung zeigt, dass gerade die Übernahme letztgenannter, administrativer Aufgaben für viele Familien sehr wertvoll ist. Vor diesem Hintergrund können Renditeüberlegungen teilweise als zweitrangig zurückstehen.
Single Family Office als Tor zu attraktiven Anlagenformen
Dennoch: Die Gründung eines Single Family Office bietet erhebliche Renditepotentiale. Zudem schafft sie Möglichkeiten, auch nach einer Unternehmerkarriere weiterhin aktiv zu investieren und erfolgreich zu beraten. Seit Jahren betätigen sich Single Family Offices zunehmend auf dem Markt der Direktbeteiligungen. Ein Markt, der bisher weitestgehend nur Private-Equity-Fonds und großen Unternehmen offenstand. In vielen Fällen entstehen durch diese Art der Investition hochgradig individualisierte Vermögensportfolios in Single Family Offices.
Der Trend zur privaten Direktanlage liegt zum einen an der besseren Kontrolle über die Anlagen. Während der Investor in fremdverwaltete oder öffentliche Anlageformen kaum Einblick und kein Recht auf Mitsprache hat, kann er bei privaten Direktbeteiligungen durch Gremienarbeit, etwa als Gesellschafter, aktiv sein Wissen und Netzwerk einbringen und damit den Erfolg des Zielunternehmens mitgestalten. Zudem bekommt er als Miteigentümer stetigen Einblick in das operative Geschäft und kann somit sehr viel transparenter die Geschäftsentwicklung beurteilen als bei klassischen Anlageprodukten.
Zum anderen locken im Bereich der privaten Direktanlagen die höchsten Renditepotentiale. Auch risikobereinigt lassen sich mit der Expertise des Family Office in familienspezifisch ausgewählten Märkten erhebliche, regelmäßig auch zweistellige Renditepotentiale heben.
Bei stark umkämpften und großen Investments können Single Family Offices die Möglichkeit von Club Deals und Poolvereinbarungen nutzen, bei denen das Investitionskapital mehrerer Single Family Offices gesammelt wird, und so ein potenzielles Klumpenrisiko auf mehrere Family Offices verteilen. Weiter kann es als Finanzierungsgeber neben das bestehende Familienunternehmen gestellt werden und unabhängig neue Geschäftsideen und Innovationen als Wagniskapitalgeber anschieben. Dies kann nicht zuletzt auch die Anschubfinanzierung für ein familieneignes Start-up sein.
Natürlich erfolgen solche Anlagen im ausgewogenen Mix zu klassischen Anlageklassen. Die erfolgreiche Vermögensverwaltung lebt von der Anlagediversifikation. Der Anlagemarkt für Single Family Offices lässt sich dabei grob in drei Anlagekategorien einteilen:
- extern verwaltete Anlagen wie zum Beispiel Fonds im Bereich Aktien, Private Equity, Immobilen und Hedgefonds
- öffentliche Direktanlagen wie klassische Aktien, Anleihen, Rohstoffe und weitere
- private Direktanlagen wie zum Beispiel Private Equity, Wachstumskapital, Venture Capital, Immobilien oder Immobilienprojekte
Je intensiver ein Family Office im Bereich der privaten Direktanlagen investiert, desto mehr kommt die spezifische Expertise des Single Family Office zum Tragen. Da Kaufpreise und Informationen zu privaten Direktanlagen nicht öffentlich zugänglich oder auf einem Markt gehandelt werden, sind sie nur mit Fachkenntnis und einem koordinierten Anlageprozess über Research, Sourcing, Legal, Tax, Commercial und Financial Due Diligence zu bestimmen. Damit stellt sich die Frage, welches Wissen bereits in der Familie und im Betrieb vorhanden ist. Dann ist zu entscheiden, welche Expertise extern eingekauft oder aber dauerhaft durch fachkundiges Personal intern gebunden werden soll.
Single Family Office in seiner individuellen Ausgestaltung
Ist die Entscheidung für ein Single Family Office, die grobe Anlagestrategie und die von ihm weiter zu erbringenden Dienstleistungen gefallen, muss geklärt werden, welche Familienmitglieder jeweils Empfänger der Leistungen sein dürfen und wie kommende Generationen partizipieren.
Antworten auf alle aufgeworfenen Aspekte des Single Family Office bestimmten schlussendlich über seine Größe. Im Durchschnitt beschäftigen heutige Single Family Office ungefähr zehn Mitarbeiter und begünstigen unmittelbar eine Handvoll Familienmitglieder. Ebenso existieren aber auch sehr erfolgreiche Single Family Offices mit einem enger begrenzten Tätigkeitsfeld und nur zwei oder drei Mitarbeitern.
Insbesondere wegen des oftmals global verteilten Familienvermögens stellt sich zusätzlich die Frage nach dem richtigen Standort und der passenden Rechtsordnung für das Single Family Office; wichtig ist dies insbesondere für steuer- und gesellschaftsrechtliche Fragen. Nicht außer Acht zu lassen ist hier zudem, ob am geplanten Standort des Single Family Office geeignetes Fachpersonal vorhanden ist.
Das Fazit zu Single Family Offices
Im Ergebnis zeigt sich, wie weit die Ausgestaltungsmöglichkeiten des Single Family Office hinsichtlich des Aufgabenbereichs und der Anlagestrategien reichen können. Bei der Gründung eines Family Offices geht es mithin vor allem darum, sich der familieneigenen Strategie und ihren Bedürfnissen bewusst zu werden. Die Gründung wird damit auch zum iterativen Prozess, in dem das Dienstleistungsangebot des Single Family Office immer neu auf die Anforderungen angepasst wird. Gerade aber diese Flexibilität und Passung an ihre Werte und Bedürfnisse macht Single Family Offices für viele Mandaten zum unverzichtbaren Begleiter.
Über den Autor:
Oliver Schmitt ist Rechtsanwalt bei Rödl & Partner und leitet die Beratung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie im Bereich Mergers & Acquisitions. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Berufserfahrung im Transaktionsgeschäft. Er wird bei Juve im Bereich M&A als Experte empfohlen und wurde von „Best Lawyers“ im Bereich Gesellschaftsrecht ausgezeichnet.