Nachlassvermögen Vorsicht bei Forderung nach einem notariellen Nachlassverzeichnis

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In dem zweiten Fall hatte eine pflichtteilsberechtigte Tochter das notarielle Nachlassverzeichnis ihres Bruders beanstandet, den die Mutter als Alleinerben eingesetzt hatte. Dieses vorgelegte Verzeichnis führte, basierend auf den Angaben des Erben, nur zwei Bankkonten plus eine Schenkung in Höhe von 50.000 Euro auf. Tatsächlich bestehen aber mindestens vier weitere Konten bei derselben Bank, von denen die Tochter erst später erfuhr.

Auch in diesem zu guter Letzt einvernehmlich beigelegten Verfahren machte das OLG Celle deutlich: Der Notar dürfe sich nicht nur auf die Angaben des erbenden Sohnes verlassen, sondern hätte von sich aus bei der ihm bekannten Bank nach weiteren Konten nachfragen müssen. Seinen Gebührenanspruch verdiene sich der Notar erst mit der ordnungsgemäßen Erstellung des Nachlassverzeichnisses, so das OLG.

Erbe muss wahrheitsgetreu mitwirken

Dass der Notar seinerseits aktiv ermitteln muss, entbindet den Erben freilich nicht von der Verpflichtung, den von ihm beauftragten Notar tätig zu unterstützen und ihm wahrheitsgemäß und vollständig Auskunft zum Nachlassbestand und zu Schenkungen oder Zuwendungen des Erblassers zu erteilen. Doch in der Praxis steckt der Teufel wie so oft im Detail. Liegen dem Erben beispielsweise keine zehn Jahre zurückreichenden Auszüge zu den Konten des Erblassers vor, muss der Notar diese Auszüge entweder selbst oder über den Erben bei den betreffenden Banken einfordern, um mögliche Pflichtteilsergänzungsansprüche (Paragraf  2325 BGB) aus früheren Schenkungen des Erblassers abzuklären.

Diese Kontoauszüge beizubringen kann mit durchaus empfindlichen Kosten verbunden sein, die – ebenso wie die Notarkosten – aus dem Nachlass zu begleichen sind (Paragraf 2314 Absatz 2 BGB). Solche Kosten mindern im Ergebnis die Höhe des Pflichtteilsanspruchs. Das erweist sich dann als besonders nachteilig, wenn die vom Notar angestellten Recherchen gerade nicht dazu führen, dass sich das Nachlassvermögen und damit zugleich der Pflichtteilsanspruch erhöht, sondern dieser sich durch die Kosten, die bei Nachlassaufstellung durch einen Notar anfallen, sogar noch verringert.

Hinzu kommt, dass die Recherchen des Notars zu Bankkonten und -unterlagen, Versicherungsverträgen und Immobilienvermögen des Erblassers und Erkundigungen beim Finanzamt regelmäßig erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Deshalb kann sich die Auszahlung des Pflichtteils an den Berechtigten um etliche Monate verzögern kann.

Fazit

Liegen dem Pflichtteilsberechtigten also keine stichhaltigen Hinweise darauf vor, dass das Nachlassverzeichnis, welches der Erbe ihm vorgelegt hat, unvollständig oder unrichtig ist oder sein könnte, kann die zusätzliche Anforderung eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu einer teuren Gewissheit darüber werden, dass die Angaben des Erben zutreffend gewesen waren. Wer seinen Pflichtteil vorzugsweise zeitnah ausgezahlt bekommen möchte, sollte daher das Für und Wider der Einforderung eines notariellen Nachlassverzeichnisses sorgfältig abwägen.

 


Über den Autor:

Frank van Alen ist Partner der Kanzlei SKW Schwarz Rechtsanwälte am Standort Hamburg.

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