Sind sich Familienmitglieder nicht grün, können sie per Testament ihre nächsten Angehörigen oder Ehegatten von der Erbfolge ausschließen. Ganz leer gehen die engen Verwandten trotzdem nicht aus, weil sie von dem vom Erblasser bestimmten Erben den Pflichtteil verlangen können (Paragraf 2303 BGB). Dieser Pflichtteil umfasst die Hälfte des vom Gesetz eigentlich zugedachten Erbteils. Würde ein Kind also nach dem Gesetz die Hälfte des Vermögens erben, so bemisst sich sein Pflichtteil auf ein Viertel.
Der Pflichtteil entsteht qua Gesetz mit dem Erbfall. Trotzdem müssen die Pflichtteilsberechtigten ihn gegenüber dem Erben aktiv einfordern. Geschieht dies nicht, obwohl die Pflichtteilsberechtigten von dem Erbfall wissen, verjährt der Pflichtteilsanspruch innerhalb von drei Jahren, beginnend mit Ablauf des Kalenderjahres, in welches der Erbfall fällt Paragraf 195 BGB). Pflichtteilsberechtigte erlangen in aller Regel Kenntnis vom Erbfall durch eine entsprechende Mitteilung des Nachlassgerichts.
Nachlassverzeichnis schafft Klarheit über das Nachlassvermögen
Der Pflichtteil ist vom Erben durch Zahlung einer Geldsumme an den Pflichtteilsberechtigten zu Lasten des Nachlasses auszugleichen. Um die Höhe dieser Summe ermitteln zu können, muss zunächst der Erbe die Bemessungsgrundlage in Gestalt der Höhe des Nachlassvermögens feststellen und diese dem Pflichtteilsberechtigten mitteilen (Paragraf 2314 BGB). Der Erbe ermittelt hierfür das Aktivvermögen des Nachlasses und die Nachlassverbindlichkeiten, die er in einer Übersicht zusammenstellt.
Soweit die einzelnen Positionen des Nachlassverzeichnisses durch Belege oder Dokumente unterlegt werden können, sollte dies im Interesse einer bestmöglichen Transparenz gegenüber den Pflichtteilsberechtigten auch geschehen. Was unter dem Strich herauskommt, ist dann das Reinvermögen des Nachlasses, auf dessen Grundlage der entgeltliche Pflichtteilsanspruch berechnet wird und ausgezahlt werden kann.
Der Pflichtteilsberechtigte kann vom Erblasser verlangen, dass das Nachlassverzeichnis durch einen Notar aufgenommen wird. Von dieser Möglichkeit haben Pflichtteilsberechtigte in der Vergangenheit eher nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht. Erbe und Pflichtteilsberechtigter konnten sich ganz überwiegend – unter Mithilfe ihrer anwaltlichen und sonstigen Berater – ohne die Einschaltung eines Notars auf den Inhalt des Nachlassverzeichnisses und die Ermittlung des Nachlasswertes verständigen. In jüngerer Zeit scheint es allerdings in Mode gekommen zu sein, dass der Pflichtteilsberechtigte ein notarielles Nachlassverzeichnis einfordert, um dies als Druckmittel gegenüber dem Erben bei der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen einzusetzen.
Allerdings verkennen Pflichtteilsberechtigte bei diesem vermeintlich klugen Schachzug oftmals, dass es mit der Beurkundung eines vom Erben aufgestellten Nachlassverzeichnisses, das soweit möglich zu Beweiszwecken mit Belegen unterlegt, nicht getan ist. Denn der mit der Nachlassaufstellung vom Erben betraute Notar zeichnet für den Inhalt des Nachlassverzeichnisses verantwortlich, wie jüngst etwa das Oberlandesgericht Celle entschieden hat (Beschluss v. 25.3.21, 6 U 74/20). Deshalb ist ein vom Erben mit der Aufstellung beauftragter Notar auch gehalten, selbst eigene Recherchen zur Ermittlung des Nachlassbestandes anzustellen.
OLG verpflichtet Notare zu eigenen Recherchen
Das OLG Celle hatte über zwei Fälle zu entscheiden, in denen es um die Frage ging, welche Ermittlungen der Notar anzustellen hat, wenn er ein Nachlassverzeichnis erstellt. In dem einen Fall hatte der Erblasser seine Ehefrau zur Alleinerbin eingesetzt. Das notarielle Nachlassverzeichnis, das die Frau beauftragt und dem pflichtteilsberechtigten Sohn überlassen hatte, hielt der Sohn nicht für ausreichend. Sein Einwand: Der Notar habe sich teilweise nur auf die Angaben der Erbin verlassen und keine eigenen Ermittlungen durchgeführt.
Das OLG Celle sah dies ebenso und verpflichtete die Erbin, ein neues notarielles Nachlassverzeichnis anzufordern, bei dem die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft dadurch gewährleistet sein müsse, dass der Notar auch eigene Nachforschungen anstellt. Konkret bedeutet das: Der Notar muss beispielsweise Bankguthaben, Wertpapierdepots und mögliche Steuerrückerstattungen bei Banken und Finanzbehörden selbst anfragen und gegebenenfalls auch den Inhalt eines Bankschließfachs selbst sichten.