Vorbild Silicon Valley Wie agile Organisation Banken besser machen kann

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Inspiriert wurde die ING als Vorreiter in der Finanzbranche von innovationsstarken Technologieunternehmen, die bereits vor einigen Jahren erfolgreich auf eine agile Organisationsform umgestellt haben. Eines der ersten und wohl bekanntesten Beispiele ist der US-Onlineversandhändler Zappos, der Vorbild für das deutsche Pendant Zalando war. Hier erkannte man frühzeitig, dass Wachstum im dynamischen E-Commerce-Umfeld eine hohe Anpassungsfähigkeit erfordert. In der Konsequenz wurden für alle 1.500 Mitarbeiter die bestehenden linearen Strukturen aufgelöst.

Im Rahmen der Transformation wurden alle Abteilungen in weitgehend autonome, selbstorganisierte Teams – sogenannte Circles – mit unterschiedlichen Rollen aufgelöst. Im Schnitt nahmen Mitarbeiter nach der Umstellung 7,4 Rollen mit 25 Verantwortlichkeiten in verschiedenen Circles wahr. Zur Steuerung der Personalressourcen wurde ein zentrales Kapazitätsmanagement geschaffen. Die Vergütung richtet sich nach ausgefüllten Rollen, einem 360°-Evaluationssystem sowie dem Nachweis erworbener Qualifikationen.

Vergleichbare agile Organisationsformen wurden auch in zahlreichen anderen Unternehmen unterschiedlicher Größe und Industriezugehörigkeit umgesetzt. Beispielhaft zu nennen sind Spotify (börsennotierter Musik-Streaming-Anbieter), Morning Star (größter US-Tomatenverarbeiter), Valve (US-Softwareunternehmen), Buurtzorg (niederländischer Pflegedienst) und Freitag (Schweizer Taschenhersteller).

Transformation zur agilen Bank

Die Anpassung der Organisationsform an das schnelllebige Umfeld und die immer kürzeren Innovationszyklen sind entscheidend für ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell im Finanzdienstleistungsumfeld im Allgemeinen und im Private Banking im Speziellen. Anders als neue, aufstrebende Unternehmen im E-Commerce-Umfeld stehen Banken vor der Herausforderung bei der Entwicklung hin zu einer agilen Organisation zentrale Bankeigenschaften wie Stabilität und Verlässlichkeit nicht zu gefährden.

Daher ist die Balance zwischen Stabilität als Fundament für ein langfristig erfolgreiches Bankgeschäftsmodell und Agilität als Garant für Innovations- und Zukunftsfähigkeit von herausragender Bedeutung. Hybride Ansätze sind hier erfolgsversprechend: Stabilität und Konstanz in standardisierten Kundenprozessen und Erfüllung regulatorischer Anforderungen werden dabei über ein Core Banking Backbone gewährleistet, in dem Regeltätigkeiten weiterhin linear organisiert werden. Ein agiler Workspace gewährleistet hingegen die Innovations- und Anpassungsfähigkeit der Bank sowie freiheitliches, unternehmerisches Denken durch Selbstorganisation in interdisziplinären Teams.

Ausblick Private Banking

Hoher Grad an Individualität, anspruchsvolle Kundenbedürfnisse und zunehmende Konkurrenz durch neue, digitale Angebote erfordern gerade an der Kundenschnittstelle im Private-Banking-Umfeld besondere Wandlungsfähigkeit. Selbstorganisierte, zeitlich begrenzte Kunden- und Produktteams stellen deshalb gerade hier einen erfolgsversprechenden Ansatz für eine zukunftsfähige Vertriebsorganisation dar.

Die Förderung des unternehmerischen Denkens abseits bereichsinterner Produkt- und Zielvorgaben fördert dabei einerseits die individuelle Kundenorientierung aus der Organisation heraus und liefert andererseits neue Vertriebsimpulse. In einem nächsten Artikel der Reihe „Agile Organisationsformen“ wird dieser spezifischen Relevanz von agilen Organisationsformen im Private Banking Vertrieb tiefergehend beleuchtet und mögliche Zielmodelle diskutiert.

Über die Autoren:
Jens Wiegel begleitet als Manager bei Zeb insbesondere Projekte zur Geschäftsmodellentwicklung und Reorganisation im Retail- und Private Banking-Umfeld.

Alexander Stolz begleitet als Consultant bei Zeb insbesondere Transformations- und Reorganisationsprojekte im Private-Banking-Umfeld.

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