Von „Deal“ bis „No Deal“ Was der Brexit wirklich kostet

Als Vorstand des Bankhaus Krentschker & Co. ist Alexander Eberan zuständig für das Private Banking sowie das Risikomanagement des Hauses.

Als Vorstand des Bankhaus Krentschker & Co. ist Alexander Eberan zuständig für das Private Banking sowie das Risikomanagement des Hauses. Foto: Bankhaus Krentschker

Die Zeichen in den Brexit-Verhandlungen zwischen EU und Großbritannien stehen aktuell auf „Deal“. Doch solange der Modus des für 29. März 2019 bevorstehenden Brexit nicht fix ist, herrscht große Unsicherheit. Dies hat bereits massive Auswirkungen auf die britische Wirtschaft und die Menschen im Land, schreibt das Bankhaus Krentschker in seinem jüngsten Marktkommentar, in dem das Institut die Brexit-Eckdaten genau unter die Lupe genommen hat.

Seit dem Brexit-Referendum vor zwei Jahren ist laut Bank of England (BOE) bereits ein Wachstumsverlust von 2 Prozent entstanden. Jeder Haushalt in Großbritannien hat demnach einen Wohlstandsverlust von rund 900 Britischen Pfund (circa 1000 Euro) hinnehmen müssen. Das Centre for European Reform, ein liberaler Think-tank mit Sitz in London, hat errechnet, dass sich der Brexit aktuell mit einer Belastung von 440 Millionen Britischen Pfund pro Woche für den Staatshaushalt niederschlägt.

Wachstumseinbußen, doch auch Chancen

Brexit-Gegner haben für Großbritannien (UK) folgende Kosten ermittelt: Ein „Hard-Brexit“ würde mit 284 Milliarden Euro zu Buche schlagen, ein „Soft-Brexit“ 147 Milliarden Euro kosten und ein „Exit vom Brexit“ bloß 57 Milliarden Euro. „Tory Brexiteer“ erwarten, dass die Rückkehr zu WTO-Regeln zu einem Wachstumsverlust von 8 Prozent auf 15 Jahre führen wird.

Doch sogar ein Hard-Brexit wäre für die britische Wirtschaft, deren aktuelle Staatsverschuldung bei circa 85 Prozent des BIP liegt, zu schaffen, so die Experten bei Krentschker: So könnten etwa durch steuerliche Maßnahmen die Mehrkosten für Zölle und deren Administration verringert werden oder mittels niedrigerer Unternehmenssteuern der Standort UK attraktiver werden. Ein Bericht der „Maritime UK“ – die Mitglieder sind mit rund 95 Prozent am gesamten UK-Handel beteiligt – besagt, dass UK mit dem Brexit an wirtschaftliche Stärke gewinnen wird.

Zahlreiche Firmen planen mit Blick auf den unsicheren Ausgang des Brexits, auf Lager zu produzieren beziehungsweise Standortveränderungen vorzunehmen. Die britische Regierung bereitet sich parallel zu den Verhandlungen bereits auf einen Hard-Brexit vor, und dies generiert zusätzliches Wachstum. UK will bis Ende September diesbezüglich 80 Pläne veröffentlichen – mit dem Ziel, ein Chaos und Engpässe in der Versorgung zu vermeiden.

Die Verlierer

Für die EU erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) bei Zustandekommen eines Handelsabkommens zwischen der EU und UK (Deal) einen langfristigen EU-Wachstumsverlust von 0,8 Prozent. Sollte UK zu den WTO-Regeln (No-Deal) zurückkehren beziehungsweise diese neu verhandeln, würde der Rückgang rund 1,5 Prozent betragen. Irland wäre mit einem Minus von rund 4 Prozent am stärksten betroffen.

Verlierer des Brexits sind insbesondere die Autoindustrie in Deutschland, die Landwirtschaft in Frankreich und Italien sowie britische Regionen mit großen Exportindustrien.

Weniger Arbeitslose

Das von Marktteilnehmern erwartete BIP-Wachstum samt Arbeitslosenquote lässt vermuten, dass das Jahr 2018 für UK als Anpassungsjahr zu qualifizieren ist:

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