Der Nebel hängt tief über Montevideo am 12. Juli 1963. Der Luftverkehr liegt lahm. Seit dem frühen Morgen wartet Amadeo Baldovino, weltbekannter Cellist im Trio di Trieste, darauf, die Reise nach Argentinien antreten zu können. Am Abend nehmen er und seine Musikerkollegen die Nachtfähre nach Buenos Aires – die einzige Möglichkeit, um pünktlich zum nächsten Konzert in Rosario zu gelangen.
Eine folgenschwere Entscheidung: Um 4.30 Uhr bricht Panik an Bord aus. Die Fähre ist auf ein gesunkenes Wrack gelaufen. Die Passagiere rennen an Deck, Baldovino mit seinem Cellokoffer unter dem Arm. Darin: das „Mara“, ein Cello aus dem Jahr 1711, das aus den Händen des Geigenbauers Antonio Stradivari stammt. Schwimmwesten werden verteilt, Rettungsboote zu Wasser gelassen. „Ich weiß nicht mehr genau, wann ich das Mara stehen lassen habe. Mein Überlebensinstinkt übernahm das Kommando“, schreibt der Cellist später in einem Brief. Doch genau wie er überlebt auch sein Instrument die Havarie.
Instrumente landen nicht nur im Depot, sondern auch im Konzertsaal
Das Cello, aus dem Wasser des Rio de la Plata gerettet, wird zum Mythos. Heute wird sein Wert auf 8 Millionen US-Dollar geschätzt, wobei gut möglich ist, dass Investoren ein Vielfaches bezahlen würden, käme das Instrument auf den Markt. Emotionen sollten beim Investieren zwar eine untergeordnete Rolle spielen – bei Instrumenten ist das aber schwierig, wie die Geschichte der Mara zeigt.
„Klar ist es ein leidenschaftliches Thema, Streichinstrumente mit Investieren zu verbinden“, sagt Christian Reister, Mitgründer und Geschäftsführer von Violin Assets. Das Unternehmen vermittelt hochwertige Streichinstrumente und verwaltet Instrumenten-Portfolios für vermögende Privatinvestoren, Family Offices und Stiftungen. Die von Reister vermittelten Instrumente landen aber nicht nur im Tresor, sondern auch im Konzertsaal.
Musiker können sich Top-Instrumente kaum noch leisten
Violin Assets und die Instrumentum Foundation bringen Musiker und Instrument, beziehungsweise Investor, zusammen. „Die Liebe zur Musik spielt bei der Investition in Streichinstrumente meist mit“, so Reister. Investoren, die eine Leidenschaft für Musik haben, sehen das Instrument nicht nur als Kapitalanlage, sondern auch als Kulturgut, Kunstwerk und Möglichkeit, Musiker zu fördern. Talentierte Musiker stoßen irgendwann an die Grenzen ihres Instruments. Ihnen können Investoren weiterhelfen.
So passierte es dem bekannten Violinisten Daniel Hope. Der Brite bekam eines Tages unverhofft einen Anruf einer Investorin: Sie wolle eine Geige als Wertanlage kaufen. Er dürfe auf dem Instrument spielen, die Geige sogar aussuchen. Hope entschied sich für eine Giuseppe Guarneri del Gesù von 1742, auf der vor ihm einst der 1861 verstorbene Virtuose Karol Lipinski spielte. „Für Musiker ist es kaum mehr möglich, sich diese Instrumente zu leisten, weil die Preisexplosion wahnsinnig ist“, sagte Hope gegenüber der Deutschen Welle, der er die Geschichte erzählte.
Dem Geiger verhalf seine Bekanntheit zu dem Instrument. Doch gerade junge, aufstrebende Musiker sind auf Stipendien und Stiftungen angewiesen. „Die Symbiose zwischen Investor und Künstler fördert nicht nur die musikalische Exzellenz, sondern kann auch zu einer zusätzlichen Wertsteigerung des Instruments beitragen, da es durch die Bekanntheit und das Prestige an Wert gewinnen kann“, sagt Reister. Carolina Maggiore von der Instrumentum Foundation ergänzt: Durch das regelmäßige Spiel und die Präsenz auf internationalen Bühnen werde das Instrument nicht nur klanglich reifer, sondern gewinne auch an kulturellem und historischem Wert – und damit an Anziehungskraft für künftige Investoren, Mäzene und Sammler.
Violinen auf der Blockchain
Besondere Faszination lösen seit jeher die Geigen von Antonio Stradivari, Guiseppe Guarneri del Gesù und von Giovanni Battista Guadagnini aus. Die großen Meister aus dem norditalienischen Cremona lebten im 17. und 18. Jahrhundert. Ihre Streichinstrumente gelten noch heute als die besten der Welt und werden für Unsummen gehandelt. 2022 ersteigerte der deutsche Stargeiger David Garrett eine Guarneri für 3,5 Millionen Euro, eines von 200 Instrumenten des Geigenbauers, die weltweit noch im Umlauf sind. Damit machte Garrett quasi ein Schnäppchen: 2010 wurde eine Guarneri del Gesù für 18 Millionen Dollar versteigert – der höchste Preis, der je für eine Violine bezahlt wurde.
„Das obere Preissegment ist für die meisten Musiker unerschwinglich geworden“, sagt Peter Horner, Vorsitzender von Brompton’s, ein auf Instrumente spezialisiertes Auktionshaus. Das führe dazu, dass Musiker auf moderne italienische Hersteller wie Fagnola oder Poggi oder französische Geigenbauer wie J.B. Vuillaume oder Nicolas Lupot ausweichen. Und noch ein Markt hat profitiert: „Der Bogenmarkt ist sehr lebendig geworden, denn ein Geiger kann es sich nicht leisten, eine Guadagnini zu kaufen“, so Horner. Wohl aber einen großartigen Bogen, was zu einem enormen Preisanstieg insbesondere bei Bögen angesehener französischer Hersteller geführt habe.
Der Bogenmarkt profitiert von der Preisexplosion
Neben Bögen haben Investoren noch eine andere Möglichkeit, Teile eines Instruments zu erwerben und so geringere Summen zu investieren: über Token. Diesen Service bietet beispielsweise Finexity. Das Hamburger Unternehmen tokenisierte 2022 eine Violine von Jean-Baptiste Vuillaume. Sie war weltweit die erste Violine, die auf einer Blockchain als Kapitalanlage zugänglich gemacht wurde – für eine Mindestinvestitionssumme von 500 Euro. Die Violine wurde an das Philharmonische Staatsorchester Hamburg verliehen und ist dort regelmäßig zu hören.
Die Vorteile: Im Gegensatz zu konventionellen Verbriefungen werden Intermediäre durch die Blockchain ersetzt. Das spare Emissionen, Kosten und Zeit, sagt Finexity-Vorstand Paul Huelsmann. Zudem sei die Aufbewahrung risikolos. „Das Asset Management, einschließlich Lagerung, Versicherung, Verleih und Exit, übernimmt der Emittent mit spezialisierten Partnern – der Anleger selbst muss sich also nicht darum kümmern. Darüber hinaus bietet der Sekundärmarkt einen flexiblen Handel bis zum finalen Exit“, erklärt Huelsmann. Das mache den Instrumentenmarkt zugänglich für Investoren, die geringere Summen investieren wollen und liquider.
Mehr Transparenz gegen überhöhte Wertbestätigungen
Nicht handelbar sind hingegen die NFTs (Non Fungible Token) von Vountain. Sie ermöglichen indes, Informationen über eine Geige manipulationssicher und dezentral auf einer Blockchain zu speichern. „Wir sammeln sämtliche Informationen zu einem Instrument. Dazu gehören dendrochronologische Gutachten, CT-Untersuchungen, Spektroskopie, Lackanalysen über Materialien und Beschaffenheit“, sagt Sandro Pittalis, Gründer und Geschäftsführer von Vountain. Auch historische Briefe oder handschriftliche Notizen machten die Provenienz eines einzigartigen Instruments aus.
All dies auf NFTs fälschungssicher zu dokumentieren, mache den Markt transparenter und liquider. Und das ist nötig, denn mangelnde Transparenz ist eine der größten Schwächen des Instrumentenmarkts. Laut Peter Mörth, Geigenbauer vom Atelier Mörth, gibt es Geigenbauer, die bereit sind, überhöhte Wertbestätigungen auszustellen, für Investoren, die „von Instrumenten nichts verstehen“. „Da geht es um den Glauben, um die Hoffnung, um irgendwelche Versprechungen“, sagt Mörth. „Der, der das korrigiert, ist der Buhmann vom Dienst.“ Hinzu komme, dass nicht die Investoren und Mäzene, sondern oft die Musiker die Versicherungsprämien zahlen. Je teurer das Instrument, desto höher die Prämien. „Auch die Reparaturkosten steigen mit dem Wert, da die Verantwortung wächst“, so Mörth. Diese zu Unrecht höheren Kosten würden auf die Musiker abgewälzt.
„Mäzene, die durch indiskretes Handeln den Marktpreis eines Instruments nach oben treiben, machen zumindest aus Sicht der Musiker einen Fehler“, stimmt Tim Vogler zu, Professor für Streichkammermusik an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main (HfMDK). Besonders bei historischen oder wertvollen Instrumenten besteht die Gefahr, für ein minderwertiges Stück zu viel zu bezahlen.
Zwischen 5 und 8 Prozent seit hundert Jahren
„Den tatsächlichen Wert eines Instruments ohne Fachkenntnisse zu beurteilen, birgt erhebliche Risiken – hier sollten unbedingt Experten hinzugezogen werden“, warnt Claudio Labianca, Klavierbauer und Geschäftsführer des Labianca Klavierhauses. Er ist überzeugt, dass die Expertise eines unabhängigen Gutachters oder anerkannten Experten für Käufer unverzichtbar ist. Außerdem sollten Instrumente nur über vertrauenswürdige Vertragshändler erworben werden, die Transparenz und fundiertes Fachwissen bieten, um das Risiko eines Fehlkaufs zu minimieren.
Wer aber in werthaltige Instrumente investiert, kann sein Portfolio durch die geringe Korrelation mit anderen Anlageklassen stabilisieren. Die Wertentwicklung liegt seit mehr als hundert Jahren zwischen 5 und 8 Prozent. Auch in Krisenjahren wie 2008. Einig sind sich alle Experten: Instrumente sind mehr als ein klassisches Investitionsgut. Pittalis von Vountain formuliert es so: „Historische Streichinstrumente sind für uns ein Investment mit Seele.“