Christina Volkmann von Invesco „Ich halte Aktienstrategien für eine langfristige Alternative“

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Was für Folgen hatte die im Jahr 2016 für die großen Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen in Europa eingeführte Solvency-II-Richtlinie auf die Anlagepolitik?

Volkmann: Die Solvency-II-Richtlinie hat erhebliche Änderungen im Bereich der Kapitalanforderungen, des aufsichtsbehördlichen Überprüfungsverfahrens, der Marktdisziplin und der Veröffentlichungspflichten mit sich gebracht. Konkret heißt das: Je risikoreicher das Geld angelegt wird, desto mehr Eigenkapital muss vorgehalten werden. So gilt zum Beispiel für Aktien aus der EU und dem OECD-Raum eine Eigenkapitalunterlegung von 39 Prozent, bei Aktien aus Schwellenländern sind es 49 Prozent, bei Immobilienanlagen 25 Prozent.

Schaut man sich die Zuflüsse der Versicherungsbranche an, bestätigt sich dieses Bild. Es ist eine recht deutliche Umschichtung von risikoarmen hin zu risikoreicheren Asset-Klassen wie Aktien ersichtlich: 2017 lag die Anleihequote noch bei knapp 56 Prozent, die Aktienquote bei 13 Prozent; auf Alternatives und Immobilien entfielen 19 beziehungsweise 7 Prozent der Anlagen. Heute, drei Jahre später, ist der Anteil der Anleihen stark zurückgegangen auf 43 Prozent. Der Aktienanteil liegt bei 19 Prozent und auf Alternatives und Immobilien entfallen 24 beziehungsweise 9 Prozent. 

Kleine Versicherungen müssen – so wie früher auch die großen – die Anlageverordnung beachten. Diese sieht in den einzelnen Anlageklassen Obergrenzen vor, zum Beispiel 20 Prozent bei Immobilien. Sollten die Anlagegrenzen durch die zuständigen Behörden verschoben werden, um den Renditedruck zu lindern?

Volkmann: Die Grenzen in der Anlageklasse Immobilien zum Beispiel sind in der Tat eine Einschränkung. Sie basieren noch auf den Parametern einer „alten Welt“ mit positiven Erträgen und einer eher begrenzten EZB-Bilanz. Aktuell stellen sie eher eine Gefahr für die Versicherungsgesellschaften dar. In diesem Zusammenhang sehe ich Liquiditätsgrenzen als wichtigere Einflussgröße an. 

Inwiefern? 

Volkmann: Immobilienanlagen sind nicht grundsätzlich sicherer als andere Asset-Klassen. Als möglichen Ansatz für die Zukunft sehen wir regional und über Immobiliensektoren diversifizierte Immobilienstrategien. Zum einen weisen diese generell einen Korrelationseffekt zu anderen Asset-Klassen auf. Außerdem sind sie resilient und mäßig volatil.

Langfristige Zinsanlagen passen sehr gut zu den Verpflichtungen der Lebensversicherer. Daher haben Zinspapiere die Portfolios in dieser Sparte dominiert. Gibt es sinnvolle Rentenersatzanlagen? 

Volkmann: Die Niedrigzinspolitik wird zu weiteren Umschichtungen führen müssen. Ich halte insbesondere Aktienstrategien für eine sinnvolle und langfristige Alternative. Je breiter diversifiziert wird, desto besser. Aktuell beobachten wir, dass einige Versicherungsgesellschaften ihre Aktienquote erhöht haben beziehungsweise Pläne verfolgen, die Aktienquote auszubauen. Wir stehen europaweit mit einigen Versicherern im Dialog, um maßgeschneiderte Alternativen zu finden, die auch aus Portfolio- und Solvency-Gesichtspunkten sinnvoll und effizient sind. Hierbei stehen oftmals optimierte, abgesicherte Aktienstrategien im Mittelpunkt. Sie beanspruchen niedrigere Kapitalanforderungen und können das Risiko von Wertverlusten stark abschwächen.

Nach der Jahrtausendwende haben sich deutsche Versicherungsgesellschaften mit Aktien die Finger verbrannt. Was haben sie daraus gelernt?  

Volkmann: Das Verlustrisiko von Aktienanlagen ist natürlich sehr hoch. Kursbewegungen, wie in der Dotcom- oder Finanzkrise, können Versicherungen nicht aushalten. Mit sinnvoll strukturierten Aktienstrategien lassen sich diese Drawdowns jedoch glätten. Neben reinen Aktienstrategien gibt es zudem sehr intelligente Wertsicherungskonzepte.