Christina Volkmann von Invesco „Ich halte Aktienstrategien für eine langfristige Alternative“

Christina Volkmann leitet die Abteilung Versicherungskunden bei Invesco Deutschland: Im Interview spricht sie über die Zusammenarbeit von Asset Managern mit Versicherungsgesellschaften.

Christina Volkmann leitet die Abteilung Versicherungskunden bei Invesco Deutschland: Im Interview spricht sie über die Zusammenarbeit von Asset Managern mit Versicherungsgesellschaften. Foto: Invesco

pbm institutionell: Versicherungsgesellschaften sind mit Kapitalanlagen im Wert von insgesamt rund 2.000 Milliarden Euro Platzhirsche unter den institutionellen Anlegern in Deutschland. Ihr Kapital wächst jährlich um etwa 100 Milliarden Euro und sucht nach Rendite. Wo fließt es hin?

Christina Volkmann: Versicherungsgesellschaften schichten ihre Kapitalanlagen mehr und mehr in risikoreichere Asset-Klassen um. Wir gehen davon aus, dass sich diese Umschichtung bei dem gegebenen Umfeld langfristig fortsetzen wird. Im ersten Quartal 2020 strömten knapp 18 Prozent der Brutto-Zuflüsse innerhalb des deutschen Versicherungs-Segments in Aktienstrategien. Bei Invesco sehen wir hohe Zuflüsse in maßgeschneiderte Aktienlösungen, Buy-and-Maintain-Strategien auf der Aktien- und Rentenseite sowie konservative und risikogesteuerte Multi-Asset-Lösungen. Als Anlageklassen, die laufende Erträge bieten, schätzen die Versicherer zudem Immobilien – insbesondere Wohnimmobilien und Immobilien in Asien – sowie Senior Secured Loans. Auch Infrastrukturinvestments verbuchen signifikante Mittelzuflüsse. 

Auf Versicherungsunternehmen und Pensionskassen lastet ein enormer Druck, auskömmliche Anlagerenditen zu erwirtschaften. Wie können diese Anleger mit ihrem begrenzten Kapitaleinsatz mehr Rendite anpeilen – ohne dabei ihre Risiken aus den Augen zu verlieren?

Volkmann: Eine mögliche Lösung könnte eine sogenannte Barbell- oder auch Hantel-Strategie sein, die sehr liquide sichere Anlagen wie zum Beispiel Staatsanleihen mit ausgewählten illiquiden Anlagewerten wie Immobilien und diversifizierten Kreditanlagen kombiniert. 

Welche Trends gibt es in der Steuerung der Kapitalanlage von Versicherungsgesellschaften?

Volkmann: Der wohl bemerkenswerteste Trend ist der Aufbau spezialisierter Versicherungs-Einheiten. Die Mitarbeiter dieser Einheiten erarbeiten individuelle Anlagekonzepte im regulatorischen Kontext für Versicherer. Dabei arbeiten sie mit Anlagegesellschaften zusammen und greifen auf die Expertise der globalen Investment-Teams von Asset Managern zu.

Was versprechen sich die Versicherer davon? 

Volkmann: Auf diese Weise lassen sich Anlagekonzepte, regulatorische Anforderungen, langfristige Kapitalmarktannahmen für einzelne Anlageklassen und IT-gestützte Analysen, zum Beispiel ein ESG-konformes Anlageuniversum, miteinander verknüpfen. Invesco verfügt über ein solches Team und kann Lösungen unabhängig vom Investmentvehikel anbieten. Neben der reinen Mandatsform kaufen Versicherer auch ETFs. Für Versicherer, die neue Strategien ausprobieren und zugleich ihre Liquidität und Flexibilität erhöhen möchten, sind ETFs ein ideales Instrument. 

Versicherungsgesellschaften sind die Anlegergruppe, die mit Abstand die meisten Assets im Direktbestand verwaltet – also zunächst einmal ohne Unterstützung durch externe Asset Manager operiert. Laut einer aktuellen Studie liegt die Quote zwischen 65 und 80 Prozent der Gesamtanlagen. Bei kleineren Versicherungshäusern ist sie mit 25 bis 35 Prozent niedriger. Warum ist das so?  

Volkmann: Der größte absolute Teil der Anlagen von Versicherungsgesellschaften ist in risikoarme und Buy-and-Maintain-Strategien mit niedrigem Handelsumsatz investiert. Hier geht es um Staats- oder ganz allgemein um Investment-Grade-Anleihen mit geringem Kreditrisiko. Die Versicherungen haben dafür oftmals hochspezialisierte interne Rentenhändler und zielen hier ganz klar auf einen kosteneffizienten Ansatz ab. Es gibt daher nicht unbedingt ein Bedürfnis nach externen Asset Managern. Aber: Je kleiner die Versicherung, desto kleiner ist auch oft das Anlageteam. Größere Versicherungen haben häufig drei- bis vierköpfige Teams nur für illiquide Anlageklassen, während bei kleineren Versicherungen ein ähnlich großes Team für die gesamte Veranlagung zuständig ist. Daher wird hier zwangsläufig mehr mit externen Asset Managern zusammengearbeitet. Die Schlagworte, die hier von Bedeutung sind, lauten Komplexität und Know-how. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass vor allem die größeren Versicherungen einen eigenen internen Asset Manager besitzen, der den größten Teil der Anlagen betreut.

Binden Versicherungen externe Asset Manager immer erst dann in ihre Anlagepläne ein, wenn sie selbst vor unlösbaren Aufgaben stehen?

Volkmann: Ich würde eher sagen, dass Versicherungsunternehmen externe Manager einbinden, wenn ihnen die Expertise im eigenen Haus fehlt. Oft gilt: Je spezieller die Asset-Klasse, desto eher wird ein externer Asset Manager eingebunden. Für diese Anlageklassen ist dann oft ein gewisser Spielraum erforderlich. Reine Rentenanlagen decken Versicherungen fast ausschließlich selbst ab. Wir sehen aktuell einen starken Trend zu Partnerschaften mit einigen wenigen Asset Managern. Invesco zum Beispiel konnte in diesem Jahr eine sehr große Versicherung gewinnen. Für dieses Unternehmen betreuen wir exklusiv den gesamten Aktienbereich – mit einem Volumen von mehreren Milliarden Euro. 

Wie hoch ist die Zielrendite, die Versicherungen derzeit über alle Anlagen hinweg mindestens erwirtschaften müssen?

Volkmann: Die zu erwirtschaftende Zielrendite hängt von der individuellen Gesamtkostenstruktur und den Zinsgarantien – das gilt für die Lebensversicherungen – im Vertragsbestand ab. 1,5 Prozent ist aktuell eine gute Zielgröße für neue Verträge. 2003 fiel der Garantiezins erstmals unter 3 Prozent, aktuell ist er auf zirka 0,9 Prozent gesunken. Und das Ende ist noch nicht erreicht. Nach einer Empfehlung der Deutschen Aktuarvereinigung soll der Höchstrechnungszins ab dem 1. Januar 2021 sogar auf 0,5 Prozent sinken. Die Verzinsung – Garantie plus Überschuss – wird also weiter zurückgehen. Die Niedrigzinspolitik der EZB wird die Bestände Schritt für Schritt weiter schrumpfen lassen – auch Altbestände hochverzinslicher Anleihen.