Vergütung in Finanzinstituten Betriebsratsvergütung – ein Fall für Aufsicht und Staatsanwalt?

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Vergütung (voll) freigestellter Betriebsratsmitglieder

Wo Betriebsratsmitglieder (in Betrieben > 200 Arbeitnehmern oder kraft Vereinbarung) von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung dauerhaft freigestellt sind, gelten folgende Regelungen:

  • Die Vergütung muss der betriebsüblichen Vergütung entsprechen, die das Betriebsratsmitglied („ohne Betriebsratstätigkeit“) bei Erbringung seiner Arbeitsleistung erhalten hätte. Maßgeblich für die Gehaltsentwicklung ist ein hypothetischer beruflicher Werdegang.
  • Hierzu muss ein Vergleich zu den Mitarbeitern hergestellt werden, die ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben und dafür in gleicher Weise wie das Betriebsratsmitglied fachlich und persönlich qualifiziert waren.
  • Abzustellen ist ausschließlich auf diesen Zeitpunkt der – mitunter viele Jahre zurückliegenden – Übernahme des Betriebsratsamtes (d.h. erstmalige Wahl oder Aufrücken ins Gremium). Alle späteren Entwicklungen sind grundsätzlich irrelevant.
  • Die Vergleichsgruppenbildung hat nicht unternehmensweit zu erfolgen, sondern muss auf den Betrieb des Instituts beschränkt werden.
  • Innerhalb der Vergleichsgruppe sind schließlich diejenigen Beschäftigten zu identifizieren, die eine betriebsübliche Entwicklung genommen haben. Betriebsüblich heißt, dass sich mehr als 50 Prozent der betreffenden Mitarbeiter typischerweise auf eine bestimmte Art und Weise entwickeln. Nur anhand dieses Personenkreises darf die (hypothetische) Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitgliedes bestimmt werden.
  • Tarifliche Vergütungsgruppen oder betrieblich vereinbarte Gehaltsbänder können bei der Vergleichbarkeit lediglich als Indiz herangezogen werden.

Außer Betracht bleiben müssen insbesondere Aspekte wie:

  • die objektive oder subjektive Qualität der Betriebsratstätigkeit,
  • während der Amtszeit erworbene Qualifikationen (diese können nur dann beim Gehalt berücksichtigt werden, wenn sie im unmittelbaren Zusammenhang zu der bisherigen Arbeitstätigkeit des Betriebsratsmitglieds stehen), und
  • „individuelle Ausnahmekarrieren“ des Betriebsrats. Im Volkswagen-Fall des BGH haben die Richter dies explizit für Betriebsräte formuliert, die „auf Augenhöhe“ mit Vorständen und Managern verhandeln, komplexe Aufgaben wahrnehmen, in unternehmerische Entscheidungskomplexe eingebunden sind oder Angebote zum Wechsel in Managementpositionen erhalten haben. Alle diese Aspekte dürfen in ihrer Vergütung keine Rolle spielen.

Damit darf nur in Ausnahmefällen Betriebsratsmitgliedern eine höhere Vergütung gewährt werden als der für sie relevanten Vergleichsgruppe. Das nämlich dann, wenn das Betriebsratsmitglied nur in Folge der Amtsübernahme nicht in die entsprechend vergütete Position aufgestiegen ist. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn eine Bewerbung auf eine bestimmte Stelle gerade wegen der Freistellung oder der Betriebsratstätigkeit erfolglos geblieben ist. Dies dürfte in der Praxis eher selten vorkommen bzw. praktisch nachweisbar sein.

 

Vergütung teilfreigestellter Betriebsratsmitglieder – oder bei Freistellung nach Erforderlichkeit

Soweit Betriebsratsmitglieder nur zu einem bestimmten Prozentsatz ihrer Wochenarbeitszeit („Teilfreistellung“) oder – wie die meisten Betriebsratsmitglieder – nur soweit für die konkret anfallende Betriebsratstätigkeit erforderlich von ihren Aufgaben freigestellt werden, gelten folgende Modifikationen:

  • Während ihrer aktiven Arbeitszeit gelten die üblichen Regeln; hier spielt die Betriebsratstätigkeit keine Rolle.
  • Während der Freistellung ist zwischen festen und variablen Vergütungsbestandteilen zu differenzieren: Bei leistungsunabhängigen, festen Lohnbestandteilen ergeben sich keine Unterschiede im Vergleich zu voll freigestellten Betriebsratsmitgliedern.
  • Bei variablen Vergütungsbestandteilen – wie beispielsweise Bonuszahlungen – hat hingegen eine hypothetische Betrachtung zu erfolgen: Es ist zu ermitteln, welche Leistungen das Betriebsratsmitglied ohne die (teilweise) Arbeitsbefreiung verdient hätte. Hierbei sind Indizien heranzuziehen. Berücksichtigt werden können die Leistungen des Betriebsratsmitglieds in der verbleibenden Arbeitszeit oder aber dessen Leistungen vor Übernahme des Betriebsratsamts.

Checkliste: Stets unzulässige Gehaltsbestandteile

Ausnahmslos unzulässig sind für alle Betriebsratsmitglieder insbesondere folgende „Goodies“, die in der Praxis häufig – ohne kritische Reflektion oder gerade um bestimmtes Wohlwollen des Gremiums zu erreichen – gewährt werden:

  • Sonderboni für Betriebsratsmitglieder
  • Sitzungsgelder für Betriebsratssitzungen
  • Zulagen oder Zuschläge für vielfache Gremientätigkeiten („Mehrbelastung“), besondere Verhandlungssituationen („Gesprächspartner des Managements“) u.Ä.
  • Sonderurlaub für Betriebsratsmitglieder
  • Gewährung von Dienstwagen zur Privatnutzung aufgrund der Betriebsratstätigkeit
  • Gewährung von Vertragsverlängerungen ohne inhaltliche Rechtfertigung, außer „zur Umsetzung weiterer Betriebsratstätigkeit“
  • Sonderschulungen ohne jeden Zusammenhang zu betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben oder die Freizeichnung von „Luxusschulungen“ (beliebt: Betriebsratsseminar am Timmendorfer Strand mit ausschweifendem Randprogramm zu einem nicht mehr vertretbaren Kostenpunkt)
  • Sonderkassen für Betriebsratsfeiern.

Wo solche Zahlungen also vertraglich zugesagt sind oder praktisch gewährt werden, sollten Unternehmen dringend ihre Vergütungspraxis anpassen. Ob und inwieweit hier die Anpassungspflichten aus der Regulatorik (siehe etwa § 14 IVV) gelten, ist rechtlich noch ungeklärt – geht es doch um Verstöße gegen das BetrVG, nicht die Regulatorik selbst. Da entsprechende vertragliche Vereinbarungen in der Regel nichtig sind, stehen dem Arbeitgeber aber jedenfalls Ansprüche auf Rückzahlung der überhöhten Gehaltsbestandteile zu.

Dass die Korrektur der Vergütungspraxis bei betroffenen Betriebsräten auf heftigen Widerstand stößt, ist keine große Überraschung: An den Arbeitsgerichten Hannover, Braunschweig und Emden sind aktuell Verfahren anhängig, in dem sich Betriebsratsmitglieder gegen die Absenkung der Vergütung und Rückzahlungsforderungen des Unternehmens zur Wehr setzen.

Was droht bei Non-Compliance?

Hält sich ein Unternehmen nicht an diese Grundsätze, drohen straf- aber auch steuerrechtliche Konsequenzen für die jeweiligen Verantwortungsträger. 

In strafrechtlicher Hinsicht kann schnell die Schwelle zur Untreue überschritten sein. Dies wird zukünftig häufig bereits dann der Fall sein, wenn die Vergütung auch nur geringfügig zu hoch ausgefallen ist. Der BGH hat insoweit ausdrücklich klargestellt, dass die Schwelle zur Strafbarkeit nicht erst in gravierenden oder evidenten Fällen erreicht ist. Verstöße gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot von Betriebsräten führen damit stets auch zu einer Strafbarkeit (!). 

 

Daneben stellt die Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern einen eigenen Straftatbestand dar, der mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe sanktioniert werden kann. Die Ampel-Regierung plant, diesen Tatbestand zum Offizialdelikt umzuwandeln. Dies hätte zur Folge, dass nicht mehr – wie bislang – Strafantrag gestellt werden müsste, sondern dass Staatsanwaltschaften von sich aus Ermittlungen aufnehmen könnten.

Neben strafrechtlichen Folgen drohen auch steuerrechtliche Konsequenzen. Denn zu Unrecht überhöhte Lohnkosten durften die Unternehmen nicht als gewinnmindernde Betriebsausgaben ansetzen. Die dadurch fälschlich berechnete Steuerlast kann zusätzlich eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung nach sich ziehen.

Handlungsempfehlungen für betroffene Institute

Angesichts des aktuellen Urteils des BGH sollten Institute gewarnt sein, dass zukünftig jederzeit Non-Compliance in diesem Bereich zu strafrechtlicher Exposure führen kann. Es empfiehlt sich daher, folgende Schritte zu durchlaufen, um etwaige Probleme zu identifizieren und abzustellen:

  • Zeitnahe rechtliche Überprüfung: Unternehmen sollten schnellstmöglich die eigene Vergütungspraxis straf- und arbeitsrechtlich überprüfen lassen. Ein externes objektives Rechtsgutachten hat nicht nur den Vorteil, etwaige Missstände frühzeitig identifizieren und abstellen zu können, sondern auch (für eine Übergangszeit) einer persönlichen Haftung der Unternehmensverantwortlichen entgegenzuwirken.
  • Rückforderung von zu viel gezahlten Vergütungsbestandteilen: Unternehmen, die nach Überprüfung ihrer Vergütungsstrukturen zu dem Ergebnis kommen, dass die Arbeitsentgelte in der Vergangenheit zu hoch angesetzt gewesen waren, sollten die Möglichkeit einer Rückforderung der überzahlten Vergütung bewerten. Eine strafbare Begünstigung kann unter Umständen nämlich auch schon daraus folgen, dass zu viel gezahlte Gehälter nicht zurückgefordert werden.
  • Transparente Gestaltung der Vergütungspraxis: Innerhalb der Vergütungsstruktur sollten die Vergleichsgruppen zu den Betriebsratsmitgliedern möglichst präzise und umfassend benannt und dokumentiert werden. Dies kann etwa in Form von Regelungsabreden mit dem Gremium geschehen.
  • Steuerrechtliche Aufräumarbeiten: Sofern Defizite festgestellt wurden, sollte steuerrechtliche Beratung hinsichtlich etwaiger Korrekturen vergangener Steuererklärungen in Anspruch genommen werden.
  • Schulung der Personalverantwortlichen.

Fazit und Ausblick

Non-Compliance bei der Betriebsratsvergütung, die in der Vergangenheit eher als Kavaliersdelikt gesehen wurde, wird zukünftig nicht mehr hingenommen werden können. Diese Lehre mussten auch die Beteiligten im Volkswagen-Verfahren lernen: Das Landgericht Braunschweig, das die angeklagten VW-Manager 2021 noch freigesprochen hatte, wird nun erneut in der Sache entscheiden müssen. Derzeit spricht viel dafür, dass am Ende Geld- oder Freiheitsstrafen stehen werden.

Von Seiten des Gesetzgebers sind die dringend benötigten klareren Leitlinien bei der Bemessung von Betriebsratsgehältern derzeit nicht zu erwarten. Um Haftung für das Management zu vermeiden, kann sich die Praxis nur mit bestmöglichem Compliance-Management behelfen. Hierbei ist erst recht nach der jüngsten BGH-Entscheidung Sorgfalt geboten, damit das Vergütungssystem kein Fall für den Staatsanwalt wird.


Über die Gastautoren:
Till Heimann ist Partner bei Kliemt Arbeitsrecht in Frankfurt und Co-Head der Fokusgruppe ESG der Kanzlei. Er berät Arbeitgeber zu Unternehmenstransaktionen, Umstrukturierungen und der Harmonisierung von Arbeitsbedingungen. Besondere Expertise besitzt er zudem zu Nachhaltigkeitsaspekten, insbesondere im Zusammenhang mit HR-Compliance sowie regulierter Vergütung in Finanzinstituten.

Jörn-Philipp Klimburg ist Principal Counsel bei Kliemt Arbeitsrecht in Düsseldorf. Er berät Arbeitgeber insbesondere im Zuge von Restrukturierungen und Outsourcing-Projekten sowie im Zusammenhang zur Gestaltung der Anstellungsverhältnisse von Vorständen und Geschäftsführern. Er ist Mitglied der Fokusgruppe Whistleblowing.

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