Vergütung in Finanzinstituten Betriebsratsvergütung – ein Fall für Aufsicht und Staatsanwalt?

Till Heimann (links) und Jörn-Philipp Klimburg von Kliemt Arbeitsrecht

Till Heimann (links) und Jörn-Philipp Klimburg von Kliemt Arbeitsrecht: „Vorstände und Geschäftsführer können auch bei penibler Beachtung der Regulatorik nicht nur in die persönliche Haftung, sondern sogar ins Fadenkreuz des Staatsanwalts geraten.“ Foto: KLIEMT.Arbeitsrecht

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Das Beispiel Credit Suisse hat es jüngst gezeigt: Gerät ein Finanzinstitut in die Krise, steht sofort die variable Vergütung der handelnden Personen im Fokus des Regulators. Während die meisten Institute die Vergütungsmodelle jedenfalls ihrer Risk Taker auch mit Blick auf negative Erfolgsbeiträge und Rückforderungsmöglichkeiten ausgestaltet haben, lag bislang wenig Augenmerk auf der Vergütung von Betriebsräten in einem solchen Umfeld. Aber: Vorstände und Geschäftsführer können auch bei penibler Beachtung der Regulatorik nicht nur in die persönliche Haftung, sondern sogar ins Fadenkreuz des Staatsanwalts geraten. Doch das kann vermieden werden.

Die Ausgangslage bei der Vergütung in der Finanzindustrie

In der Finanzindustrie gilt wie überall in der Privatwirtschaft grundsätzlich die unternehmerische Entscheidungsfreiheit, wenn eine angemessene Vergütung festgelegt werden soll. Vorstände, Geschäftsführer und Prokuristen haben hierbei die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters walten zu lassen, das heißt: Sie sollen die Vorteile der Gesellschaft wahren und Schaden von ihr abwenden. Geschützt werden sie hierbei durch die Business Judgement Rule. Wenn die Geschäftsleitung vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln, können auch – selbst im Marktvergleich – sehr hohe Gehaltszahlungen zulässig sein. Das kann etwa relevant werden, wenn wichtige Arbeitnehmer erfolgreich angeworben oder im Unternehmen gehalten werden sollen. 

Beschränkungen dieser Freiheit folgen durch die regulatorischen Vorgaben für die verschiedenen Bereiche des Finanzsektors:

Als zweites Korrektiv zu diesen systemschützenden Beschränkungen greifen die Regelungen zur Untreuestrafbarkeit zum Schutz des Instituts selbst: Überschreiten die Geschäftsleiter die Grenze zur Vermögensverschwendung, etwa indem Zahlungen ohne Rechtsgrund erfolgen, das Unternehmen keinerlei Gegenleistung erhält oder die Vergütung das marktübliche Niveau um ein Vielfaches überschreitet, ohne dass dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist, droht eine unmittelbare strafrechtliche und zivilrechtliche Haftung der handelnden Verantwortlichen.

Sonderfall bei den Vergütungsvorgaben: die Betriebsratsvergütung

Einer gänzlich eigenen Logik folgt die Festlegung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern in Betrieben entsprechend mitbestimmter Institute. Diese berechnet sich nämlich nicht nach einer (weitgehend) freien Festlegung der Parteien. Vielmehr gilt arbeitsrechtlich: Die Betriebsratsmitglieder führen ihre Tätigkeit unentgeltlich aus („Ehrenamtsprinzip“). Während der Amtsausführung erhalten Mitglieder des Gremiums die Vergütung weiter, die sie ohne die Aufnahme der Amtstätigkeit erhalten hätten („Lohnausfallprinzip“). 

Daraus folgt, dass Betriebsratsmitglieder in keiner Weise eine gesonderte Vergütung für die Ausübung ihres Amtes erhalten dürfen. Im Betriebsverfassungsgesetz ist dies durch das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot manifestiert: Betriebsratsmitglieder dürfen weder mehr noch weniger bekommen, als sie hypothetisch in derselben Zeit als regulärer Arbeitnehmer erhalten hätten. Ziel der Regelung ist, die Unabhängigkeit des Betriebsrats zu schützen – auch und gerade gegen Einflussnahme des Arbeitgebers.

Neu und brandgefährlich: Risiken für Vorstände und Personalleiter durch fehlerhafte Handhabung

Schon immer war klar, dass eine falsche Berechnung der Betriebsratsvergütung problematisch sein kann. Wie schnell aber die Geschäftsleitung in die (persönliche) Haftung geraten kann, wenn das System nicht sauber aufgesetzt und gepflegt wird, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 10.01.2023 – 6 StR 133/22). 

Dort hatten sich die obersten Strafrichter mit der Vergütung von Mitgliedern des Betriebsrats bei Volkswagen zu befassen und der Frage, ab wann eine überhöhte Betriebsratsvergütung nicht nur „falsch“ und zu korrigieren ist, sondern zu einer Strafbarkeit wegen Untreue führen kann. Im konkreten Fall waren der Stein des Anstoßes, Sie ahnen es vielleicht: überhöhte variable Vergütungen. Das Gericht entschied, dass eine überhöhte Vergütung nicht nur gegen das Begünstigungsverbot verstoße, sondern zugleich „automatisch“ auch die Verwirklichung des Untreue-Straftatbestandes darstelle.

 

Das Urteil ist auch jenseits von Wolfsburg für alle Unternehmen relevant, die einen Betriebsrat haben – oder zukünftig mit der Bildung eines Betriebsrats rechnen. Sie sind gut beraten, das bestehende Vergütungssystem zu überprüfen und etwaige Fehler auszumerzen. Denn: Unternehmen mit Betriebsräten können sich zukünftig weder durch die Anwendung eines seit längerem etablierten Vergütungssystems („Das haben wir schon immer so gemacht“) noch durch Einholung juristischer Gefälligkeitsgutachten freizeichnen. Wer entsprechende Vergütungen festlegt und daraus resultierende Zahlungen freigibt, ist also stets in der Pflicht, sich mit deren Angemessenheit kritisch auseinanderzusetzen. 

Die korrekte Festlegung der Betriebsratsvergütung

Damit eröffnet sich ein wahres Compliance-Minenfeld: Nach welchem System dürfen Betriebsratsmitglieder vergütet werden und wann ist die Grenze zur strafbaren Untreue erreicht? Der folgende Leitfaden mag zur Orientierung dienen.

Die Vergütung von Mitgliedern des Betriebsrats darf nicht geringer oder höher bemessen werden als die Vergütung vergleichbarer Mitarbeiter mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies betrifft nicht nur Fixum und Boni, sondern das gesamte Compensation Package einschließlich etwaiger Sachleistungen.