Verfassungswidrige Verschonungsregel Die Folgen des Erbschaftsteuer-Urteils

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Als Betriebsvermögen deklariert

Betriebliches Vermögen wird derzeit selbst dann verschont, wenn es zu einem Anteil von bis zu 50 Prozent aus Verwaltungsvermögen, das heißt aus nicht produktivem Vermögen besteht. Diese Privilegierung nicht produktiven Vermögens ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht gerechtfertigt.

Gestaltungen zur Verlagerung von nicht produktivem (Privat-)Vermögen in betriebliches Produktivvermögen würden dadurch eher begünstigt als unterbunden. Eine ungerechtfertigte Privilegierung ergibt sich auch daraus, dass die Regelung Gestaltungen zulässt, bei denen in mehrstufigen Konzernstrukturen in Beteiligungen auf unteren Stufen Verwaltungsvermögen von bis zu 50 Prozent deponiert wird, das auf nächst höherer Stufe vollständig als Produktivvermögen gilt. Und das, obwohl bei einer Gesamtbetrachtung des Konzerns der Verwaltungsvermögensanteil überwiegt – der sogenannte Kaskadeneffekt.

Fazit

Die Vermutungen, dass das Bundesverfassungsgericht die derzeitigen Verschonungsregelungen für verfassungswidrig erklären wird, haben sich bestätigt. Auf den ersten Blick lässt die Entscheidung aufatmen, weil die derzeitigen Verschonungsregelungen noch bis zum 30. Juni 2016 fortgelten.

Sorge dürfte jedoch die Aussage des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrauensschutz bereiten: Ein Vertrauen darauf, dass der Gesetzgeber keine rückwirkende Neuregelung schafft, die eine exzessive Ausnutzung versagt, ist nicht geschützt.

Mit anderen Worten: Auch wenn bis zum 30. Juni 2016 erbschaftsteuerfreie Unternehmensübertragungen erreicht werden können, ist nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber diese Steuerfreiheit rückwirkend kassiert.

Handlungsempfehlung

Der Familienunternehmer, der bisher schon erwogen hat, sein Unternehmen in die nächste Generation zu übertragen, sollte die Auslauffrist bis zum 30. Juni 2016 nutzen, diesen Schritt zu gehen. Denn gerade bei großen Familienunternehmen steht für die Zukunft zu befürchten, dass eine Verschonung von der Erbschaftsteuer nur noch unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen gewährt werden wird.

Bei der Gestaltung dieser Nachfolge wird der Unternehmer aber höchste Vorsicht walten lassen müssen. Vor allem muss er dabei die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zu exzessiven Gestaltungen beachten und Vorsorge für den Fall einer rückwirkenden Gesetzgebung treffen.


Über die Autoren:
Dr. Wolfram Theiss, Dr. Caroline Picot und Dr. Frank Schuck von der Rechtsanwaltskanzlei Noerr LLP beraten vermögende Privatpersonen und Unternehmerfamilien bei der Nachfolge zu Lebzeiten und von Todes wegen, bei der Gründung von Stiftungen, Familiengesellschaften und bei der Wohnsitzverlagerung sowie bei erbrechtlichen Auseinandersetzungen vor staatlichen oder Schiedsgerichten. Ferner beraten sie Privatbanken und Vermögensverwalter im Zusammenhang mit dem Estate Planning für deren Kunden.

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