Verfassungswidrige Verschonungsregel Die Folgen des Erbschaftsteuer-Urteils

Wolfram Theiss (links), Caroline Picot und Frank Schuck von der Rechtsanwaltskanzlei Noerr LLP ordnen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Erbschaftsteuergesetz ein

Wolfram Theiss (links), Caroline Picot und Frank Schuck von der Rechtsanwaltskanzlei Noerr LLP ordnen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Erbschaftsteuergesetz ein

Heute hat das Bundesverfassungsgericht sein Urteil in Sachen Erbschaftsteuer (Dokument zu den Leitsätzen des Urteils: 1 BvL 21/12) verkündet. Danach sind die im Erbschaftsteuergesetz vorgesehenen Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen (§§ 13 a, 13b ErbStG) wegen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 1 GG) verfassungswidrig.

Wie geht es weiter?

Trotz Verfassungswidrigkeit gelten die Regelungen bis zum 30. Juni 2016 fort. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, bis dahin eine verfassungskonforme Neuregelung zu schaffen.

Die Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen soll jedoch nicht dazu führen, dass sie exzessiv ausgenutzt werden. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich erklärt, dass solche Gestaltungen keinen Vertrauensschutz genießen und der Gesetzgeber rückwirkend auf den heutigen Tag eine Neuregelung schaffen kann, um das zu verhindern.

Für bisherige Unternehmensübergaben besteht Sicherheit. Unternehmer, die ihr Unternehmen bereits übertragen haben, kommen noch in den Genuss der bestehenden Verschonungs-regelungen.

Bedürfnisprüfung bei Großunternehmen

Doch wie soll eine Neuregelung aussehen? Das Bundesverfassungsgericht hat zwar anerkannt, dass eine Verschonung von Betriebsvermögen grundsätzlich mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist. Beim Übergang von Großunternehmen sieht es aber Korrekturbedarf, weil es dort zu einem Übermaß an Verschonung kommt, das gegen den Gleichheitssatz verstößt. Deshalb muss dort konkret festgestellt werden, ob das erworbene Unternehmen verschonungsbedürftig ist.

Was unter einem Großunternehmen zu verstehen ist, hat das Bundesverfassungsgericht nicht definiert. Allerdings hat es festgestellt, dass es dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht unbenommen ist, sich an der Definition der EU-Kommission zu kleinen und mittleren Unternehmen zu orientieren.

Darunter fallen aber nur Unternehmen, die weniger als 250 Arbeitnehmer beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Millionen Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich höchstens auf 43 Millionen Euro beläuft.

Dies könnte dazu führen, dass bei allen Unternehmen, die diese Schwelle überschreiten, eine Verschonung nur noch gewährt wird, wenn dafür ein Bedürfnis besteht. Wann dies der Fall ist, bedarf der Regelung durch den Gesetzgeber.

Weiterer Korrekturbedarf

Unabhängig von der Größe des Unternehmens sieht das Bundesverfassungsgericht Korrekturbedarf in Bezug auf die Regelungen zu Lohnsumme und Verwaltungsvermögen: Von der geltenden Lohnsummenregelung, wonach über die Dauer von fünf oder sieben Jahren eine bestimmte Lohnsumme nicht unterschritten werden darf, sind Betriebe mit nicht mehr als 20 Beschäftigten befreit.

Diese Befreiung ist eine unverhältnismäßige Privilegierung. Sie muss deshalb auf Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten begrenzt werden, sofern der Gesetzgeber überhaupt an dem Verschonungskonzept mit Lohnsummenregelung festhält.

Auch Gestaltungen, mit denen die Lohnsummenregelung vermieden wird, zum Beispiel die vom Bundesfinanzhof in seinem Vorlagebeschluss genannte Aufspaltung in eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft – die sogenannte Betriebsaufspaltung –, sind eine unverhältnismäßige Privilegierung.

>>Die bisherige Ausnutzung der Gesetzeslage und Handlungsempfehlung nach dem Urteil