Offene Bewertungsfragen Das ist beim Vererben und Verschenken von Familienunternehmensanteilen zu beachten

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Net Asset Value-Verfahren vs. Substanzwert

Für das Schenkungsteuerfinanzamt leitete der Gesellschafter den Wert dieser Anteile aus den vorangegangenen Verkäufen im Gesellschafterkreis als Verkehrswert ab und zog hiervon einen Holding-Abschlag ab. Die Kaufpreise für die vorangegangenen Verkäufe im Gesellschafterkreis wurden nach dem Net-Asset-Value-Verfahren ermittelt. Dabei wurde der NAV der einzelnen Beteiligungen des Familienunternehmens um einen Marktwertabschlag korrigiert, wie es betriebswirtschaftlich üblich ist („Holding-Abschlag“ oder „conglomerate discount“). Dieser Abschlag berücksichtigt typische Risiken aus Anlegersicht bei Investition in ein diversifiziertes Holdingunternehmen.

Das zuständige Finanzamt erkannte diese Bewertung nicht an. Es wollte stattdessen den in § 11 Abs. 2 BewG als Auffangtatbestand vorgesehenen „Substanzwert“ für die Bewertung zugrunde legen. Der Substanzwert ist dort ebenfalls als Net Asset Value beschrieben (Summe der Werte der einzelnen Assets abzüglich Verbindlichkeiten). Allerdings ist ein Holdingabschlag nicht vorgesehen. Das Finanzamt konnte sich auf eine frühere Entscheidung durch das Finanzgericht Münster stützen, wonach der steuerliche Substanzwert (ohne Abschläge) stets die Untergrenze der steuerlichen Bewertung bildet.

Entfernt Verwandte aus anderen Familienstämmen als „fremde Dritte“

Das Finanzamt war zudem der Ansicht, dass die Verkäufe im Gesellschafterkreis, aus denen der Wert abgeleitet wurde, nicht den steuerlichen Verkehrswert (gemeinen Wert) darstellen. Denn die Verkäufe zwischen entfernt verwandten Gesellschaftern seien keine Verkäufe unter fremden Dritten, für die die Vermutung gilt, dass sie zu Marktbedingungen erfolgen. Tatsächlich hat sich die steuerliche Literatur zu dieser Frage noch nicht auf eine „herrschende Meinung“ festgelegt. Bisher haben die Finanzgerichte zu dieser Frage nur am Rande entschieden.

 

 

Das Finanzgericht hat sich auch dazu geäußert, dass in Gesellschaftsverträgen von Familienunternehmen übliche Verfügungsbeschränkungen einem Verkauf „unter fremden Dritten“ nicht entgegenstehen. Üblicherweise regeln sogenannte Vinkulierungsklauseln in Familiengesellschaften, dass ein Gesellschafter über seine Beteiligung nur mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung verfügen kann. Eine solche Klausel enthielt auch der Gesellschaftsvertrag im Fall, der dem FG Düsseldorf zur Entscheidung vorlag. Das Finanzamt war der Ansicht, dass eine Vinkulierungsklausel dazu führe, dass ein Verkauf, der unter einem Zustimmungsvorbehalt stehe, nicht zu Marktbedingungen und damit nicht unter fremden Dritten erfolge.

Entscheidung durch den Bundesfinanzhof steht an

Das Finanzgericht Düsseldorf hat in dem hier geschilderten Fall mittelstandsfreundlich entschieden. Nach Ansicht des Finanzgerichts ist das Net-Asset-Value-Verfahren mit Holdingabschlag als anerkannte Bewertungsmethode steuerlich maßgeblich. Der im BewG vorgesehene Substanzwert als NAV ohne Abschlag ist nicht zu berücksichtigen. Damit widerspricht das FG Düsseldorf der oben genannten Entscheidung des FG Münster, wonach der steuerliche Substanzwert ohne Holdingabschlag stets die Untergrenze der Bewertung bildet. Verkäufe zwischen Familiengesellschaftern gelten nach dem FG Düsseldorf als Verkäufe unter fremden Dritten, solange die Gesellschafter nicht in gerader Linie (Großeltern, Eltern, Kinder, Enkel usw.) oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt sind.

Beim Bundesfinanzhof liegen zur Revision sowohl das Urteil des FG Düsseldorf als auch oben genannte Urteil des FG Münster. Damit sollte in ein paar Monaten Klarheit darüber herrschen, ob Verkäufe zwischen entfernt verwandten Familienmitgliedern sowie ein Holdingabschlag bei der steuerlichen Bewertung von Familienunternehmen berücksichtigungsfähig sind.

Handlungsbedarf für Familienunternehmer

Stehen im Familienunternehmen Anteilsschenkungen an oder gehen Anteile im Erbfall über, sollten die betroffenen Gesellschafter beziehungsweise deren Nachfolger gemeinsam mit dem Steuerberater also die steuerliche Bewertung besonders im Blick haben. Auf Grundlage der Entscheidung des FG Düsseldorf ergeben sich erweiterte Optionen für die Bewertung eines Familienunternehmens, deren Anwendung zu einer Reduzierung der Steuerbelastung führen können. Solange der Bundesfinanzhof noch nicht abschließend zu dieser Frage entschieden hat und das Finanzamt die Bewertung des Unternehmensanteils nachteilig feststellt, ist zu prüfen, ob dieser Feststellungsbescheid durch einen Einspruch bis zur endgültigen Klärung durch den Bundesfinanzhof offengehalten werden soll.


Françoise Dammertz, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht, ist seit 2005 bei Mazars tätig und seit September 2022 Partnerin. Sie ist für den Bereich der Vermögens- und Unternehmensnachfolge am Standort Berlin verantwortlich. Sie berät bei der Vertrags- sowie Testamentsgestaltung, begleitet die steuerliche Deklaration sowie die Tätigkeit von Testamentsvollstreckern.

René Udwari, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, ist Salary Partner bei Mazars. Er ist seit 2012 als Rechtsanwalt tätig und nach Stationen bei nationalen und internationalen Sozietäten seit 2019 für Mazars tätig. Er berät Familienunternehmen und deren Gesellschafter. Einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildet die Unternehmens- und Vermögensnachfolge.

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