Interview mit Helmut Schönenberger „Wir müssen in Deutschland die Wagniskapitalkultur fördern“

Helmut Schönenberger von Unternehmertum.

Helmut Schönenberger: „Wir bündeln die Kräfte mit Industriefamilien und der Wirtschaft. Frau Klatten ist seit Tag eins unsere Mitgründerin und prägt als Vorständin des Aufsichtsrats Unternehmertum sehr stark mit.“ Foto: UnternehmerTUM

Private Banking Magazin: Herr Schönenberger, Sie stehen einem Start-up-Zentrum der Technischen Universität München (TUM) vor – kann man das so sagen?

Helmut Schönenberger: Ja, das kann man. Unternehmertum (Eigenschreibweise UnternehmerTUM, Anmerkung der Redaktion) ist ein Entrepreneurship- und Start-up-Center. Wir bilden 10.000 Menschen pro Jahr aus und begleiten rund 1.000 Teams im Jahr. Es kommen rund 100 neue Unternehmen pro Jahr heraus, die wiederum jährlich 2 Milliarden Euro an Venture-Kapital anziehen.

Das heißt, die TUM gar nicht eine klassische Universität, sondern eine Werkbank des modernen Unternehmertums.

Schönenberger: Genau, und wir gehören akademisch zur TUM – ich bin auch einer der Vizepräsidenten und Professor dort. Wir haben das an der TUM so aufgesetzt, dass viele starke Entrepreneurship-Professoren die akademische Lehre und die Forschung machen, während sich Unternehmertum als praktisches Entrepreneurship-Center um die operative Ausgründung kümmert.

Wie sind Sie da gelandet?

Schönenberger: Unternehmertum war meine Diplomarbeit vor 25 Jahren. Ich habe ein Managementstudium an der TUM gemacht. Das waren spannende Zeiten damals mit dem Neuen Markt und als Student habe ich mir überlegt, wie man die Universität unternehmerischer gestalten kann. Daraus ist die Idee entstanden.

Jetzt entlassen Sie pro Woche etwa zwei erfolgreiche Unternehmen in die Wirtschaftswelt. Wie ist es um das Gründer- und Unternehmertum in Deutschland bestellt?

Schönenberger: Prinzipiell haben wir ein wahnsinnig gutes Potenzial in Deutschland. Wir haben eine unglaublich gute Talentbasis, ausgezeichnete Universitäten und auch eine tolle Industriebasis. Die Grundlagen sind also da, es ist angerichtet. Was es jetzt braucht, ist der gezielte Bau von Start-up-Fabriken, in denen dieses Potenzial auch gehoben wird. Vorbild ist Unternehmertum mit einem Vierteljahrhundert Erfahrung und die gezeigt hat, das eine erfolgreiche Gründungsförderung auf Weltniveau in Deutschland möglich ist.

Wir schauen immer auf die Dynamik, die Schnelligkeit und Kraft des Silicon Valleys und der angelsächsischen Welt. Warum adaptieren wir nicht viel mehr von diesem Spirit?

Schönenberger: Es ist unsere Aufgabe offen zu sein, zu lernen von den Amerikanern, aber auch von anderen Ländern. Die Israelis sind extrem dynamisch unterwegs, auch die Asiaten. Es geht darum, die besten Ideen aufzusaugen und schnell umzusetzen. Das gilt auch für die Universitäten. In München funktioniert dieser Transfer gut und Unternehmertum ist inzwischen das führende und größte Start-up-Hub Europas. Zum Vergleich: Das Münchner Ökosystem produziert ähnlich viele Unternehmen wie MIT und Stanford.

Was kann man anderen Kaderschmieden ins Gästebuch schreiben?

Schönenberger: Wahnsinnig wichtig ist, dass Universitäten Innovation und Ausgründung genauso wichtig nehmen wie Forschung und Lehre. Leider ist dies nicht der Fall, wie ein Blick auf die Budgets zeigt. Eine durchschnittliche deutsche Hochschule investiert vielleicht 0,1 Prozent ihres Budgets in die Mission „Innovation und Gründung“. Wir als TUM investieren mehr als 5 Prozent darin. Mit dieser Quote können es Universitäten zur Weltspitze bringen.

Jetzt braucht es auf der anderen Seite auch Investoren, um Start-ups größer zu denken. Da arbeiten Sie seit Gründung mit Susanne Klatten zusammen und haben zudem eine ganze Reihe prominenter Unternehmerfamilien, die Sie unterstützen. Wie bewerten Sie diese Zusammenarbeit?

Schönenberger: Das ist eines unserer Erfolgsgeheimnisse – wir bündeln die Kräfte mit Industriefamilien und der Wirtschaft. Frau Klatten ist seit Tag eins unsere Mitgründerin und prägt als Vorständin des Aufsichtsrats Unternehmertum sehr stark mit.

 

Der Vorteil für Start-ups: Industrieunternehmen bringen ihr Wissen ein, wie große Firmen aufgebaut und geführt werden. Auf der anderen Seite tragen Forschende neue Erkenntnisse und Ideen aus dem universitären Bereich bei. Wenn man diese zwei Welten verbindet, dann kann Großes entstehen.

Wenn man mit Gründern und Investoren spricht, hört man mitunter, dass deutsche Investoren sich nicht mit kleinen Stakes zufriedengeben, sondern von Anfang an schon recht viele Beteiligungen haben wollen und dadurch schnell das Unternehmen verwässern können. In den angelsächsischen Ländern geht man erstmal mit kleineren Runden rein – ist das ein Problem?

Schönenberger: Generell geht es darum, in Deutschland eine Wagniskapitalkultur zu fördern. Mit Berlin und München agieren zwei Top-Standorte auf internationalem Niveau und wissen dieses Venture-Kapital-Spiel zu spielen. Deswegen haben wir sowohl in Berlin als auch in München sehr erfolgreiche Gründungshotspots. aber auch die anderen Innovationscluster in Deutschland entwickeln sich stark – beispielsweise in der Region um Köln, Aachen, Düsseldorf oder in Dresden, Stuttgart und Frankfurt.

Neben Susanne Klatten habt ihr auch das Reimann Family Office unter den Investoren. Die Bayerische Versorgungskammer ist auch dabei. Andere, eher institutionell getriebene Investoren tun sich schwer, in Wagniskapital reinzugehen. Das rächt sich auf kurz oder lang.

Schönenberger: Inzwischen investieren viele der Family Offices und Industriefamilien in Deutschland substanziell, das sehe ich direkt bei unserem Fonds von UVC Partners. Zudem investieren in Deutschland institutionelle Schwergewichte wie der European Investment Fund oder die KfW Capital. Was es jetzt braucht, sind die großen deutschen Kapitalsammelstellen – ein guter Schritt ist die WIN-Initiative der Bundesregierung.

Sind Sie vorsichtig optimistisch, dass diesem Vorhaben auch anständige Engagements folgen werden?

Schönenberger: Es gibt eine Erklärung von über zehn großen Kapitalsammelstellen, wie beispielsweise der Allianz. Die Bundesregierung ist stark engagiert und ich bin optimistisch, dass wir das umsetzen können.

Sie sind in einer hybriden Leitungsfunktion – auf der einen Seite in der Lehre und Forschung, auf der anderen Seite ganz nah am Gründer- und Unternehmertum. Was reizt Sie besonders an dieser Position?

Schönenberger: Das Spannende ist es eine Brücke zwischen diesen Welten, der Forschung und der Wirtschaft, zu bauen. Beide Welten vefügen über unglaubliche Stärken und ergänzen einander. Ich bin davon überzeugt: Deutschland wäre eines der gründungsstärksten Länder weltweit, wenn ausgezeichnete Forschung, Industrie und Talente gezielt und professionell zusammenarbeiten. So würde auch Europa wieder zu einer der führenden Innovations- und Wachstumsregionen werden.

Juckt es Sie nicht selbst, bei all dieser gründerischen Kreativität selbst als Unternehmer tätig zu sein?

Schönenberger: Ich bin ja selbst auch bei Unternehmertum und als Mitgesellschafter bei UVC Partners Teil dieses unglaublich schönen Stroms neuer Unternehmen und neuer Firmen. Wir beteiligen uns an über zehn von diesen Unternehmen selbst pro Jahr und helfen mit, dass die erfolgreich werden.

Es wird viel über die Gen Z gesprochen. Wie ist Ihre Einschätzung?

Schönenberger: Wir haben an der TUM rund 50.000 Studierende und meine Erfahrung ist, dass die aktuelle Generation sehr motiviert ist. Es sind sehr gut ausgebildete, hungrige Leute, die was bewegen wollen. Unsere Aufgabe ist es, als Universität, diesen Menschen ein Paradies zu bieten, in dem sie ihre Träume verwirklichen können.

Über den Interviewten

Helmut Schönenberger hat in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik studiert und an der Technischen Universität München ein betriebswirtschaftliches Aufbaustudium absolviert. In seiner Diplomarbeit über den Vergleich der Stanford University mit der TUM empfahl er, ein Gründerzentrum in München zu etablieren.

 

Daraus entstand 2002 mit Hilfe der Unternehmerin Susanne Klatten die UnternehmerTUM GmbH, heute Europas größtes Gründer- und Innovationszentrum. Zudem ist er geschäftsführender Direktor (Managing Director) bei UVC Partners und in leitender Funktion beim Start-up-Verband tätig.

Zusatzinformationen:

  • Unternehmertum wurde 2002 von der Unternehmerin Susanne Klatten als gemeinnützige GmbH an der Technischen Universität München gegründet.
  • Heute arbeiten dort über 500 Mitarbeitende, die pro Jahr mehr als 15.000 Teilnehmende in Entrepreneurship-Programmen betreuen.
  • Aus diesem Ökosystem entstehen jährlich über 100 technologieorientierte Start-ups, sodass seit der Gründung bereits mehr als 1.000 Unternehmen hervorgegangen sind.
  • 2024 flossen rund zwei Milliarden Euro privates Wagniskapital in Gründerteams aus dem Unternehmertum-Umfeld, was die Leistungsfähigkeit des Hubs eindrucksvoll belegt.
  • Das Financial Times/Statista-Ranking kürte Unternehmertum 2024 und erneut 2025 zum führenden Start-up-Hub Europas.
  • Zwei zentrale Anlaufstellen sind der öffentlich zugängliche MakerSpace mit 2.700 Quadratmetern High-Tech-Werkstattflächen sowie das Munich Urban Colab, das seit 2021 auf 11.000 Quadratmetern Co-Working- und Prototyping-Flächen für Smart-City-Lösungen bietet.
  • Mit Programmen wie der Digital Product School, Xpreneurs, dem Accelerator Tech Founders und den zwölf Tum Venture Labs deckt Unternehmertum den Gründungszyklus von der Ideenfindung bis zur Deep-Tech-Skalierung ab.
  • Der verbundene Venture-Capital-Arm UVC Partners verwaltet rund 400 Millionen Euro und investiert bis zu 30 Millionen Euro pro Unternehmen von der Seed- bis zur Series-A-Phase.
  • Erfolgreiche Alumni wie Celonis, Lilium, Personio und Isar Aerospace belegen, dass aus dem Münchener Umfeld globale Innovationsführer hervorgehen.
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