Dieser Artikel richtet sich ausschließlich an professionelle Investoren. Bitte melden Sie sich daher einmal kurz an und machen einige berufliche Angaben. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Vermögende Familien investieren häufiger in deutsche Start-ups, zeigen unter anderem Zahlen der Datenbank Startupdetector. Laut Daten des Anbieters Preqin ist wiederum das Interesse von Family Offices an Private-Equity- und Venture-Capital-Fonds gesunken. Deckt sich das mit Ihrer Erfahrung?
Angela De Giacomo: Eine jüngst veröffentlichte Studie von EY zeigt, dass Familien wieder mehr direkt in Start-ups investieren. Die Zahl der Beteiligungen von Family Offices ist also gegen den Trend im Sektor gewachsen. Was wir aber in Gesprächen mit Familien wahrnehmen, ist, dass viele in den vergangenen Jahren die unangenehme Erfahrung gemacht haben, dass sie direkte Beteiligungen abschreiben mussten. Daraus hat sich ein größeres Sicherheitsbedürfnis entwickelt. Der Appetit an der Asset-Klasse ist trotzdem nicht verloren gegangen. Eher schauen sich mehr Familien gerade Venture-Capital-Fonds und sogar Dachfonds an, um eine größere Diversifikation zu erhalten.
Müssen Family Offices nicht enorme Kapazitäten schaffen, um ein Venture-Capital-Portfolio aufzubauen, Deals zu finden, und Unternehmen zu überwachen?
De Giacomo: Wir sehen Venture Capital als Teil einer übergreifenden Portfolio-Allokation im Zusammenhang mit einer Portfolio-Strategie. Wer sich direkt an Start-up-Unternehmen beteiligen möchte, sollte über einige Jahre ein Portfolio von 30 bis 40 Unternehmen aufbauen, um das Totalausfall-Risiko auszubalancieren und einzelnen Gewinnern zu ermöglichen, das eingesetzte Kapital um ein Vielfaches zu mehren. Für eine Familie, die beispielsweise ein gesamtes Vermögen von 100 Millionen Euro besitzt und entscheidet, 5 Prozent direkt in Venture Capital zu investieren, kann damit fast nur die ganz frühe und sehr riskante Start-up-Phase abdecken. Diese Phase ist die arbeitsintensivste und auch diejenige, in der es entscheidend um den richtigen Zugang geht. Wer beides nicht hat und kein Team aufbauen möchte, sollte sich für VC-Fonds entscheiden und darüber diversifizieren.
Sie erwähnen den Personalbedarf. Wie groß sollte das Team eines Single Family Offices mindestens sein, um ein Direktbeteiligungsportfolio aufzubauen?
De Giacomo: Je nach Erfahrungsgrad und Umfang des Portfolios sollte die Familie mindestens eine sehr erfahrene Person einstellen. Wenn auch mehrere Beiratssitze abgedeckt werden sollen sowie administrative und rechtliche Aufgaben, braucht es eher mehrere Personen.
Venture Capital gilt oftmals als geschlossene Gesellschaft. Wie können Family Offices in diese Branche eindringen?
De Giacomo: Wenn die Familie entscheidet, sich direkt an Start-ups zu beteiligen, muss sie in der Start-up-Szene sichtbar werden. Die Gründer müssen schließlich erfahren, dass es die Familie als potenziellen Investor gibt. Das kann gelingen, wenn die Familie empfohlen wird, in den Medien oder auf Linkedin präsent ist, an Konferenzen teilnimmt oder dort sogar spricht. Wenn sich Familien an Venture-Capital-Fonds beteiligen, gibt es ebenfalls Konferenzen, die Begegnungen ermöglichen. Wenn die Fonds begehrt und überzeichnet sind, ergeben Empfehlungen Sinn. Das sind nur einige Möglichkeiten.
Wie finden Family Offices ihre Zielunternehmen? Welche Bedeutung spielt dabei das Netzwerk?
Philipp von dem Knesebeck: In der Anlageklasse Venture Capital, in der nur sehr wenige Unternehmen die Rendite treiben, besteht ein großes Problem in der Negativauswahl. Das heißt, die besten Chancen werden einem nicht zugetragen, sondern werden von Insidern an ihr Netzwerk weitergegeben. Daher ist ein starkes Netzwerk ausschlaggebend, um an die richtigen Zielunternehmen zu kommen. Eine Investition in Fonds kann helfen, um gute Unternehmen zu identifizieren und dort später direkt zu investieren.
Welche Rolle spielen Co-Investments mit anderen Family Offices oder institutionellen Investoren in der VC-Strategie von Family Offices?
Von dem Knesebeck: Co-Investments können eine große Rolle spielen, um die Rendite zu hebeln, aber erfordern ebenfalls Expertise und einen eigenen Zugang.
Heißt: Noch sind Co-Investments weniger verbreitet?
Von dem Knesebeck: Co-Investments setzen normalerweise voraus, vorab ein Fonds-Portfolio aufzubauen, die Portfolio-Firmen zu bewerten und dann pro-aktiv auf die Manager zuzugehen, um Zugang zu den gewünschten Deals zu bekommen. Das erfordert ein Team und Expertise. Daher sind Co-Investments vor allem bei kleineren und mittelgroßen Family Offices oft weniger verbreitet.
Investoren müssen bei VC-Deals vor allem den Gründer, das Team, das Produkt bewerten. Müssen Family Offices das erst lernen? Quantifizierbare Daten gibt es schließlich selten.
Von dem Knesebeck: Die Kriterien hängen stark von der Phase ab, in dem sich ein Unternehmen im Wachstumszyklus befindet. In der frühen Phase gibt es tatsächlich nicht viele harte Faktoren. Die Kompetenz des Gründerteams und das Marktpotenzial sind entscheidend. Die einschätzen zu können, erfordert vor allem Erfahrung. In der Wachstumsphase, wenn es bereits zahlende Kunden gibt, bestehen greifbarere Kriterien wie Umsatzwachstum, Deckungsbeiträge und Kundentreue. Weil diese Metriken objektiv bewertet werden können, ist aber auch der Zugang zu solchen Unternehmen schwieriger. Der Wettbewerb ist größer.
Gibt es Branchen, die bei Family Offices im Fokus stehen?
Von dem Knesebeck: Das ändert sich häufig, und ist stark von Politik und geopolitischen Themen getrieben. Bei Vinthera legen wir derzeit einen starken Fokus auf defensive Rüstungstechnologie, wie Drohnenabwehrsysteme, Computervision und Cybersecurity. Wir sehen zudem Potenzial in Spacetech- und Blockchain-Anwendungen wie Identitätsauthentifizierung und Cyberkriminalität.
Braucht es bei Direktbeteiligungen Expertenwissen über die Branche? Und: Entsteht daraus nicht die Gefahr, Klumpenrisiken im VC-Portfolio aufzubauen?
Von dem Knesebeck: Expertenwissen können Family Offices auch durch externen Berater bekommen oder einkaufen, aber die Branche selbst einschätzen zu können ist ein Vorteil. Außer Frage steht aber, dass es sinnvoll ist, ein Direktbeteiligungsportfolio zu diversifizieren.
Hauptziel von Venture-Capital-Investoren ist in der Regel ein erfolgreicher Exit. Unterscheiden sich die Exitstrategien von Family Offices von denen traditioneller Venture-Capital-Fonds?
Von dem Knesebeck: Family Offices können sich meist einen längeren Zeithorizont bis zum Exit leisten. Venture-Capital-Fonds haben Fondszyklen, werben alle paar Jahre neue Fonds ein, und wollen dann häufig schon zurückgeführtes Kapital aus Vorgängerfonds zeigen. Daher versuchen manche Fonds, frühere Exits zu erwirken.
Trifft der lange Investmenthorizont wirklich auf alle Family Offices zu. Besteht nicht gerade bei kleineren Beteiligungsportfolios das Risiko, schnell Gewinne zu realisieren?
Von dem Knesebeck: Der Wunsch kann bestehen. Das Problem ist: Im Venture Capital kommen die Verluste meist zuerst, und die renditetreibenden Gewinner lassen oft lange auf sich warten. Schnelle Exits sind daher selten profitabel.
Wenn wir schon bei falschen Erwartungen sind. Was sind aus Ihrer Sicht die häufigsten Fehler, die Family Offices bei ihren Venture-Capital-Investments machen?
De Giacomo: Da fallen mir mehrere ein. Zum einen planen einige Family Offices Venture Capital nicht als Teil der gesamten Asset Allokation. Das heißt, sie sind dann gegebenenfalls in zu hohem Maße für lange Zeit illiquide investiert. Vor allem direkte Beteiligungen „passieren einfach“ und werden nicht systematisch ins Portfolio genommen. Wenn dann die ersten Investments getätigt werden, wird festgestellt, wie aufwendig diese Investments eigentlich sind.
Weil das Gründerteam strategisch beraten werden, Meilensteine und finanzielle Kennzahlen überwacht werden müssen?
De Giacomo: Unter anderem. Doch die Bedingungen in den Verträgen dürfen nicht zu aggressiv sein. Für den Investor sollen sie das eigene Risiko senken, wenn sie zu strikt sind, verhindern sie aber, dass andere Investoren das Investment spannend finden. Ein weiterer Fehler: Family Offices tätigen nicht ausreichend direkte Beteiligungen, um das direkte Ausfallrisiko zu reduzieren und das Upside-Potenzial von Gewinnern zu hebeln.
Oft heißt es, Family Offices seien die perfekten Investoren, weil sie selbst unternehmerisch denken. Unterscheidet sich der Investmentansatz von Prinzipalen, die selbst unternehmerisch tätig sind, von denen, die ihr Vermögen geerbt haben?
Von dem Knesebeck: Das ist schwer zu generalisieren, da jedes Family Office anders tickt. Grundsätzlich gilt: Unternehmer unterstützen gerne andere Unternehmer. Vererbte Vermögen werden häufig von professionellen Experten verwaltet, die möglicherweise einen weniger unternehmerischen Ansatz verfolgen und deshalb vielleicht seltener mit Venture Capital in Kontakt kommen.
Unternehmer sind es gewohnt, selbst zu entscheiden. Lauert da Konfliktpotenzial, wenn der Unternehmer mit seinem Family Office nur in der Beraterrolle ist?
De Giacomo: Ja, das kann vorkommen. Wie beim Autofahren sollte es nur einen Fahrer geben und der Beifahrer darf dem Fahrer nicht einfach ins Lenkrad greifen. Um in dieser Analogie zu bleiben – am besten ist es wie beim Rallye fahren: Einer sitzt im Fahrersitz und gibt Gas, der andere liest die Karte und unterstützt dabei, dass der Fahrer sein volles und optimales Potenzial entfalten kann.
Ein autoritärer Unternehmer nimmt aber ungern auf dem Beifahrersitz Platz...
De Giacomo: Konflikte können nicht ausgeschlossen werden. Doch viele Unternehmer suchen in jungen Unternehmern und Unternehmerinnen nach Charaktereigenschaften, die sie von sich selbst kennen. Wenn sie diese Person finden, dann unterstützen sie sie, weil sie den Esprit und die Schaffenskraft wiedererkennen – und möglicherweise auch den unbändigen Hunger mit der Unternehmung erfolgreich zu werden.
Über die Interviewten:
Angela De Giacomo startete als Investmentchefin für das Evalue Family Office von Serienunternehmer und Investor Thomas Falk. Heute setzt sie mit ihm und Philipp von dem Knesebeck Vinthera auf. De Giacomo ist zudem Autorin des „The Venture Capital Playbook”, kürzlich erschienen im Verlag Frankfurter Allgemeine Buch. Das Buch beleuchtet, wie Family Offices in Wagniskapital investieren können und, worauf beim Investieren zu achten ist.
Philipp von dem Knesebeck, ist General Partner von Vinthera. Vinthera ist ein hybrider VC-Fonds der in VC-Fonds aus den USA investiert und mit den VC-Fonds direkt co-investiert. Von dem Knesenbeck ist ehemaliger General Partner von Blue Future Partners und war davor als Banker in London und Hongkong tätig.