Uwe Dyk und Jörg Seifart im Gespräch „Die Frage nach Cashflow-Erfordernissen von Stiftungen kommt zu selten“

Jörg Seifart von der Gesellschaft für das Stiftungswesen (l.) und Dr Uwe Dyk von der Karl-Schlecht-Stiftung.

Jörg Seifart von der Gesellschaft für das Stiftungswesen (l.) und Dr Uwe Dyk von der Karl-Schlecht-Stiftung.

private banking magazin: Die Beratung von Stiftungen ist für Finanzdienstleister interessant, aber man benötigt ein gewisses Maß an Stiftungs-Know-how. Was läuft erfahrungsgemäß im Kundengespräch gut, woran hapert es?

Uwe Dyk: Es gibt vor allem dort positive Erfahrungen, wenn Berater zumindest die wichtigsten Besonderheiten der stiftungsgerechten Vermögensanlage kennen und beachten. Ich sehe hier mehrere wichtige Punkte. Nicht alles, was der Privatkunde darf, ist für Stiftungen opportun. Anderseits ist kein Asset für Stiftungen absolut verboten. Manche Produkte oder Lösungsansätze sind allerdings bis auf sehr seltene Sonderkonstellationen für Stiftungen nicht geeignet. Hinzu kommt: Stiftungen sind in der Regel Anleger mit Langfristhorizont – das gibt Spielraum für die Vermögenanlage, vor allem, wenn bereits Reserven gelegt sind. Sie haben ein eigenes Verständnis vom Volatilitätsrisiko und können Marktschwankungen eher aussitzen als viele andere Anleger. Wichtig für Stiftungen ist noch eine kluge Mischung aus Anlagen für laufende Liquidität aus ordentlichen Erträgen und Vermögensaufbau zum Kapitalerhalt. Dies muss der Berater erläutern können.

Und womit disqualifizieren sich Banken und Asset Manager sofort?

Dyk: Wenn man gemeinnützigen Stiftungen steueroptimierte Produkte verkaufen will oder Produkte, die auf außerordentliche Erträge ausgerichtet sind. Beides ergibt für diese Stiftungen keinen Sinn.

Jörg Seifart: So etwas ist natürlich fatal. Häufig wird die Ausgangssituation der jeweiligen Stiftung nicht oder wenigstens nicht vollständig abgefragt und alle Stiftungen werden gleichgesehen. Wenn ein Haus eine Lösung hat, die für alle Stiftungen geeignet ist, kann das nicht stimmen. Denn die Prioritäten der Gremien sind durchaus unterschiedlich. Manchen Stiftungen sind Erträge für ihre Ausgaben zwangsläufig wichtiger als der Kapitalerhalt, weil sie Förderzusagen bedienen müssen. Oder genau anders herum. Wo der jeweilige Fokus bei der einzelnen Stiftung liegt, sollte ein Berater individuell abfragen.

Was sollte man tunlichst im Akquisitionsgespräch vermeiden?

Seifart: Ein Tabuthema ist, wenn man aus der Strategie der US-amerikanischen Yale-Universität Ableitungen für deutsche Stiftungen macht. Im dortigen Stiftungsrecht ist Kapitalerhalt anders als hierzulande nicht relevant. In den USA ist die gesetzliche Vorgabe für Stiftungen, 5 Prozent des Vermögens unabhängig vom Vermögenserhalt jährlich ausschütten zu müssen. Das erfordert natürlich eine andere Anlagestrategie und erlaubt für deutsche Stiftungen nicht zulässige Volatilitäten. Vielfach machen sich Berater das Leben allein deshalb schwer, indem sie einen großen Teil der Stiftungen fachlich überfordern. In sehr vielen Stiftungsgremien sitzen keine Finanzexperten. Es fehlt also an Verständnis für die Tiefen des Kapitalmarktes. Stattdessen sitzen dort vor allem Experten der Ausgabenseiten – und das ist deren primäres Interesse.

Welche Frage würde man sich als Stiftung wünschen, wird aber nie gestellt?

Seifart: Eine Frage, die nie gestellt wird, gibt es nicht, weil einige Finanzdienstleister gut aufgestellt sind. Was sehr häufig aber nicht angesprochen wird, ist die Frage nach den Cashflow-Erfordernissen der Stiftung. Wenn eine Stiftung eine jährliche Gala oder Preisverleihung macht, braucht sie die Liquidität anders zur Verfügung gestellt als eine Stiftung, die monatliche interne Kosten hat oder Mittel für ihre Dauerstipendiaten braucht. Ein charmanter Einstieg in das Thema Vermögensverwaltung wird viel zu selten genutzt, nämlich die Frage nach dem Zweck der Stiftung. Denn immer wieder definieren Stiftungen anhand ihres Zwecks Negativ-, Positiv- oder Ausschlusskriterien für die eigene Anlage. Mit dieser Frage allein können Sie nichts falsch machen. Entweder gibt es solche Vorgaben oder nicht, dann machen Sie einen guten Eindruck, weil Sie gefragt haben. Vielleicht hat die Stiftung sich noch keine Gedanken dazu, ob sie aufgrund des Zwecks in eine bestimmte Richtung investieren will.

Dyk: Auch ich würde die Beratungsqualität generell nicht negativ sehen, allerdings würde ich mir ein dezidierteres Erfragen der individuellen Ausgangssituation der Stiftungen als Beratungsstandard wünschen.

Ein Beispiel?

Dyk: Für mich sind, nicht nur bei unserer Stiftung, die stillen Reserven in den Büchern einer Stiftung immer eine sehr interessante Stellschraube. Bei der Wiederanlage realisierter stiller Reserven können Stiftungen Zinseszinseffekte durch die langfristige Umwidmung von außerordentlichen Erträgen in ordentliche Erträge erzielen. Das ist in einer Niedrigzinsphase ein spannender Gestaltungsansatz, der Stiftungen neue Spielräume für ihre Ausgaben eröffnet. Grundsätzlich gilt: Je detaillierter eine Bank mit ihren Stiftungskunden in deren Stiftungskennzahlen einsteigt, desto mehr Möglichkeiten hat man, für seinen Kunden auch in den nicht einfachen Zeiten am Kapitalmarkt ein respektables Ergebnis zu erzielen.

Bei einigen Private-Banking-Adressen gibt es entsprechende Stiftungs-Teams: Ist das schon zwangläufige Voraussetzung für eine gute Stiftungsberatung?

Seifart: Das lässt sich so einfach nicht beantworten, weil die Branche in der konkreten Aufstellung unterschiedlich ist. Manche Finanzdienstleister haben in jeder Niederlassung eigenen Ansprechpartner für Stiftungen, andere ein zentrales Team oder Kompetenzzentrum für Stiftungen. Tendenziell neige ich zum zentralen Modell unter der Voraussetzung, die Mitarbeiter vor Ort soweit zu schulen, dass sie ein qualifiziertes Erstgespräch mit Stiftungen und Stifter führen können.

Dyk: Ein möglichst breit aufgestelltes, kompetentes Team ist wichtig bei der Einbringung von Stiftungskompetenz in die Konzeptionierung von Anlageprodukten und -strategien für Stiftungen. Hier könnte tatsächlich ein großer Effekt auch für kleine und mittlere Stiftungen erzielt werden, wenn dabei skalierbare Produkte entstehen.