Für viele Investoren aus Europa stellt sich immer wieder die Frage: Welche Verteilung der investierten Gelder zwischen den volkswirtschaftlichen Ballungszentren der Welt ist die richtige? Traditionell spielen dabei der US- und der europäische Markt die größten Rollen.
Mit der Finanzkrise, der (immer noch aktuellen) politischen Trump-Ära, Drogenkrisen und Waffenplagen haben sich die Europäer einen argwöhnischen Blick auf die Vereinigten Staaten angewöhnt, der auch auf das Investitionsverhalten abfärbt.
Und es sind nicht nur diese politisch-emotionalen Themen, die Investitionen in den USA herausfordernd erscheinen lassen. Dazu kommen traditionell hohe Bewertungen der US-Unternehmen. Der große Unterschied im Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), der sich vor allem durch den hohen Anteil an Tech-Unternehmen im US-Aktienmarkt erklären lässt, lag im Jahr 2023 auf historischen Höchstständen.
Auch im Private-Market-Segment, das neben der klassischen Buyout-Strategie auch Venture- oder Debt-Strategien beinhaltet, gleichen sich die historischen Renditeunterschiede seit zehn Jahren stark an, zugunsten europäischer Investments. Europäische Fonds und Unternehmen aus Europa zählten im globalen Vergleich zu den Gewinnern der wachsenden Investmentkultur, vor allem im Venture-Markt, der traditionell sehr US-geprägt ist.
Große Trends in den USA derzeit objektiv besser
Doch die positive Marktentwicklung in Europa wurde zuletzt deutlich belastet. Der Brexit hat zwar vor allem dem aus der EU ausgetretenen Vereinigten Königreich als Binnenmarkt geschadet, aber letztlich auch Gesamteuropa. Der anhaltende Ukrainekrieg ist ein eher europäisches Problem. Über Deutschland spricht man immer lauter vom „kranken Mann Europas“. Zu den Gründen zählen fehlende Arbeitsmarkt- und Einwanderungsreformen, eine teure Energiewende, hohe Bürokratiehürden in der Wirtschaft, weiter hohe Inflationszahlen und die fortschreitende Deindustrialisierung – nur um einige zu nennen. Diese Entwicklung hat Gewicht für die Optionen der EZB in ihrer Zinspolitik. Die Möglichkeiten einer Zinslockerung sind damit geringer als in den USA.
Die USA wiederum zeigen sich trotz des anstehenden und jetzt bereits chaotischen Wahlkampfs wieder einmal wendiger und entscheidungsfreudiger als die Europäer. Das European Center for International Political Economy hat 2021 festgestellt, dass der Unterschied des Bruttoinlandsproduktes pro Kopf zwischen den USA und der EU bei mehr als 80 Prozent liegt. Die US-Wirtschaft war 2008 15 Prozent größer als die europäische; aktuell liegt dieser Wert mehr als doppelt so hoch, bei 31 Prozent. Die politischen Entscheidungen, die zu eindrucksvoll guten Arbeitsmarktdaten und sinkenden Inflationsraten geführt haben, vereint die US-Regierung im Wahlkampfbegriff „Bidenomics“ und möchte damit die anstehende Wahl für sich entscheiden.
Entkopplung von großen Trends mit Private Equity im Mittelstandssegment
Mit Blick auf Private-Equity-Investitionen sind all das wichtige Aspekte. Allerdings sind vor allem Anlagen interessant, die sich von diesen Trends bestmöglich entkoppeln. Es lässt sich leicht beobachten: Die unternehmerische Abhängigkeit von den großen Trends sinkt bei kleineren und tendenziell regional agierenden Mittelständlern. Bei ihnen sind die spezifische unternehmerische Kreativität, Preissetzungsfähigkeit und der operative Verbesserungsspielraum viel höher als bei größeren Unternehmen und Konzernen. Vor allem aber sind die Bewertungen der Unternehmen (im Private Equity äquivalent zum KGV als „Ebitda-Multiple“ bezeichnet), aus denen sich die Kaufpreise ergeben, deutlich geringer als bei börsengelisteten Unternehmen.