ANZEIGE

US-Zinspolitik Negative Zinssätze oder kontrollierte Zinsstrukturkurve?

Seite 2 / 2

Kontrolle der Zinsstrukturkurve birgt auch Risiken

Den Vorteilen einer kontrollierten Zinsstrukturkurve stehen jedoch besorgniserregende Komplikationen und Risiken gegenüber. So muss sich die Fed festlegen, welchen Teil der Zinskurve sie kontrollieren will. Die „sicherere“ Option wäre eine Laufzeit bis zu drei Jahren. Dies würde einer mittelfristigen Vorgabe entsprechen und den Ausstieg aus dieser Politik vereinfachen. Zudem würde eine Anhebung der Rendite auf dreijährige Wertpapiere geringere Auswirkungen auf den Wert der Titel haben als im Fall längerer Laufzeiten. Allerdings würde dies den Kreditbedingungen nur wenig Auftrieb verleihen, da die Zinsen für dreijährige Titel derzeit nur etwa zehn Basispunkte über denen einmonatiger Schatzanleihen liegt.

Eine Kontrolle zehnjähriger Zinsen könnte stärkeren Einfluss auf die Kreditbedingungen haben und es dem US-Finanzministerium ermöglichen, Finanzmittel mit längerer Laufzeit aufzunehmen. Wenn sich die Erholung jedoch beschleunigt und die Inflationserwartungen ansteigen, könnten Anleger beginnen, die Zusage der Fed in Zweifel zu ziehen und allmählich zögern, Anleihen zu den von der Zinskurvenkontrolle implizierten Kursen zu kaufen. Dies würde die Fed zwingen, sehr viel größere Mengen an Wertpapieren zu kaufen, was den Aussteig erschweren würde. Die Alternative – eine Aufgabe der Kontrolle der Zinsstrukturkurve – dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach die Glaubwürdigkeit der Fed beeinträchtigen.

Hinzu kommt, dass die Fixierung der Renditen (und somit der Kurse) von Vermögenswerten über die gesamte Zinsstrukturkurve hinweg Verzerrungen an den Anlagemärkten verschärfen würde. Und schließlich scheint die Ausstiegsstrategie schwieriger zu sein als im Fall der Quantitativen Lockerung.

Zudem deuten die in den 1940er Jahren mit der Kontrolle der Zinsstrukturkurve gewonnenen Erfahrungen auf ein weiteres Risiko hin: Wenn sich die Regierung unter dem Deckmantel der Zinskurvenkontrolle daran gewöhnt, sehr hohe Defizite auflaufen zu lassen, die durch die Zentralbank gedeckt werden, könnte sie Widerwillen zeigen, dieses Privileg wieder aufzugeben.

Was würden negative Zinsen bringen?

Wenn die Zinskurvenkontrolle mit erheblichen Risiken behaftet ist – warum hat sich die Fed bisher konsequent geweigert, negative Zinssätze in Betracht zu ziehen? Immerhin haben mehrere Industrieländer in den letzten fünf Jahren bereits mit negativen Zinsen experimentiert: Der Euroraum, Japan, Schweden, Dänemark und die Schweiz. Während der fünf Jahre stiegen die privaten Konsumausgaben in den USA mit 14 Prozent stärker als in allen fünf Negativzinsländern. Die Investitionen wuchsen in den USA etwas langsamer als im Euroraum und Dänemark, aber gleichauf mit Schweden und sehr viel schneller als in Japan. Und das, obwohl die Fed zwischen Dezember 2015 und Dezember 2019 einen Zinsanhebungszyklus um 2,25 Prozentpunkte durchgeführt hatte. Auch die Verbraucherpreise stiegen in den USA stärker an als in Europa.

Der Negativzins trug in Schweden und der Schweiz allerdings dazu bei, den Wechselkurs wettbewerbsfähiger zu machen, wobei die Bekämpfung des Aufwertungsdrucks auf den Schweizer Franken aufgrund seines Status als sicherer Hafen ein wichtiges politisches Ziel für die Eidgenossen darstellte. Da die Exporte des Landes nahezu die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen, kann ein wettbewerbsfähigerer Wechselkurs einen wichtigen Wachstumsimpuls. In den USA machen Exporte allerdings nur zwölf Prozent des BIP aus, so dass der Wechselkurseffekt hier weniger stark ausfallen würde.

Keines dieser Länder hat die Zinsen weit unter Null gedrückt, die Schweiz vollzog den gewagtesten Schritt auf minus 0,75 Prozent. Doch warum wurden die Zinsen nicht noch stärker gesenkt? Dies dürfte damit zu tun haben, dass negative Zinsen dem Finanzsektor verheerenden Schaden zufügen können. So gibt es Hinweise darauf, dass in Europa - wo die Europäische Zentralbank die Leitzinsen über einen längeren Zeitraum hinweg im negativen Bereich gehalten hat - die Rentabilität der Banken gelitten hat und Pensionsfonds in erhebliche Finanzierungsschwierigkeiten gerieten: Zudem führten die negativen Auswirkungen auf Sparer und ältere Menschen insbesondere in Deutschland zu politischen und sozialen Spannungen. Das Fatale daran: All diese Nachteile ergaben sich aus moderaten Negativzinssätzen.

Negativzinsen führen nicht automatisch zu mehr Konsum

Der klassischen Taylor-Regel zufolge müsste das angemessene Zinsniveau in den USA aktuell jedoch bei minus 16 Prozent liegen. Kein Wunder, dass die Fed zögert, diesen Weg einzuschlagen – zumal die robuste Verfassung des Finanzsystems eines der wichtigsten Elemente der Widerstandsfähigkeit in einem ansonsten fragilen wirtschaftlichen Umfeld ist. Darüber hinaus kann eine Zinssenkung über einen bestimmten Punkt hinaus die Gesamtnachfrage in Mitleidenschaft ziehen. Bei sehr niedrigen Zinssätzen erhalten die Haushalte nur eine minimale Rendite auf ihre Ersparnisse. Angesichts der hohen Unsicherheit und der Zweifel an der Solvenz der privaten und öffentlichen Rentensysteme können sich die Haushalte leicht dazu entschließen, mehr zu sparen und weniger zu konsumieren.

Wägt man die Risiken für den Finanzsektor und die begrenzten Belege für einen wirtschaftlichen Nutzen ab, überrascht es nicht, dass negative Zinssätze bei der Fed keine Begeisterung ausgelöst haben. Aber man sollte niemals nie sagen – daher lohnt es, diese Analyse für die Zukunft im Hinterkopf zu behalten.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen