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US-Zinspolitik Negative Zinssätze oder kontrollierte Zinsstrukturkurve?

US-Notenbankchef Jerome Powell auf einer Pressekonferenz im März 2020: Ein erneutes Eingreifen der Fed ist wahrscheinlich.

US-Notenbankchef Jerome Powell auf einer Pressekonferenz im März 2020: Ein erneutes Eingreifen der Fed ist wahrscheinlich. Foto: UP Photo / Imago

Sonal Desai, Investmentchefin Franklin Templeton Fixed Income Group

Während die politischen Entscheidungsträger immer weiter in unbekanntes Terrain vordringen, fragen sich viele Marktteilnehmer, welche Grenze die US-Notenbank (Fed) wohl als Nächstes hinter sich lassen wird. Zunächst konzentrierten sich die Anleger auf die Möglichkeit negativer Zinsen. Im weiteren Verlauf erkannten sie dann, dass eine Kontrolle der Zinsstrukturkurve eine wahrscheinlichere Alternative darstellt. Und in der Tat bestätigte der Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Federal Reserve, bei der Pressekonferenz im Nachgang der Junisitzung der US-Notenbank, dass diese Option diskutiert worden sei.

Setzt sich die zuletzt beobachtete Erholung in den USA fort?

Nachdem der US-Einzelhandel in dieser Woche eine starke Erholung der Umsätze im Mai vermeldete und sich die Zahl der Beschäftigten außerhalb des Landwirtschaftssektors erholte, könnte die Fed womöglich bestrebt sein, sich etwas mehr Zeit zu nehmen, um die Situation zu beobachten. Einige Echtzeitindikatoren deuten darauf hin, dass eine robuste Erholung bereits stattfindet. Dieses Szenario ist jedoch angesichts der Angst vor einer zweiten COVID-19-Ansteckungswelle und der Nervosität im Vorfeld der anstehenden Wahlen weiterhin ungewiss.

Negative US-Zinsen eher unwahrscheinlich

Die Fed muss zudem die Auswirkungen der bereits ergriffenen Konjunkturmaßnahmen beurteilen. So scheinen ihre Maßnahmen bisher von Erfolg gekrönt zu sein – dabei hat die Notenbank bislang nur einen Bruchteil der zugesagten Anleihenkäufe umgesetzt. Darüber hinaus wird derzeit eine weitere Runde fiskalpolitischer Konjunkturmaßnahmen diskutiert und es ist durchaus wahrscheinlich, dass die Fed erst einmal die Sommermonate abwarten wird. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass sie eher zu einer Steuerung der Zinsstrukturkurve tendiert und sich gegen Negativzinsen entscheidet.

Erneutes Eingreifen der Fed wahrscheinlich

Für wahrscheinlich halte ich jedoch ein erneutes Eingreifen der Fed. Selbst wenn wir in den kommenden Monaten einen V-förmigen Aufschwung erleben, dürfte sich die Erholung im weiteren Verlauf wohl abkühlen. Bis auf Weiteres sollten wir jedoch im Auge behalten, wie die Erholung verläuft. Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass das Land darauf erpicht ist, zur Arbeit zurückzukehren – und wieder einzukaufen. Hoffen wir, dass dies so bleibt. Betrachten wir in der Zwischenzeit einmal, wie eine Kontrolle der Zinsstrukturkurve und negative Zinssätze funktionieren würden und welche Auswirkungen sie auf den Markt hätten.

Es ist denkbar, dass die Fed die Renditen auf Treasury-Papiere mit bestimmten Laufzeiten auf einem bestimmten Niveau begrenzen und garantieren wird, dass die Renditen über einen längeren Zeitraum hinweg niedrig bleiben. Um dies zu erreichen, würde sie sich verpflichten, unbegrenzte Mengen an Anleihen zu den vorgegebenen Kursen zu kaufen. Diese Vorgehensweise stünde im Gegensatz zur herkömmlichen Strategie der quantitativen Lockerung, bei der die Fed häufig zusagt, eine bestimmte Menge an Wertpapieren zu kaufen.

Kontrollierte Zinsstrukturkurve bietet diverse Vorteile

Eine Kontrolle der Zinsstrukturkurve hätte fünf potenzielle Vorteile:

  1. Sie würde es der Fed erlauben, einen Teil der Zinskurve auf dem gewünschten Niveau zu verankern, anstatt lediglich den kurzfristigen Satz unterhalb von null festzusetzen.
  2. Sie würde die Vorgaben der Fed verstärken. Bei der Junisitzung hatte Powell erklärt: „Wir denken noch nicht einmal darüber nach, über eine Zinserhöhung nachzudenken.“ Vor 2022 rechnet kein Mitglied des Offenmarktausschusses mit einer Zinsanhebung. Die Fed könnte diese Botschaft verstärken, indem sie die Renditen für Laufzeiten bis zu drei Jahren kontrolliert.
  3. Sie könnte die Finanzierung bereits beschlossener und möglicher weiterer fiskalpolitischen Konjunkturmaßnahmen und Lockerungen erleichtern und dabei die Auswirkungen der Haushaltsausgaben maximieren, da dies die Kreditkosten der Regierung niedrig halten würde.
  4. Sie dürfte politisch am wenigsten umstritten sein und die transparenteste Möglichkeit darstellen, eine expansive Fiskalpolitik zu ermöglichen.
  5. Sie könnte womöglich nur begrenzte Käufe erfordern – denn wenn Anleger davon überzeugt sind, dass die Fed bereit ist, Wertpapiere zu einem bestimmten Kurs zu kaufen, sollten auch sie bereit sein, untereinander Geschäfte zu diesem Kurs zu tätigen.