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US-Geldpolitik Fed manövriert sich in eine vertrackte Lage

Hauptsitz der Federal Reserve in Washington, D.C.: Das Risiko der Abhängigkeit zwischen Aktienmarkt und der Liquidität der Zentralbank besteht weiterhin.

Hauptsitz der Federal Reserve in Washington, D.C.: Das Risiko der Abhängigkeit zwischen Aktienmarkt und der Liquidität der Zentralbank besteht weiterhin. Foto: imago images / ZUMA Press

Sonal Desai, Kapitalmarktstrategin bei Franklin Tempelton Investments

Mitte September 2019 zeigte sich der US-Repo-Markt nicht wenig nervös: Die Fed intervenierte aufgrund einer plötzlichen Liquiditätsknappheit daraufhin seit dem 17. September verstärkt am Markt.

Die Liquiditätsknappheit verursachte Gänsehaut bei den Anlegern: Ein ähnlicher Vorfall während der globalen Finanzkrise vor über einem Jahrzehnt reflektierte das angekratzte Vertrauen in das Finanzsystem. Die Banken sahen sich einer plötzlich erhöhten Unsicherheit in Bezug auf den Wert einer breiten Palette von Anlagewerten und das Kontrahentenrisiko gegenüber. Sie reagierten, indem sie Liquidität anhäuften.

Die neue Liquiditätsverknappung am Markt vom Herbst 2019 wurde durch ein Zusammenspiel verschiedener technischer Faktoren verstärkt. Erstens waren große vierteljährliche Körperschaftsteuerzahlungen ein wichtiger Belastungsfaktor, da die Unternehmen ihre Bankguthaben aufbrauchten, um Zahlungen an die US-Steuerbehörde zu leisten. Dadurch wurden die Reserven im Bankensystem mechanisch reduziert, während die Bilanz auf dem Hauptkonto der Finanzverwaltung stieg. Zweitens benötigten Nichtbanken (Primärhändler) zusätzliche Finanzierung für die Abrechnung von Kupons des Schatzamtes.

Aufgrund der Liquiditätsklemme beeilte sich Fed-Chef Jerome Powell im Anschluss an die Zinssitzung vom Oktober 2019 zu versichern, dass die Notenbank ihre Bilanzsumme jederzeit ausweiten könne. Und in der Tat: Im Zuge der Liquiditätsengpässe hat die Fed ihre Bilanz seither um 400 Milliarden US-Dollar aufstocken müssen. Zuvor waren die Bankreserven bereits stetig von etwa 2,2 Billionen US-Dollar zum Jahresende 2017 auf etwa 1,4 bis 1,5 Billionen US-Dollar in der ersten Jahreshälfte 2019 gesunken. Die Liquiditätsknappheit belastete die Überschussreserven der Banken weiter, woraufhin diese im Jahresverlauf 2019 auf 1,3 Billionen US-Dollar sanken.

Aktienkurse werden von der Fed-Bilanzausweitung nach oben gezogen

Seit die neuen Käufe der US-Notenbank begonnen haben, sind die Aktienkurse gestiegen, was beunruhigend eng mit der Ausweitung der Fed-Bilanz in Zusammenhang steht. Währenddessen wurden die Renditen zehnjähriger Schatzanleihen unter 2 Prozent gehalten, sogar als die Arbeitsmarktlage sich durchgängig erholte und die Sorgen um die Wirtschaft und das globale Wachstum nachließen.

Für mich sieht es so aus, als wäre die Fed zu sehr von den Märkten abhängig geworden und die Märkte wiederum zu sehr von der Fed. Jetzt könnten die Aktienmärkte erneut der Liquidität der Zentralbank verfallen sein, und wahrscheinlich erwarten sie, dass, wenn die Aktienpreise sinken, die Fed die Geldpolitik wieder lockert, wie sie es im vergangenen Jahr getan hat.

Politischer Spielraum der Fed wird immer kleiner

Da die US-Wirtschaft sich in robustem Tempo entwickelt, der Arbeitsmarkt stark wächst und die Inflation sich nahe am Zielbereich befindet, führten die Zinssenkungen der Fed und die Aktienkäufe in der zweiten Hälfte des letzten Jahres größtenteils zu höheren Asset-Preisen, insbesondere für Risikoanlagen. Die Fed hat offen ihre Sorgen darüber zum Ausdruck gebracht, dass sie weniger Spielraum für politische Maßnahmen hat, wenn der nächste wirtschaftliche Abschwung kommt. Es aber zuzulassen, dass die geldpolitische Haltung den Asset-Preisen zum Opfer fällt, verringert diesen politischen Spielraum noch mehr.

Darüber hinaus führt die Tatsache, dass der Stress auf dem Repo-Markt überraschend kam, zu einiger Besorgnis unter den Marktteilnehmern: Welche anderen „nicht bekannten Unbekannten“ lauern im Umfeld permanent lockerer Geldpolitik?

Das Risiko der Abhängigkeit zwischen Aktienmarkt und der Liquidität der Zentralbank besteht weiterhin. Denn: Wenn die Aktienpreise sinken, wird erwartet, dass die Fed die Geldpolitik wieder lockert. Die Märkte sind abhängig von der Fed und diese wiederum von den Märkten.

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