Mit einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) gegen die Schenkungssteuer: Das ist durch eine Gesetzeslücke derzeit möglich, wie der 3. Senat des Finanzgerichts Hamburg mit Urteil vom 11. Juli 2023 entschieden hat (3 K 188/21) – wobei aber Revision eingelegt wurde. Spannend ist das Urteil und die laufende Revision nicht nur, weil das Finanzgericht in einer Pressemitteilung freimütig von der Möglichkeit „steuerfreier Wertverschiebungen“ schreibt, sondern weil es auch von praktischer Relevanz ist: Das KGaA-Modell wird in gewissen Spielarten immer wieder beraten.
Konkret geht es beim vorliegenden Fall um die KGaA eines Vaters und ein Sohnes, die sie zusammen gründeten. Das Grundkapital wurde vollständig vom Vater des Klägers als alleinigem Kommanditaktionär übernommen, der Sohn leistete als persönlich haftender Gesellschafter eine Vermögenseinlage in die KGaA. Denn: Nach der Satzung der KGaA sind die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Kapitalkonten zum Gesamtkapital am Gewinn und an den Rücklagen der KGaA beteiligt. Das Gesamtkapital setzt sich aus dem Grundkapital und der Vermögenseinlage zusammen – und die betrug im konkreten Falle ein Verhältnis von 90 zu 10 Prozent zugunsten des Sohnes.
Kapitalrücklage versus Grundkapital versus Vermögenseinlage
Nicht zu diesen Kapitalkonten zählt laut Satzung dagegen eine ungebundene Kapitalrücklage der KGaA – genau solch eine disquotale Einlage in mehrstelliger Millionenhöhe tätigte der Vater aber kurz nach Eintragung der KGaA, der nun klagende Sohn konnte dementsprechend davon profitieren. Das Finanzamt erließ denn aber einen entsprechenden Schenkungsteuerbescheid gegenüber dem Sohn und wies auch seinen Einspruch als unbegründet zurück. Denn: Mit Paragraf 7 Abs. 8 ErbStG gilt eigentlich auch, dass disquotale Einlagen einer (anderen) Person in Kapitalgesellschaften eine Schenkung darstellen.
Das Finanzgericht Hamburg hat aber eine Ausnahme erkannt. „Wenn – wie im Fall – die Satzung so ausgestaltet ist, dass der Komplementär – also der Kläger – nicht wie ein Kommanditaktionär Aktien gezeichnet und auch keine Einlage auf das Grundkapital geleistet, sondern nur eine nicht auf das Grundkapital geleistete Vermögenseinlage erbracht hat, die keine Beteiligung am Nennkapital vermittelt“, erklärt Heiko Wunderlich, Partner bei SKW Schwarz die Begründung des Gerichts. Die Beteiligung des Sohns ist laut des Finanzgerichts kein „Anteil an einer Kapitalgesellschaft“ im Sinne des Gesetzes.
Außerdem habe das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz bereits zwischen dem Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters – wie der Sohn es war – an einer KGaA einerseits und dem Anteil an einer Kapitalgesellschaft andererseits unterschieden, auch in den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des steuerrechtlichen Bewertungsgesetzes (BewG) finde sich die Unterscheidung.
Bundesfinanzhof wird im Revisionsverfahren urteilen
„Die Argumentation des Finanzgerichts Hamburg ist insoweit in sich schlüssig, da kennzeichnend für das Wesen der Mischform KGaA gerade ist, dass es beim Komplementär eher Elemente einer Beteiligung an einer Personengesellschaft und beim Kommanditaktionär eher Elemente der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft sind“, ordnet Wunderlich ein. Gleichzeitig lehnte das Gericht auch den gesetzlichen Auffangtatbestand § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ab, nach dem grundsätzlich jede freigiebige Zuwendung unter Lebenden der Schenkungsteuer unterliegt.
Die Begründung: Vorliegend fehle es im Hinblick auf die rechtliche Eigenständigkeit der KGaA als juristische Person an einer Vermögensverschiebung zwischen dem Kläger und seinem Vater. „Dies insbesondere auch deshalb, da das Vermögen der KGaA auch hinsichtlich der Beteiligung des persönlich haftenden Gesellschafters keiner gesamthänderischen Bindung unterliege“, erklärt Wunderlich. Nach der Argumentation des Finanzgerichts, die laut mehrerer Experten nachvollziehbar sei, könnte das Modell mit Blick also tatsächlich zur steuerfreien Schenkung taugen. „Gleiches würde für den Erbfall gelten“, ergänzt Andre Happel, Partner bei Noerr, der aber auch einschränkt: „Ob der Bundesfinanzhof die Steuerfreiheit bestätigt, wird sich im laufenden Revisionsverfahren zeigen.“
Vor dem Hintergrund einer möglichen Steuerfreiheit verweist auch das Finanzgericht darauf, dass es um die Gesetzeslücke wisse und auch um die Versuche des Gesetzgebers, diese durch die Vorschrift des Paragraf 7 Abs. 8 ErbStG zu schließen – nur sei das eben nicht vollständig gelungen. Sie zu schließen, liege außerhalb der Kompetenz der Finanzverwaltung und ‑gerichte, sondern sei dem Gesetzgeber vorbehalten. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das Gericht dann auch die Revision zugelassen. „Hiervon hängt ab, ob die Rechtsauffassung des Finanzgerichts Hamburg über den entschiedenen Einzelfall hinaus für vergangene und zukünftige Vermögensübertragungen bei einer KGaA Bedeutung erlangt“, erklärt Happel.
Gesetzgeber muss Lücke wohl schließen
Aktuell befindet sich der Sachverhalt also gewissermaßen in der Schwebe, wenn auch einer sehr schwerwiegenden. „Das letzte Wort hinsichtlich des KGaA-Modells wird der Bundesfinanzhof in seiner Revisionsentscheidung haben“, prognostizieren Sven Wanka und Sven Oberle aus dem Private-Clients-Team von EY. „Es ist unseres Erachtens nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber das Urteil zumindest mittelfristig aufgreifen und die Gesetzeslücke für die Zukunft schließen wird, zumal das FG Hamburg auf diese sogar ausdrücklich hinweist.“ Zudem ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber die Gesetzeslücke zeitnah durch eine Einzelfallregelung schließt.
Sollte der Gesetzgeber nicht tätig werden, könnte es zu einer eigentlich eher undenkbaren Situation kommen: „Es droht wegen der sich dann öffnenden Regelungslücke eine massive Nutzung einer KGaA-Struktur zur Übertragung von Vermögen in den Fällen, in denen eine Betriebsvermögensbegünstigung nicht infrage kommt“, skizziert Wunderlich. Dementsprechend dürfte auch von der Nutzung einer entsprechenden Struktur abzuraten sein – auch wenn das Finanzgericht Hamburg schreibt, dass die Gesetzeslücke bei der Schenkungsteuer steuerfreie Wertverschiebungen ermögliche.