Urteil des EuGH Gericht stärkt Betriebsrentnern den Rücken

Ein Rentner geht auf einer winterlichen Straße spazieren: Mit einem aktuellen Urteil äußert sich der Europäische Gerichtshof zu einem komplexen Sachverhalt in der betrieblichen Altersversorgung.

Ein Rentner geht auf einer winterlichen Straße spazieren: Mit einem aktuellen Urteil äußert sich der Europäische Gerichtshof zu einem komplexen Sachverhalt in der betrieblichen Altersversorgung. Foto: Pixabay

In der Europäischen Union unterliegen Betriebsrenten einem Schutz vor unverhältnismäßigen Kürzungen, wenn eine Pensionskasse oder ein ehemaliger Arbeitgeber in wirtschaftliche Not gerät. Das berichtet das Handelsblatt (bezahlpflichtig) und beruft sich auf ein aktuelles Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Über den konkreten Fall eines deutschen Rentners, der unter anderem eine Pensionskassenrente bezieht, die ihm von der betreffenden Pensionskasse wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten gekürzt worden war, soll nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) befinden. 

Der Europäische Gerichtshof stand in diesem Fall vor der Frage, ob die Differenzleistung, welche Arbeitgeber bei Kürzung von Pensionskassenleistungen erbringen, durch den Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) abzusichern ist. Laut dem Zeitungsbericht hatte der PSV die Zahlung der Betriebsrente für den Arbeitgeber zwar übernommen – nicht aber die Pensionskürzung der Pensionskasse ausgeglichen. Aus Sicht des Rentners müsste der PSV auch für die Pensionskasse einspringen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte den Europäischen Gerichtshof um Auslegung des EU-Rechts gebeten. Laut EuGH könnten unter bestimmten Umständen für Zahlungen auch privatrechtliche Einrichtungen herangezogen werden, die vom Staat als Träger der Insolvenzsicherung von Betriebsrenten bestimmt worden sind. Ob für diesen Fall der Pensions-Sicherungs-Verein einen von der Richtlinie verlangten Mindestschutz sicherstellen muss, wollen die EuGH-Richter nun aber vom Bundesarbeitsgericht klären lassen.

Der vom Handelsblatt befragte Pensionskassenexperte Michael Karst vom Beratungsunternehmen Willis Towers Watson leitet aus dem Urteil keinen Ratschlag an das Bundesarbeitsgericht ab, den PSV in diesem Fall unmittelbar für Pensionskassenleistungen einzubinden. Zwar habe der EuGH grundsätzlich erkannt, „dass der PSV dem Staat in diesem Fall gleichgestellt werden kann“, sagt Karst. Das Bundesarbeitsgericht müsse nun für diesen Fall klären, ob die Bundesrepublik die Insolvenzsicherung des vom Arbeitgeber gezahlten Ausgleichs für die Rentenkürzung der Pensionskasse auf den PSV übertragen hat. Doch auf Basis der im Verfahren vom PSV und der deutschen Regierung vorgelegten Dokumente, „lässt der EuGH gewisse Zweifel erkennen, dass hier der PSV tatsächlich unmittelbar in Anspruch genommen werden kann.“

Der Europäische Gerichtshof bestätigt nach Ansicht des Rentenspezialisten Karch aber „mittelbar“ die Bemühungen des Bundesarbeitsministeriums (BMAS), mit einer Änderung des Insolvenzschutzes für Pensionskassenzusagen Sicherungslücken zu schließen. Die Bundesregierung will mit dem geplanten, aber in der Branche umstrittenen Vorhaben das Vertrauen in die betriebliche Altersversorgung erhöhen. 

Am 21. November 2019 hat das Bundesarbeitsministerium einen Gesetzentwurf veröffentlicht, der die Einbeziehung aller Firmenpensionskassen in die Beitragspflicht zum Pensions-Sicherungs-Verein vorsieht. Nach Angaben der Hamburger Pensionskasse (HPK), der deutschlandweit größten Firmenpensionskasse auf Gegenseitigkeit, habe sich daraufhin sehr schnell eine breite Front gegen das Vorhaben formiert. Die Folge: Das Ministerium habe seine Pläne vorläufig gestoppt. So habe das Arbeitsministerium seinen Vorschlag von der Tagesordnung des Bundeskabinetts am 18. Dezember 2019 genommen. Aus Sicht der HPK ist das Vorhaben damit nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben.

Dennoch sieht die Hamburger Pensionskasse in diesem Rückzug einen Erfolg. Denn es sei der Versuch unterbunden worden, „die PSV-Pflicht im Hauruckverfahren durchzusetzen“. Die Chancen auf eine „schonendere und zugleich wirksamere Lösung“ seien damit gestiegen. Außerdem sei es nun wahrscheinlicher geworden, dass die Insolvenzsicherung nicht – wie in der Branche befürchtet – im Laufe des nächsten Jahres rückwirkend zum 1. Januar 2020 in Kraft gesetzt werde, sondern erst mit Wirkung für die Zukunft.

Die Hamburger Pensionskasse schlägt vor, dass Pensionskassen- und Direktversicherungszusagen in einem einheitlichen System abgesichert werden. Das hätte zur Folge, dass die Arbeitgeber und der PSV nicht bemüht werden müssten. Davon ausgenommen blieben nur Betriebsrentenzusagen der sogenannten reinen Beitragszusage. Das vorgeschlagene Modell orientiert sich laut Pensionsverwaltung an der heute bereits bestehenden Einrichtung „Protektor“ und richte sie an den Besonderheiten der betrieblichen Altersversorgung aus. Protektor ist eine Sicherungseinrichtung für Lebensversicherungsunternehmen in Deutschland. Ihr Ziel ist der Schutz angesparter Vermögen der Versicherten vor den Folgen der Insolvenz eines Lebensversicherers. 

Die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba) meldete sich Anfang Dezember 2019 im Rahmen einer schriftlichen Anhörung gegenüber dem Bundesarbeitsministerium zu dem Referentenentwurf für das geplante Gesetz zur Änderung des Insolvenzschutzes bei Pensionskassen-Betriebsrenten zu Wort. Aba-Chef Georg Thurnes warnt, dass die geplante Neuregelung der PSV-Pflicht für Arbeitgeber mit bestimmten Pensionskassenzusagen durch das geplante Gesetz zur Änderung des Insolvenzschutzes bei Pensionskassen-Betriebsrenten intensiv in die derzeitige Rechtslage eingreife, „ohne dass die damit verbundenen fachlichen und wirtschaftlichen Fragestellungen ausreichend geprüft werden konnten“. Die Verband macht sich vor diesem Hintergrund „für eine deutliche Entschleunigung des Gesetzgebungsprozesses“ stark.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen