Unzeitgemäße Wirtschaftsstruktur Der Sommer der Staatsbankrotte

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Ukraine: der lange Schatten der Vergangenheit

Wenn eine Nation gesucht wird, die in ihrer Geschichte besonders viel Pech hatte, dann ist die Ukraine einer der Top-Kanditaten. Ihre geografische Position zwischen Ost- und Westeuropa hat ein fürs andere Mal dafür gesorgt, dass sie entweder zu wenig Beachtung fand, oder bei Konflikten zwischen einem westlichen und östlichen Machtblock politisch und wirtschaftlich unter die Räder kam.

Während der vergangenen Jahrzehnte herrschte lange eine trügerische Ruhe. In der Sowjetunion war die Ukraine als Nahrungsmittelproduzent und Standort für die Schwerindustrie relativ wichtig. Nach der Unabhängigkeit brachten Oligarchen die großen Unternehmen des Landes unter ihre Kontrolle und konnten relativ ungestört vom Wettbewerb ihre Privilegien genießen.

Die wirtschaftliche Struktur wurde aber nicht weiterentwickelt; dafür blühte die Korruption: Im internationalen Corruption Perception Index 2014 von Transparency International liegt die Ukraine als schechtestes europäisches Land auf Platz 142 von 175 Ländern – auf dem gleichen Niveau wie Uganda.

Der Umsturz der Regierung 2014 durch eine Volksbewegung, die sich an westlichen Werten orientierte, brachte keine Besserung:
  • Zum einen wurde Russland auf den Plan gerufen, das seien Interessen bedroht sah. Durch Besetzung der Krim sowie die Unterstützung eines Aufstands russischer Bevölkerungsteile im Osten wurde die Situation destabilisiert.
  • Einige der führenden Oligarchen bekamen zunehmend Probleme. So steht z. B. Rinat Achmetow, dessen Holding SCM mit 300.000 Mitarbeitern größter privater Arbeitgeber im Land ist, nach Presseberichten kurz vor dem finanziellen Kollaps.
  • Zur Korruptionsbekämpfung wurden eine Reihe von tief greifenden Maßnahmen beschlossen, die aber bislang so gut wie nicht umgesetzt wurden.

Fatal für eine Ökonomie wie die Ukraine ist, dass ihr Schicksal eng von demjenigen der dominierenden Oligarchen abhängt. Diese beuten das Land zwar aus und profitieren von Ungleichheit und korrupten Strukturen. Andererseits sind sie die Einzigen, die – abgesehen von einer dubiosen Politikerclique – in einem Land wie der Ukraine Führungsverantwortung ergreifen können.

Die Konsequenzen sind weitverbreiteter Zynismus, Erstarrung und Frustration, aber kaum Eigeninitiative und Innovation. Auch für die Ukraine ist daher der „Brain Drain“ ein ernstes Problem: Intelligente junge Leute suchen ihr Glück lieber woanders, viele davon in Deutschland.

Eine ineffiziente Wirtschaftsstruktur, ein kleptokratischer Staat und demotivierte Bürger sind ein wirtschaftliches Misserfolgsrezept für Schuldenstaaten Ukraine, Griechenland und Puerto Rico: So unterschiedlich diese Länder sein mögen, so groß sind – abgesehen von der Überschuldung – ebenfalls ihre Gemeinsamkeiten:
  • Die Wirtschaftsstruktur reflektiert eine Ökonomie der extremen Ineffizienz: entweder durch fehlende Modernität oder durch entwicklungspolitische Fehlsteuerungen.
  • Die Politik spielt – unabhängig von der Motivation – eine sehr destruktive Rolle.
  • In allen Ländern haben sich große und parasitäre Strukturen herausgebildet, welche die einheimische Wirtschaft belasten und ehrliche Bürger demotivieren.
  • Der Staat wird von vielen Bürgern als Feind empfunden, der sie im Zweifel nur bestehlen will. Insofern erscheint es gerechtfertigt, Steuern zu hinterziehen.
  • Es gibt einen signifikanten Brain Drain: Talentierte und unternehmerisch gesinnte Leute verlassen in Scharen ihr Heimatland.

Weite Teile der im Land gebliebenen Bevölkerung haben Angst vor Veränderung:
  • Entweder, weil sie schon so resigniert sind, dass sie sowieso nichts Positives mehr erwarten;
  • oder sie schieben die Schuld auf fremde Mächte und nicht auf eigene Fehler;
  • oder sie profitieren von dem System, weil ihre wirtschaftliche Existenz auf ungerechtfertigten Privilegien aufgebaut ist.

Bei Griechenland und Puerto Rico spielt zudem noch eine Rolle, dass sie in einer Währungsunion mit viel größeren und leistungsfähigeren Partnern gefangen sind. Eine ökonomische Entlastung über eine Abwertung ist nicht möglich, was den Leidensdruck verstärkt.