Unterschied zwischen fairem Wert und NAV Anleihe-ETFs – liquide in der Krise, aber mit Preis-Discounts

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Warum der Preis eines ETF nicht falsch sein kann

Wenn der Preis von ETFs von ihrem augenscheinlich „fairen Wert“ abweicht und die Quotierungen somit eine Prämie oder einen Discount aufweisen, kann dies auf eine Reihe unterschiedlicher Einflussfaktoren zurückzuführen sein. Häufig aber hängt es mit der Wertermittlung zusammen. Im Folgenden werden einige wesentliche Aspekte der Preisfeststellung von Anleihen-ETFs diskutiert.

Zunächst gilt es festzuhalten, dass es sich bei den Börsenpreisen von ETFs um ausführbare Preise handelt, zu denen Market Maker bereit sind, Anteilsscheine zu verkaufen oder zurückzunehmen. Eine der wesentlichen Eigenschaften von ETFs besteht darin, dass Market Maker den Basket der Wertpapiere des Portfolios flexibel gegen Fondsanteile austauschen können.

Dadurch entstehen Arbitrage-Möglichkeiten, wenn sich die Preise von Basket und ETF zu weit voneinander entfernen. Wird ein ETF beispielsweise zu niedrig gepreist, kann ein Arbitrageur die ETF-Anteile günstig erwerben und den Basket zeitgleich teurer am Markt verkaufen. Dadurch verändert er die Angebots- und Nachfragesituation, was in einer Annäherung der beiden Preise resultiert.

Im Ergebnis sollte der Preis des ETF folglich stets nahe am Preis des Baskets liegen. Ist dies nicht der Fall, liegt der Grund häufig in den Ergebnissen unterschiedlicher Bewertungsmodelle. Bei einem länger anhaltenden Discount ist der Markt also der Auffassung, dass der NAV zu hoch angesetzt ist und der tatsächliche Wert des Baskets (und damit auch des ETF) niedriger liegt.

Preisfeststellung bei Anleihen

Da Anleihen im Gegensatz zu Aktien überwiegend OTC gehandelt werden, findet keine transparente Preisstellung an der Börse statt und es wird auch kein offizieller Schlusskurs im Rahmen einer Schlussauktion festgestellt. Um den NAV ermitteln zu können, müssen die Produktanbieter entsprechend versuchen, einen möglichst exakten Preis für die einzelnen Positionen des Portfolios zu ermitteln.

Dieses Vorgehen ist sowohl bei klassischen Fonds als auch bei ETFs üblich, bringt jedoch potenzielle Interessenkonflikte mit sich. So könnte ein Manager beispielsweise einen Anreiz haben, den NAV durch eine zu hohe Bewertung höher ausfallen zu lassen. Um die Gefahr einer Preismanipulation zu reduzieren, beschäftigen die meisten großen Anbieter separate Einheiten für die Preisstellung. Diese wiederum greifen auf externe Daten von unabhängigen Pricing-Service-Anbietern zurück.

Die Güte der so ermittelten Preise ist damit abhängig von der gelieferten Datenqualität. In den USA müssen alle OTC-Handelsumsätze von Anleihen über das sogenannte Trace-System gemeldet werden. Dadurch herrscht eine gewisse Transparenz, die es erlaubt, die Preisschätzungen auf Basis der über den Tag gehandelten Kurse vorzunehmen. Finden in einer Anleihe keine Handelsumsätze statt oder handelt die Anleihe in einem Markt, der kein zentrales Reporting erfordert, erfragen die Pricing-Service-Anbieter Preisschätzungen von unterschiedlichen Anleihehändlern. Sie setzen damit voraus, dass diese ihnen Preise nennen, die eine hohe Aktualität aufweisen und zudem handelbar sind.

Wenn die Märkte stark fallen, könnten die befragten Händler jedoch versucht sein, für ihre Handelsbestände zu hohe – und damit nicht ausführbare – Preise zu kommunizieren, um etwaige Buchverluste zu reduzieren. Im Ergebnis würde der NAV von Fonds und ETFs damit zu hoch ausgewiesen.

Die nachfolgende Grafik zeigt die Entwicklung des Preises einer Sherwin-Williams-2024-Anleihe, die in Trace eine vergleichsweise geringe Handelsaktivität aufweist, von Ende Februar bis Ende März 2020. Während der für die NAV-Ermittlung festgestellte Preis zunächst nahe an den Durchschnittspreisen (VWAP) der Trace-Meldungen liegt, sind in der zweiten Hälfte des Betrachtungszeitraums deutliche Abweichungen zu beobachten. Der NAV-Mark liegt hier systematisch um 5 bis 10 Prozent über den durchschnittlichen Handelspreisen.

Sherwin-Williams-2024-Unternehmensanleihe

 [Num Trace Trades = Anzahl der Trace-Transaktionen; Num Trace Trades >$1mm =
Anzahl der Trace-Transaktionen über einer Millionen US-Dollar; Trace VWAP = Trace-Durchschnittspreise]Quelle: Trace, Invesco (für NAVs)

In Phasen mit extremer Marktvolatilität können jedoch auch bei Anleihen mit regelmäßigen Handelsumsätzen Preisabweichungen festgestellt werden. Die Grafik unten zeigt die Handelsumsätze und die durchschnittlichen Preise der Verizon-2024-Anleihe. Der NAV-Mark am 19. März 2020 lag um mehr als 3 Prozent über allen an diesem Tag verzeichneten Trace-Preisen.

Verizon-Communications-2024-Unternehmensanleihe

 [Num Trace Trades = Anzahl der Trace-Transaktionen; Num Trace Trades >$1mm =
Anzahl der Trace-Transaktionen über einer Millionen US-Dollar; Trace VWAP = Trace-Durchschnittspreise]Quelle: Trace, Invesco (für NAVs)