Unternehmer im Private Banking, Teil 1 Die zeitgemäße Beratung von Unternehmern

Jörg Plesse ist Unternehmerberater und Estate Planner mit rund 20 Jahren Berufspraxis.

Jörg Plesse ist Unternehmerberater und Estate Planner mit rund 20 Jahren Berufspraxis. Foto: Christian Scholtysik / Patrick Hipp

Angeblich hat heute fast jede Bank erkannt, dass Unternehmer die wichtigste Klientel im Bereich Private Banking, Wealth Management und Family Office sind. Sieht man sich allerdings die Angebote im Bereich der Beratung von Unternehmern an, so muss man feststellen, dass es sich dabei leider meist nur um Lippenbekenntnisse handelt.

Das wird besonders deutlich, wenn man sich das Profil der Mitarbeiter im Private Banking, Wealth Management und in Multi Family Offices ansieht. Bei den meisten Beratern handelt es sich um reine Wertpapierspezialisten, die nicht einmal eine Bilanz lesen können. Mit einem solchen Profil ist die ganzheitliche Beratung eines Unternehmers eine Illusion. Wenn man die Beratung von Unternehmern richtig angehen möchte, muss man sich zunächst mit den Besonderheiten dieser speziellen Klientel und ihren Bedürfnissen auseinandersetzen.

Zunächst stellt sich die Frage nach den Erfolgsfaktoren der Unternehmerberatung. In diesem Zusammenhang sind unter anderem zu nennen:

  1. das Verständnis, was einen Unternehmer ausmacht und von anderen Kunden unterscheidet,
  2. richtige Ansprache und richtiges Auftreten,
  3. ein echtes Beratungserlebnis schaffen,
  4. ein auf die Bedürfnisse des Unternehmers zugeschnittenes Angebot,
  5. die richtige Auswahl, Ausbildung und Qualifikation der Berater,
  6. die richtige Bepreisung der Dienstleistung und
  7. der Aufbau eines Netzwerkes aus externen Dienstleistern.

Die meisten Anbieter scheitern bereits beim richtigen Verständnis des Unternehmers als Typen und den daraus folgenden Konsequenzen. Ein Unternehmer unterscheidet sich grundsätzlich von vermögenden Privatkunden ohne unternehmerischen Hintergrund.

Kritischer Rat gesucht

Bei den meisten Unternehmern handelt es sich um Mittelständler. Man sollte sich bewusstmachen, dass die meisten Unternehmer von Menschen umgeben sind, die von ihnen abhängig sind und ihnen Recht geben. Deshalb fehlt ihnen vor allem eins: Ehrlicher und kritischer Rat. Hinzu kommt, dass Unternehmer in der Regel viel weniger Zeit als vermögende Privatkunden haben. Deshalb ist die richtige Ansprache und das richtige Auftreten entscheidend.

Um vom Unternehmer als Gesprächspartner auf Augenhöhe akzeptiert zu werden, muss der Berater von Anfang an Selbstsicherheit und eine eigene Meinung vermitteln. Absolut entscheidend ist dabei der Auftritt im ersten persönlichen Gespräch. Man muss sich bewusstmachen, dass die Rolle, in der man wahrgenommen wird, im ersten Gespräch vom Gegenüber definiert wird. Hier sollte jede Gelegenheit genutzt werden, Dinge zu hinterfragen und seine eigene, abweichende Meinung deutlich zu machen. Nur auf diese Weise kann der Unternehmer feststellen, dass sein neuer Berater eine eigene Meinung hat und deswegen ernst genommen werden sollte.

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In der Praxis geschieht aber meist das genaue Gegenteil. Die Berater überschlagen sich geradezu darin, ihrem wichtigen Kunden möglichst häufig Recht zu geben und ihn zu bestätigen. Das geschieht auch deshalb, weil die meisten darin das geringste Risiko sehen.

Dabei bedenken Sie jedoch eines nicht: Durch dieses Verhalten werden sie zu Recht in die gleiche Schublade gesteckt, wie ein Großteil des Personals und werden fortan als Lakaien betrachtet. Die Meinung eines Lakaien interessiert jedoch den Unternehmer nicht. Er sieht ihn lediglich als Erfüllungsgehilfen. Auf diese Weise wird eine gute und intensive Zusammenarbeit auf Augenhöhe unmöglich. Der Rat des Beraters ist dann für den Unternehmer wertlos, er ist gerade gut genug, um Befehle auszuführen.

Deshalb sollte man bereits im ersten Gespräch jede Gelegenheit zum konstruktiven Schlagabtausch nutzen. Nur so merkt der Unternehmer, dass man wirklich eine eigene, wertvolle Meinung hat und sich auch traut, diese zu äußern, selbst wenn diese seiner eigenen widerspricht. Das schafft auch Vertrauen in die Ehrlichkeit des Beraters.

In diesem Zusammenhang sollte man auch ausdrücklich Beraterleitsätze, wie „Über Politik und Religion wird nicht gesprochen“, vergessen. Stattdessen sollte man nach dem Motto handeln: Es gibt, wenn überhaupt, nur wenige Tabuthemen, die aus dem Gesprächspartner resultieren. Der Berater sollte vor allem eins sein: authentisch. Wenn er das richtig macht, wird das Gespräch zum Beratungserlebnis für den Unternehmer.

Natürlich gibt es auch eine kleine Minderheit von Unternehmern, die sich einen Lakaien als Berater wünschen. Bei denen wird man mit dieser Vorgehensweise selbstverständlich nicht punkten. Das sind aber auch die Kunden, die am preissensibelsten sind und immer wieder nachverhandeln wollen. Freude kommt bei der Arbeit mit denen selten auf.