Man hörte zuletzt häufiger: Die Talsohle bei Immobilien sei erreicht, erster Optimismus mache sich breit bei Investoren, jetzt, da die Zinsen wieder sinken. Aber stimmt das auch? Zeit für eine Bestandsaufnahme: Wo stehen wir am Ende des Jahres wirklich? Welche Aussichten erwarten uns? Fünf Experten geben ihre Einschätzung.
Vorsicht bleibt geboten
„Wir sehen leicht steigende Transaktionsvolumina. Käufer und Verkäufer nähern sich hinsichtlich der Preisvorstellungen an. Die Phase des absoluten Stillstands ist überwunden. Trotzdem gilt es, weiter auf Sicht zu fahren und wenn, dann vorfinanziert zu investieren“, meint Julian Schnurrer, Leiter Portfoliomanagement und Finanzierung Immobilien bei Wealthcap.
Dem stimmt André Leiminger, CIO der BEB Plus Immobilien, zu: „Wir stellen eine leichte Belebung bei den Investoren fest, die wieder nach attraktiven Anlageopportunitäten suchen. Gleichzeitig beobachten wir immer noch eine deutlich größere Vorsicht als vor zwei Jahren.“ In erster Linie tätig werden demnach Investoren, die seltene Gelegenheiten suchen. Das sieht auch Aydin Karaduman, CEO der IC Immobilien Gruppe, ao: „Es sind einige opportunistische Investoren unterwegs – in der Breite sind die Käufer noch nicht wieder am Markt.“
Zinsen sind der Schlüssel
Insbesondere die Zinsentwicklung wirke sich dabei auf das Immobiliengeschäft aus, erklärt Timm Grün, Director Real Estate Portfolio Management bei Universal Investment: „Sinkende Zinsen bleiben ein Treiber für Immobilieninvestitionen, da sie die Finanzierungskosten senken und die Attraktivität von Immobilien stärken. Sollten die Zinsen weiter moderat sinken, könnte dies dem Markt weiteren Antrieb verleihen und die Transaktionsvolumina steigern.“
Moritz Kraneis, geschäftsführender Gesellschafter der Deutschen Zinshaus Gruppe, resümiert die Zinssituation sowie den Ausblick: „Die Zinsen sorgten quasi im Alleingang für ein jähes Ende des letzten Immobilienzyklus. Und es werden auch die Zinsen sein, die die aktuelle Übergangsphase zum Ende kommen lassen.“
Die pbb Deutsche Pfandbriefbank als Spezialbank für Immobilienfinanzierung prognostiziert, ab welchem Zeitraum sich der gesamte Markt erholen könnte: Es wird damit gerechnet, dass die Zinsen ihre volle Wirkung erst in Zukunft entfalten werden. Der mögliche Zeitpunkt der Erholung für Immobilien in Europa läge zwischen 2026 und 2027.
Nutzungsarten nach Corona – was ist gefragt?
Wie man sich bezüglich der Nutzungsarten für den Schweinezyklus aufstellen kann, geben die Experten weitestgehend gleich an: Konservative Nutzungen wie Wohnen, Logistik und Hotels könnten punkten, Nischen wie Rechenzentren würden noch stellenweise als Hype gesehen. So meint Kraneis: „Wir sind bewusst nicht in Nischen-Assetklassen unterwegs, sondern sehen genug Wertschöpfungsmöglichkeiten im Bereich Wohnen und Gewerbe.“
Schnurrer schlägt in eine ähnliche Kerbe: „Wir sehen seit der Corona-Pandemie steigende Marktanteile bei Wohnen oder auch Logistik. Objekte gemischter und sonstiger Nutzungen – unter die auch Hotel und Rechenzentren fallen – weisen Marktanteile auf einem vergleichsweise geringeren Niveau auf.“
Grün stimmt zu, bricht aber eine Lanze für Hotels und Einzelhandel: „Nach wie vor fließt Geld in Wohnimmobilien und Logistik, aber auch in Hotels. Neben diesen etablierten Assetklassen ist auch der Lebensmitteleinzelhandel gefragt und zeigt konstant gute Renditen.“
„Wohnen als defensive Assetklasse mit ausgeprägtem Angebotsmangel bleibt gefragt. Pflege und altersgerechtes Wohnen folgen einer ähnlichen Nachfragelogik“, meint Karaduman und bringt damit Senior-Living-Konzepte ins Spiel. Leiminger verweist dagegen auf das Potenzial von Rechenzentren: „Der KI-Boom – verstärkt durch den Bitcoin-Hype, der womöglich weiteren Auftrieb erhalten wird – steht noch am Anfang. Die Nachfrage nach Rechenleistung übersteigt die Kapazitäten deutlich, sodass zunehmend Flächen benötigt werden, um neue Rechenzentren zu errichten.“
Wunsch nach politischer Sicherheit
Wie die Zukunft von Rechenzentren in Deutschland aussehen wird, hängt auch von der Politik ab, die sich nach dem Bruch der Ampelkoalition neu zusammensetzen wird. Die Experten sehen die Entwicklungen als Chance, um alte Forderungen neu vorzubringen. Karaduman wünscht sich leichtere Prozesse: „An erster Stelle steht eine altbekannte Forderung: Entbürokratisierung sowie schnellere und vereinfachte Verfahren etwa in der Bauplanung.“
„Die Politik sollte einen verlässlichen und allseits nachvollziehbaren Rahmen für Investoren vorgeben. Das war zuletzt leider des Öfteren nicht der Fall und verschreckt durchaus Anleger – auch aus dem Ausland“, ergänzt Kraneis. Die Verlässlichkeit bei Regulierungen kommt oft zur Sprache. „Verlässliche Rahmenbedingungen bei der Verschärfung des Mietrechts und Klarheit bei den künftigen Anforderungen an energetischen Sanierungen würden das Vertrauen und die Aktivität im Markt nachhaltig stärken“, betont Grün.
Ausblick
Noch scheint das Tal nicht ganz durchschritten, aber eine nachhaltige Trendumkehr beginnt sich abzuzeichnen. Leiminger spricht von den fundamentalen Marktfaktoren: „Wie sich das Investmentniveau bis Ende 2025 entwickeln wird, hängt von der weiteren politischen und wirtschaftlichen Lage ab. Faktoren wie der Ukraine-Krieg, die Trump-Präsidentschaft oder Veränderungen des Zinsniveaus werden hierbei eine zentrale Rolle spielen.“
Grün wiederum ist sich sicher: „Bis Ende 2025 dürfte der Transaktionsmarkt durch Professionalisierung, neue Lösungen und die Anpassung der Investoren an die veränderten Marktbedingungen wieder an Stabilität gewinnen“.
Noch positiver schließt Kraneis: „Sobald die konservativeren Core-Investoren im Laufe von 2025 wieder den Transaktionsmarkt betreten, ist es möglicherweise bereits vorbei mit den besten Gelegenheiten.“