Axa IM-Vertriebschef Uwe Diehl „Wir sollten aufhören, das Sparbuch zu verdammen“

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Was ist derzeit aus Ihrer Sicht der wichtigste Produkttrend in der Fondsindustrie?

Diehl: Ein großer Trend ist sicher nach wie vor das Thema Smart Beta, also die Suche nach alternativen Ansätzen zwischen aktivem Management und reiner Indexabbildung. Allerdings konzentriert sich Smart Beta häufig ausschließlich auf die Assetklasse Aktien. Wir haben den Smart-Ansatz auf das Anleiheuniversum übertragen und machen dort sehr gute Erfahrungen mit einer Kombination aus gründlichem Research, niedrigem Portfolioumschlag und konstanter Überwachung des Portfolios – „Smart Beta Buy and Maintain Credit“ nennen wir diesen Ansatz.

Und der wichtigste Produkttrend in Ihrem Haus?

Diehl: Neben unserer schon angesprochenen Fokussierung auf Small Caps im Aktienbereich sowie Buy and Maintain Credit im Anleihebereich möchte ich hier noch das Thema verantwortliches Investieren anführen. Immer mehr Investoren wollen im Einklang mit gesellschaftlichen Werten investieren. Es ist also längst mehr als eine Frage der Überzeugung, verantwortliche Investmentlösungen als vollwertige Bestandteile der eigenen Produktpalette anzubieten.

Welchen Produkttrend sehen Sie in den kommenden Jahren, über den heute noch kaum gesprochen wird?

Diehl: Im Vordergrund wird die Flexibilisierung von Fixed-Income-Strategien bezüglich verschiedener zentraler Faktoren stehen. Dazu gehören vor allem die Duration, die Länder- und Sektorallokation sowie die Verteilung des Portfolios auf die unterschiedlichen Segmente des Marktes. Hinzu kommt das bereits genannte Thema Alternative Debt. Gerade in diesem Bereich werden stärker neue, bislang wenig bekannte Instrumente in den Vordergrund treten. Ich denke dabei etwa an Kommunalfinanzierungen als Alternative zu Bundesanleihen.

Beschreiben Sie unseren Lesern bitte ein spannendes Projekt, an dem Sie und Ihr Team gerade arbeiten?

Diehl: Da möchte ich ein Projekt nennen, das auf den ersten Blick wenig mit unserem Vertriebsgeschäft zu tun hat: das schon erwähnte Forschungsprojekt Polecule der Goethe-Universität, das wir unterstützen. Dabei geht es im Kern darum, wirtschaftliches Wissen in bestehende Unterrichtsfächer wie zum Beispiel Sozialkunde, Geschichte und Ethik beziehungsweise Religion zu integrieren – und dafür die globale Wirtschaftssprache Englisch zu nutzen. Mit der Unterstützung des Projekts möchten wir dazu beitragen, dass künftig mehr Wirtschaftswissen in Schulen vermittelt wird. Denn nur wer weiß, wie die Wirtschaft funktioniert, kann kompetente Anlage-Entscheidungen treffen.

In welcher Kundengruppe haben Sie in den vergangenen ein bis zwei Jahren die größten Marktanteile hinzugewonnen und was war der Schlüssel für diesen Erfolg?

Diehl: Das ist sicher die Verwaltung von Vermögen für Family Offices. Ich denke, ausschlaggebend für unseren Erfolg war dabei vor allem unsere Fähigkeit, zuzuhören und aus dem Gehörten zu lernen. Und natürlich unsere Diskretion.

Wo und warum sehen Sie für sich und Ihre Mitbewerber das größere Risiko für sinkende Fondsumsätze im Bereich Volksbanken und Sparkassen: Durch ein Zurückfahren der offenen Architektur oder durch den fortschreitenden Abbau von Filialen?  

Diehl: Ich halte das Zurückfahren der offenen Architektur für gefährlicher – auch und gerade für die Anleger, in deren Interesse es ja zuallererst liegt, Zugang zu einer möglichst breiten Auswahl an Produkten zu haben.

Wo sehen Sie die größten Risiken für ein rückläufiges Fondsgeschäft in den kommenden ein bis zwei Jahren?

Diehl: Für das Retail- und Wholesale-Segment stellt sicherlich die Gefahr, dass den Menschen künftig real ein niedrigeres Einkommen zur Verfügung steht, ein echtes Risiko dar. Darüber hinaus besteht auch das Risiko, dass ein noch länger andauerndes Niedrigzinsumfeld die Fehlallokation in den Immobilienmarkt fördert.

Einige Marktteilnehmer bezeichnen Robo-Advisor als den Fonds-Vertriebsweg der Zukunft, als digitale Antwort auf die vertrieblichen Herausforderungen in der Fondsbranche, die 95 Prozent der Bevölkerung den Weg zur privaten Vermögensbildung öffnen wird. Würden Sie sich dieser These anschließen?

Diehl: Nein. Vermögensbildung ist zuallererst keine Frage der Verfügbarkeit von Instrumenten, die ich nutzen kann, sondern vielmehr die Summe aus der Erkenntnis, dass ich etwas tun muss, der finanziellen Spielräume dafür, des Überwindens der Trägheit, um damit auch wirklich anzufangen, des Durchhaltewillens und des Wissens, um die geeigneten Produkte. Überall dort unterstützen Robo-Advisors nicht. Außerdem können Robo-Advisors immer nur standardisiert sein und nicht auf individuelle Besonderheiten des Kunden eingehen.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Trend „Robo-Advisor“ für Ihr Haus? Wie wollen Sie von diesem Trend profitieren?

Diehl: Wir beschäftigen uns in der Axa Gruppe seit Längerem mit diesem Thema. Zu konkreten Plänen in diesem Bereich kann ich allerdings noch nichts sagen.

Wie beurteilen Sie die bisherigen Anlage-Ergebnisse von deutschen Robo-Advisors?

Diehl: Meiner Ansicht nach ist es noch zu früh, um eine faire Aussage darüber zu treffen, denn die Robo-Advisors sind erst seit kurzer Zeit am Markt.

 Welche Regelungen im Rahmen von Mifid 2 finden Sie gut und sinnvoll?

Diehl: Ich denke, der Grundgedanke hinter Mifid und auch  Mifid 2 ist prinzipiell sehr gut: ein einheitliches Regelwerk für ganz Europa zu schaffen, das ein Level Playing Field für alle Akteure im Finanzsektor ermöglicht, Transparenz und Anlegerschutz gewährleistet. Es dürfte viele Länder auf der Welt geben, die uns um diesen Ansatz beneiden.

Und welche Mifid-2-Regelungen sind in ihren Augen schlecht und überflüssig?

Diehl: Hier möchte ich keine einzelne Regelung herausgreifen. Ich habe vor allem grundsätzliche Bedenken: Die größte Schwierigkeit bei derartig groß angelegten Regulierungsprojekten liegt darin, die richtige Balance zu finden – so viel Regulierung wie nötig, aber auch so wenig wie möglich. Denn wenn Regulierung ausufert, droht die Gefahr, dass sämtliche Betroffenen – und das schließt Behörden und Anleger ausdrücklich ein – dadurch überfordert werden, ohne dass sich ein zusätzlicher Nutzen ergibt. Ich denke, mit  Mifid 2 laufen wir Gefahr, dass genau dies geschieht.

Welche konkreten Folgen von Mifid 2 sehen Sie für Fondsanbieter und Vertrieb?

Diehl: Ich denke, so genannte Clean Share Classes werden aufgrund des Kick-Back-Verbotes auch hierzulande immer relevanter werden. Zudem werden sich die Vergütungsmodelle in der Beratung ändern – stärker hin zu transparent ausgewiesenen Servicegebühren. Insgesamt wird es künftig noch wichtiger werden, den Begriff „Unabhängigkeit“ auch tatsächlich mit Leben zu füllen.

Teil des Mifid-2-Regulierungskomplexes ist die sogenannte Product Governance: Fondsanbieter müssen prüfen und veröffentlichen, ob und welche Produkte für welche Zielgruppen geeignet sind. Eine Definition der Zielgruppen steht noch aus; vermutlich wird man diese anhand des Vermögens und der Risikoneigung unterteilen. Was würden Sie Gesetzgeber und Rechtsprechung an dieser Stelle raten? Was wäre eine sinnvolle Zielgruppen-Definition?

Diehl: Ich halte es generell für schwierig, bei der Definition von Zielgruppen mit Pauschalisierungen zu arbeiten und verschiedene Töpfe zu bilden, in die Anleger geworfen werden. Dafür gibt es gerade bei der Geldanlage zu viele individuelle Spezialfälle. Am Ende ist es Sache jedes Anlegers selbst zu entscheiden, in welchen Topf er gehört – im Idealfall gemeinsam mit einem kompetenten Berater. Zwangseinstufungen dürften deshalb am Ziel vorbeigehen.

Fondsgesellschaften werden für sich entscheiden müssen, welche Zielgruppen für sie am spannendsten sind und sich bei der Produktgestaltung auf diese Zielgruppen konzentrieren. Welche strategischen Überlegungen stellen Sie in diese Richtung an?

Diehl: Wichtig ist, dass die Fondsgesellschaften nah an den Endkunden bleiben. In der Vergangenheit gab es eine relativ strikte Trennung zwischen Produkt und Vertrieb – dies hat die nötige Nähe nicht unbedingt befördert. Vielleicht ist es an der Zeit, hier umzudenken.

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