Neue Verwaltungsauffassung Wegen Fremdwährungskonten unbewusst in die Steuerhinterziehung

Sven Wanka (links) und Sven Oberle von EY

Sven Wanka (links) und Sven Oberle von EY: Bei der Versteuerung von Fremdwährungsgewinnen ist Vorsicht geboten. Foto: EY

Nach bislang geltender Verwaltungsauffassung des Bundesministeriums der Finanzen BMF sowie des Bayerischen Landesamts für Steuern sollten Währungsgewinne oder -verluste – sofern zwischen Anschaffung und Veräußerung des dem Währungsgewinn oder -verlust zugrundeliegenden Fremdwährungsbetrages weniger als ein Jahr lag – gemäß § 22 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 23 EStG als privates Veräußerungsgeschäft erfasst werden. Außerhalb der Haltedauer von einem Jahr realisierte Währungsgewinne und -verluste sollten demgegenüber nicht steuerbar sein. Diese steuerliche Beurteilung beruhte auf einem im Jahr 2000 ergangen Urteil des Bundesfinanzhofs, sollte jedoch laut der Bayerischen Landesamts für Steuern – ausdrücklich – auch auf Veranlagungszeiträume anzuwenden sein, die nach der Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2008 fallen. Dazu gab es ein Schreiben des Bayerischen Landesamts für Steuern am 12. März 2013. 

Dass die Währungsgewinne und -verluste als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften eingeordnet wurden, hatte hierbei insbesondere zur Folge, dass Steuerpflichtige durch eine vorausschauende Planung etwaiger Anlagen in fremder Währung hieraus erzielte Währungsgewinne steuerfrei vereinnahmen konnten. Sofern sie demgegenüber innerhalb der Haltedauer von einem Jahr veräußert wurden, hatte der Steuerpflichtige einen hieraus erzielten Veräußerungsgewinn mit seinem individuellen Steuersatz zu versteuern. Etwaig erzielte Veräußerungsverluste konnten ausschließlich mit weiteren positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG ausgeglichen werden.

Mit BMF-Schreiben vom 19. Mai 2022 geänderte Verwaltungsauffassung

Entgegen der bislang geltenden Verwaltungsauffassung vertritt das BMF in seinem Schreiben vom 19. Mai 2022 erstmalig die Auffassung, dass Währungsgewinne und -verluste aus der Veräußerung oder Rückzahlung einer verbrieften oder unverbrieften verzinslichen Kapitalforderung oder eines verzinslichen Fremdwährungsguthabens als Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 EStG zu berücksichtigen sind. Betroffen sind hiervon beispielsweise Festgeldanlagen sowie Darlehen in fremder Währung.

Diese jetzt neu vertretene Rechtsauffassung beruht hierbei auf dem seit 2008 mit Einführung der Abgeltungsteuer unverändert geltendem Gesetzeslaut des § 20 Abs. 2 S. 2 EStG in Verbindung mit § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG, wonach die Rückzahlung einer verzinslichen Kapitalforderung einer Veräußerung gleichgestellt ist. Doch es gibt auch eine Ausnahme: Nicht gelten soll dies dahingegen, sofern die Währungsgewinne und -verluste aus Fremdwährungsguthaben auf Zahlungsverkehrskonten, Kreditkarten und sonstigen digitalen Zahlungsmitteln beruhen. In diesem Fall fehle es an einer tatbestandsmäßig erforderlichen Einkünfteerzielungsabsicht. 

Abweichend von der Behandlung von verzinslichen Fremdwährungsstrukturen vertritt das BMF die Auffassung, dass unverzinsliche Kapitalforderungen sowie unverzinsliche Fremdwährungsguthaben weiterhin (nur) als privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu behandeln sind.

Die Auswirkungen auf die Praxis

Die geänderte Verwaltungsauffassung wirkt sich in der Praxis aus: sowohl auf den Umfang der zu versteuernden Währungsgewinne als auch auf die Höhe des anzuwenden Steuersatzes. Währungsgewinne müssen als Einkünfte aus Kapitalvermögen unabhängig von der konkreten Haltedauer der Kapitalforderung, die dem Währungsgewinn zugrunde liegt, somit neuerdings stets versteuert werden. 

Des Weiteren wird – abweichend zur Besteuerung von Spekulationsgewinnen im Sinne des § 23 EStG – im Regelfall nicht der individuelle Einkommensteuersatz des Steuerpflichtigen, sondern der Kapitalertragsteuersatz in Höhe von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag angewendet. 

Realisierte Währungsverluste können nun aufgrund der Einstufung als Einkünfte aus Kapitalvermögen – unter Berücksichtigung der Verlustausgleichsbeschränkungen des § 20 Abs. 6 EStG – mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen steuermindernd ausgeglichen werden. Nicht vollständig ausgleichsfähige Währungsverluste können darüber hinaus zeitlich unbegrenzt in folgenden Veranlagungszeiträumen mit weiteren Einkünften aus Kapitalvermögen steuermindernd ausgeglichen werden.

Zusätzliche steuerliche Erklärungspflichten angesichts der geänderten Verwaltungsauffassung

Die steuerliche Einordnung von Währungsgewinnen und -verlusten aus verzinslichen Fremdwährungsguthaben als Einkünfte aus Kapitalvermögen hat zur Folge, dass diese dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen. Jedenfalls sofern die dem Währungsgewinn zugrunde liegenden Kapitalforderung bei einem inländischen Kreditinstitut verwahrt wird. Da der Kapitalertragsteuerabzug im Regelfall abgeltend wirkt, treffen den Steuerpflichtigen daher grundsätzlich keine weiteren Deklarationspflichten.

Sofern demgegenüber jedoch kein Kapitalertragsteuerabzug erfolgt, beispielsweise weil die dem Währungsgewinn zugrunde liegenden Kapitalforderung bei einem ausländischen Kreditinstitut verwahrt wird, ist der Steuerpflichtige zur Ermittlung und Deklaration sämtlicher Fremdwährungsgewinne im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung verpflichtet. Das gilt auch, wenn das inländische verwahrende Kreditinstitut von der Übergangsregelung bis zum 01. Januar 2024 Gebrauch macht, wonach bis zum 31. Dezember 2022 kein Kapitalertragsteuerabzug durchzuführen ist.

Anwendung für alle offenen Fälle?

Gemäß Tz. 324 des BMF-Schreibens soll die geänderte Rechtsauffassung auf alle offenen Fälle angewendet werden, weshalb bereits abgelaufene, bislang nicht bestandskräftige Veranlagungszeiträume seit Einführung der Abgeltungsteuer betroffen sein können. 

Da die seitens der Finanzverwaltung geänderte Auffassung jedoch ausschließlich auf Grundlage einer geänderten Rechtsauffassung, nicht aber einer geänderten Gesetzeslage, beruht, halten wir eine Anwendung auf bereits abgeschlossene Veranlagungszeiträume unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzgrundsatzes für äußerst fragwürdig. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die geänderte Auffassung der Finanzverwaltung rechtsverschärfend wirkt, da sämtliche Währungsgewinne, ungeachtet der konkreten Haltedauer der zugrunde liegenden Kapitalforderung, in die Besteuerung einzubeziehen sind.

Die von Teilen der steuerlichen Praxis vertretene Überlegung, die bis zum 01. Januar 2024 für inländische Kreditinstitute geltende Übergangsregelung zum Einbehalt der Kapitalertragsteuereinbehalt auch auf die persönlichen Deklarationspflichten des Steuerpflichtigen zu übertragen, beruht allerdings auf keiner rechtlichen Grundlage. Da gemäß § 32d Abs. 3 EStG nicht dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegende steuerpflichtige Kapitalerträge deklariert werden müssen, wirkt sich diese unseres Erachtens ausschließlich an zum Kapitalertragsteuerabzug verpflichtete Kreditinstitute adressierte Übergangsregelung nicht auf die persönlichen Deklarationspflichten des Steuerpflichtigen aus.

Einschätzung und Praxisempfehlungen

Klar ist also: Mit der geänderten Rechtsauffassung unterscheidet das BMF hinsichtlich der ertragsteuerlichen Behandlung von Währungsgewinnen und -verlusten zwischen verzinslichen und unverzinslichen Kapitalforderung und Fremdwährungsguthaben.

Für verzinsliche Kapitalforderungen und Fremdwährungsguthaben ergibt sich eine wesentliche Verschärfung, da die einjährige Spekulationsfrist, nach der Gewinne steuerfrei vereinnahmt werden konnten, ersatzlos entfällt. Lediglich ein kleiner Trost wird dabei sein, dass auf diese nun zu versteuernde Gewinne nicht der persönliche Steuersatz von bis zu 45 Prozent sondern der Kapitalertragsteuersatz in Höhe 25 Prozent sowie der Solidaritätszuschlag angewendet wird. Für unverzinsliche Kapitalforderung und Fremdwährungsguthaben ändert sich hingegen nichts.

Besondere Vorsicht ist während des Übergangszeitraums bis zum 01. Januar 2024 geboten, da es in der Verantwortung der Steuerpflichtigen liegt, die bis dahin anfallenden Währungsgewinne und -verluste selbst zu ermitteln und in seiner Einkommensteuererklärung zu deklarieren, solange das inländische Kreditinstitut den Kapitalertragsteuerabzug (noch) nicht vornimmt. Hierbei ist ein enger Austausch mit dem Kreditinstitut unabdingbar.

Bei noch offenen Altfällen, bei denen die Währungsgewinne und -verluste vor Veröffentlichung des BMF-Schreibens angefallen sind, sollte sich Steuerpflichtige eng mit dem jeweiligen steuerlichen Berater abstimmen. Nach unserer Auffassung kommt für die offenen Altfälle eine Berufung auf den Vertrauensschutzgrundsatz in Betracht. Zur konkreten Umsetzung des BMF-Schreibens in der Praxis ist das letzte Wort noch nicht gesprochen und es finden derzeit Abstimmungen mit dem BMF statt. Darüber hinaus bleibt abzuwarten, ob die Finanzgerichtsbarkeit die geänderte Rechtsauffassung des BMF teilt.

Über die Gastautoren:
Sven Wanka ist Rechtsanwalt und Steuerberater im Bereich Private Client Services bei EY. Er berät Familienunternehmen, vermögende Privatpersonen und Family Offices in deutschen und internationalen Angelegenheiten. Vor seinem Wechsel zu EY war er vier Jahre bei Flick Gocke Schaumburg in Frankfurt tätig.

Sven Oberle ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und leitet das Private Client Team von EY in Frankfurt. Er berät Familienunternehmen, vermögende Privatpersonen und Family Offices in deutschen und internationalen Angelegenheiten. 

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