Überraschende Auffassung Bafin will Stimmrechte Vermögensverwaltern zurechnen

Seite 2 / 2

Dies erstaunt, da auch das vermögensverwaltende Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut, das zur Ausübung der Stimmrechte bevollmächtigt ist, nicht die erforderliche Ermessensfreiheit bei der Ausübung dieses Stimmrechts hat, die für eine Zurechnung erforderlich wäre. Die oben dargelegte aktienrechtliche Vorschrift des Paragraphen 135 AktG gilt hier ebenfalls.

Die Bafin gesteht zwar zu, dass es vor diesem Hintergrund „irritiere“ Depotbanken und vermögensverwaltende Kredit- beziehungsweise Finanzdienstleistungsinstitute bei der Zurechnung fremder Stimmrechte (gemäß Paragraph 34 Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG) unterschiedlich zu behandeln.

Sie versucht dies wie folgt zu begründen: Es würde im Widerspruch zur Regelung zu Tochterunternehmen (Paragraph 35 Absatz 2 WpHG) stehen, wenn man die Verwaltungspraxis zum Depotstimmrecht, Stimmrechte nicht der Depotbank nach Paragraph 34 Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG zuzurechnen, auf die Vermögensverwaltung erstrecken würde. Denn Paragraph 35 Absatz 2 WpHG regele, dass bei der Zurechnung von Stimmrechten Wertpapierdienstleistungsunternehmen hinsichtlich der Stimmrechte aus Aktien, die von ihnen im Rahmen einer Vermögensverwaltung betreut werden, nicht als Tochterunternehmen gelten. Die für das Depotstimmrechts geltende Ausnahme der Zurechnung auch auf die Vermögensverwaltung anzuwenden, würde daher Paragraph 35 Absatz 2 WpHG „weitgehend leerlaufen lassen, was nicht die Intention des EU- und des nationalen Gesetzgebers gewesen sei“.

Zudem sei die Ausnahme zum Depotstimmrecht „historisch zu sehen“. Sie sei mehr aus praktischen Erwägungen heraus entstanden. Man hätte so vermeiden wollen, dass Depotbanken sich alle Stimmrechte der von ihnen verwahrten Aktien zurechnen lassen müssen, da dann mit jeder Depoteröffnung automatisch eine Zurechnung von Stimmrechten der in dem Depot verwahrten deutschen Aktien hätte erfolgen müssen. Anders sei es bei der Vermögensverwaltung, da hier ein gesonderter Vertrag mit dem Kunden erforderlich sei. Auch stehe die Vermögensverwaltung einer Zurechnung nach Paragraph 34 Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG deutlich näher als bei einer „bloßen“ Depotverwahrung.

Schließlich – so die Bafin – könne auch als Argument für eine Zurechnung im Fall der Vermögensverwaltung herangezogen werden, dass Corporate-Governance-Regelungen von Konzernen, die zum Teil sehr konkrete Festlegungen zum Stimmrechtsverhalten des Konzerns enthalten, ebenfalls nicht die Zurechnung auf Konzerngesellschaften entfallen lassen.

Es bleibt Ihnen überlassen, ob Sie diese Argumente überzeugen. Veröffentlicht wurde diese mir von der Bafin schriftlich mitgeteilte und zur Weitergabe freigegebene Auffassung bislang nicht. Gleichwohl wollte ich Ihnen diese (derzeitige) Sichtweise nicht vorenthalten.

Zwar gibt es derzeit Tendenzen, die Aktionärsrechte auf Hauptversammlungen im Rahmen einer nachhaltigen Kapitalanlage vermehrt auszuüben. Man will so Einfluss auf die Einhaltung von ESG-Kriterien nehmen. In Anbetracht der umfangreichen Regelungen des Paragraphen 135 AktG und der Problematik der Zurechnung bei den Mitteilungen nach Paragraph 33 WpHG sollte es sich ein Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut aber genau überlegen, ob es die Ausübung der Stimmrechte der ihr im Rahmen der Depotführung oder Vermögensverwaltung anvertrauten Aktien anbieten will.


Über den Autor:
Dr. Jochen Eichhorn ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Lachner, Westphalen, Spamer in Frankfurt am Main. Eichhorn ist seit 1991 als Rechtsanwalt in Deutschland zugelassen. Er ist spezialisiert auf das Bank- und Bankaufsichtsrecht (einschließlich Wertpapierrecht), Investmentfonds und Asset Management (Kapitalanlagerecht) sowie die Prozessführung und Streitbeilegung in diesen Bereichen.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen