private banking magazin: Für wen waren die letzten Monate aufregender – für Sie persönlich oder für die UBS als Organisation?
Tobias Vogel: (lacht) Sie waren für uns beide gemeinsam sehr aufregend. Für die Bank ist die Integration der Credit Suisse Herausforderung, aber auch Opportunität. Für mich als Vorstandsvorsitzender der UBS Europe sind ein paar Aufgaben dazugekommen, aber an unserer Wachstumsstrategie ändert sich nicht viel.
Wenn die zwei größten Schweizer Banken fusionieren, kann eine Strategie doch nicht einfach weiterlaufen. Ändert sich nichts?
Vogel: Die Integration ist eben dazugekommen und birgt neue Potenziale, die es jetzt zu heben gilt. Und natürlich müssen wir sicherstellen, dass diese Integration auch erfolgreich verläuft.
Wie soll das funktionieren?
Vogel: Die Integration der Credit Suisse soll in der Gruppe und der europäischen SE auf einer Linie umgesetzt werden. Auf Führungsebene wurden die wichtigen Entscheidungen getroffen, in den europäischen Standorten haben wir einen klaren Fahrplan.
Wie sieht das Geschäft am Ende des Fahrplans aus, auch hierzulande im Wealth Management?
Vogel: Bis Ende 2026 soll der Großteil der operativen Integration hinter uns liegen – in Europa sogar noch früher. Wir gewinnen im Wealth Management auf einen Schlag Volumen, für das wir sonst jahrelang organisches Wachstum gebraucht hätten. Wenn wir erfolgreich integrieren, und das werden wir, dann können wir besser skalieren: größeres Produktportfolio, mehr globale Reichweite und mehr Expertise und Research im Investmentbereich.
Die Credit Suisse hat in Deutschland ihr Wealth Management erst wieder aufgebaut. Verändert sich vor Ort überhaupt so viel?
Vogel: Die Kollegen aus der ehemaligen Credit Suisse sind schon im Geschäft tätig, wir haben als erstes Land das Wealth Management integriert. Das macht mich schon ein bisschen stolz, auch wenn die Integrationsaufgabe hier aufgrund des überschaubaren Teams sicherlich einfacher war als anderswo. Die Zusammenarbeit funktioniert auf operativer Ebene bereits reibungslos.
Soll das Team darüber hinaus weiterwachsen?
Vogel: Der Plan ist vorerst, mit dem integrierten Team und den bestehenden Ressourcen das Geschäft auszubauen. Aber ja: Wenn wir weitere Berater oder Teams sehen, die zusätzlich eine Ergänzung zur gewachsenen Mannschaft darstellen können, schauen wir uns das trotzdem an. In Europa wollen wir im Wealth Management führender Anbieter im High-net-worth-, im Ultra-high-net-worth- und im Family-Office-Segment sein.
„Der Bedarf reicht häufig über Divisionen hinaus.“
Und wie soll das konkret gelingen?
Vogel: Wir müssen nicht nur Investmentlösungen, sondern ganzheitliche Finanz- und Vermögensdienstleistungen anbieten. Was ich in meiner Zeit im Wealth Management und Investmentbanking gemerkt habe: Der Bedarf reicht häufig über Divisionen hinaus. Wir versuchen uns darum systematisch enger zu verzahnen.
Das müssen Sie konkretisieren.
Vogel: Ich denke an strukturierte Produkte, Lending Solutions oder Unternehmenskunden. Im vergangenen Jahr haben wir deshalb ein Team aus Investmentbanking- und Wealth-Management-Experten geschaffen und Mitarbeiter eingestellt, die zusammen auch sogenannte Growth Entrepreneurs adressieren – Kunden, die zwar institutionelle Bedürfnisse haben, aber auch privat ihr Vermögen planen und verwalten lassen möchten. Wichtig ist mir dabei: Growth Entrepreneurs interpretieren wir nicht nur als Start-up-Unternehmer in der Frühphase. Diese Unternehmer haben stattdessen in zwei oder drei Jahren ein Kapitalmarkt-Event in Aussicht, Unternehmen mit Umsätzen und gestandenen Geschäftsmodellen im Hintergrund. Klassische Mid-Market-Kunden zählen wir deshalb auch dazu.
Sprechen diese Kunden so mit Generalisten statt Spezialisten?
Vogel: Nicht immer und unbedingt. Es gibt Kunden mit klaren Vorstellungen für ihre Bedürfnisse am Kapitalmarkt und Kunden, die bereits vorher Bedürfnisse im Wealth Management haben. Insofern halten wir uns alle Optionen offen. Mit diesem Modell haben wir in Deutschland große Fortschritte gemacht, weil wir das divisionale Denken ad acta legen konnten und aus Bedürfnissicht der Kunden agieren. Und dieses in Deutschland bewährte Modell wenden wir auch vermehrt im restlichen Europa an.
Die Zusammenarbeit von Investmentbanking und Wealth Management ist nicht neu. Wie wollen Sie sich differenzieren?
Vogel: Wir sind einer der größten Vermögensverwalter der Welt, haben zusätzlich eine führende Investmentbank. Es gibt nicht viele Wettbewerber, die auf diesem Niveau eine vergleichbare Aufstellung haben. Wenn doch, dann sind es US-Corporate-Banken, die Wealth Management als zusätzliche Einheit betreiben. Unsere Ausgangssituation ist genau anders herum: Wir kommen aus dem Wealth Management, haben aber eine Investmentbank, die im europäischen Aktiengeschäft, im FX-Segment und der Kombination aus Fixed-Income- und Aktienlösungen führend ist.
„Der Markt ist ziemlich groß. Ich gehe aber fest davon aus, dass er sich konsolidiert.“
Heißt im Umkehrschluss: Die Investmentbank soll an der ein oder anderen Stelle auch ausgebaut werden?
Vogel: Da kommt die Credit-Suisse-Integration wieder ins Spiel. Die Dienstleistungen, die uns ergänzen, werden wir integrieren und damit die Wachstumspläne in Teilbereichen weiter beschleunigen. Für Deutschland wird das definitiv Chancen bieten.
Welche Herausforderungen bietet gerade der deutsche Markt?
Vogel: Er ist natürlich nach wie vor sehr fragmentiert, es gibt viele Spieler und es werden laufend mehr. Das unterscheidet uns von der Schweiz. Und: Der Markt ist ziemlich groß. Ich gehe aber fest davon aus, dass er sich konsolidiert.
Werden einige der neuen Spieler wieder verschwinden?
Vogel: Ich gehe in erster Linie davon aus, dass wir Marktanteile gewinnen können. Ob und wie einzelne Spieler verschwinden, kann ich nicht beurteilen. Europaweit sind wir Marktführer, das müssen wir aber nicht in jedem Land einzeln auf Volumenseite schaffen. In Deutschland wäre das vermessen.
Einige Kunden buchen ja gar nicht bei der UBS Europe, sondern bei der Schweizer Mutter. Konkurrenz im eigenen Haus?
Vogel: Das ist ein wichtiger Punkt, denn: Die Kunden können komplett hier oder komplett in der Schweiz gebucht und betreut werden, oder aber zum Teil in der Schweiz gebucht und hier betreut werden. Wir wären in Deutschland nicht so erfolgreich, wenn wir keine Schweizer Bank wären. Insofern sehe ich das nicht als Konkurrenz, sondern als zusätzlichen Wachstumshebel.
Mit welchen Kunden fühlt sich die UBS hier am wohlsten?
Vogel: Wealth Management fängt für uns bei einer Million Euro an, aber unser Fokus liegt auf dem High-net-worth-Segment und auf Vermögen darüber. Was nicht heißen soll, dass wir eine dogmatische Sicht auf Einstiegsgrößen haben.
Warum dann der Fokus auf das HNW-Segment?
Vogel: Wir haben Produkte und Dienstleistungen, die sich nicht fürs Massengeschäft eignen. Viele davon erfordern eine gewisse Professionalität auf Kundenseite, sind nicht auf kleinere Vermögen ausgelegt. Insofern ergibt diese Fokussierung für uns Sinn.
Braucht es die in Deutschland verbliebenen sechs Standorte für diese Fokussierung und Ihr Geschäft?
Vogel: Auf jeden Fall. Deutschland ist kein zentralisiertes Land, das Vermögen ist verteilt. Wir fühlen uns mit dem Netzwerk von sechs Niederlassungen sehr wohl. Es ist uns wichtig, lokal präsent zu sein und keine weiten Wege zu den Kunden zu haben.
Anpassungen gab es trotzdem. Sie haben für die deutschen Niederlassungen eine zusätzliche Führungsebene geschaffen und mit Philipp Neuhofen besetzt. Warum die zusätzliche Ebene?
Vogel: Ich möchte sicherstellen, dass im deutschen Markt jemand das HNW- und Affluent-Geschäft mit voller Aufmerksamkeit managt – Philipp Neuhofen übernimmt diese Funktion. Schließlich habe ich im Wealth Management nun zusätzliche Verantwortung für Deutschland, Italien und Frankreich. Hierzulande gehört das HNW- und Affluent-Marktgeschäft in sechs Regionen dazu, aber eben auch Finanzintermediär- und das Lateinamerika-Geschäft sowie Global Family & Institutional Wealth.
„Die persönliche Beratung durch Experten bleibt die Basis für gute Vermögensverwaltung.“
Wo sehen Sie auf Produktseite noch Potenziale?
Vogel: Wir haben keine großen Lücken in unserem Angebot, einige kleinere werden durch die Übernahme geschlossen. Vielmehr geht es darum, die vorhandenen Potenziale zu nutzen, beispielsweise im Private-Markets-Bereich, der in den vergangenen Monaten einer unserer größten Wachstumstreiber war. Als einer der wenigen Vermögensverwalter können wir selbst Privatkunden in diesem Bereich einen institutionellen Investitionsansatz bieten, der sonst nur für große Player wie Pensionskassen oder Staatsfonds investierbar wäre. Das gelingt vor allem durch Partnerschaften wie mit der Partners Group. Wir arbeiten aber auch kontinuierlich an digitalen Angeboten über alle Segmente hinweg.
Das machen andere Banken auch. Die Volumina bleiben aber gering. Wird Digitalisierung zu schnell mit Skalierung verwechselt?
Vogel: Uns ist individuelle Betreuung wichtig. Aber Bedürfnisse ändern sich. Wir müssen die richtige Balance finden – von vollständig persönlich bis digital gestützt – unabhängig von der Vermögensgröße. Mit dem My-Way-Mobile-Angebot können Kunden etwa auf ihrem Smartphone eigenständig Portfolio-Umschichtungen vornehmen. Das ist schon etwas sehr Individuelles. Die persönliche Beratung durch Experten bleibt die Basis für gute Vermögensverwaltung. Deswegen gibt es auch keinen Robo-Advisor von der UBS.
Über den Interviewten:
Tobias Vogel ist seit Juli 2023 Vorstandsvorsitzender der UBS Europe, die ihren Sitz in Deutschland hat und zu der auch das hiesige Wealth Management der UBS gehört. Tobias Vogel war seit 2019 Mitglied des Vorstands der UBS Europe und Chef des Investmentbankings und Wealth Management Deutschland. Seine Laufbahn bei der Bank begann bereits 2004.