Die Kapitalmärkte sortieren sich neu – nicht zuletzt wegen der erratischen Zollpolitik der Regierung Trump. Zölle schaden grundsätzlich der Wirtschaft. Die Gefahr einer weiteren Eskalationsspirale wächst, wenn die US-Regierung an den aktuellen Plänen festhält. Gegenzölle sind wahrscheinlich, teure Neujustierungen der Lieferketten kennen fast nur Verlierer.
Entscheidend wird sein, welches Szenario sich durchsetzt: Ein Nichtkompromiss mit hohen Zollsätzen würde die Weltwirtschaft schwer stören und eine stark risikodefensive Positionierung nahelegen. Die laufenden Verhandlungen deuten jedoch auf ein Kompromiss-Szenario hin, in dem die Zollankündigung primär als Verhandlungsbasis dient und einzelne Zolllasten auf weniger schädliche Sätze sinken könnten. Nach den bereits erfolgten Marktverwerfungen würde dieses Szenario Chancen eröffnen.
Diese Länder könnten profitieren
Zu möglichen Gewinnern der US-Zollarchitektur gehören Vermögenswerte aus Ländern, die nur mit dem „Basissatz“ belastet sind. Sie könnten sich zu relativen Export-Profiteuren gegenüber ihren Wettbewerbern mit höheren Zollsätzen entwickeln. Dazu zählen etwa Großbritannien, Brasilien, Kolumbien oder Argentinien.
US-Technologiekonzerne besonders verwundbar
Die US-Technologiekonzerne stehen im Zollkonflikt besonders unter Druck. Die USA erwirtschaften bei Dienstleistungen mit vielen Regionen vor allem durch Technologie-Export einen Überschuss. Denkbare Gegeninstrumente, die die US-Technologieunternehmen ins Visier nehmen könnten (wie eine „Digitalsteuer“), sind der offenkundigste Angriffspunkt.
Zudem produzieren einige Tech-Unternehmen, wie auch die Textilindustrie und Sportartikelhersteller, einen großen Teil ihrer Waren in Hochzollgebieten wie China oder Vietnam. US-Unternehmen aller Branchen müssen mit deutlichen zollinduzierten Kostensteigerungen rechnen, beispielsweise aus dem Einkauf von Gütern zur heimischen Weiterverarbeitung wie Halbleiter. Dies erhöht den Druck auf ihre Gewinnmargen.
Greift das Kompromiss-Szenario, liegt speziell für einige defensive, hochqualitative US-Unternehmen in den Bereichen Industrie, Konsum, Gesundheit oder Infrastruktur der Fokus aber nun eher auf den Chancen. Bleibt die Weltwirtschaftskrise aus und können die Freihandelserrungenschaften weitgehend erhalten bleiben, eröffnen sich aktuell in einigen Unternehmen ansprechende Bewertungen.
Diese US-Sektoren könnten gewinnen
Von den Reshoring-Bestrebungen der Trump-Administration könnten US Small Caps profitieren – vor allem aus den Sektoren Industrie, Grundstoffe, Maschinen, Werkzeuge, Infrastruktur, Transport und Logistik.
Mittel- bis langfristig ist zu vermuten, dass die Zölle vielen globalen Unternehmen kraftvolle Argumente an die Hand geben, ihre Produktion tatsächlich in die USA zu verlagern und in von Zollaufschlägen freie Produktionskapazitäten zu investieren. Grundsätzlich führt an den USA aus Anlegersicht weiterhin kein Weg vorbei: Investoren- und wirtschaftsfreundlichere Standortbedingungen (niedrige Energiekosten, geringe Regulierungs- und Steuerlasten, tiefe, liquide Kapitalmärkte) gleichen vielfach nennenswert den zu erwartenden Margendruck aus.
US-Staatsanleihen: Sparmaßnahmen könnten Zinsen senken
US-Staatsanleihen stehen aktuell im Spannungsfeld verschiedener Faktoren. Einerseits üben kurzzeitige Teuerung durch Zölle, eine anhaltend restriktive Notenbank und der strukturelle Wegfall ausländischer Nachfrage seit den Russlandsanktionen Aufwärtsdruck auf die Renditen aus. Andererseits wirken auch rentenpositive Aspekte.
Besonders die von Finanzminister Bessent angekündigte „Detox-Periode“ mit Sparmaßnahmen, Rückführung des Fiskaldefizits und geringeren Staatsausgaben sollte Zinsrückgänge unterstützen. Auch die wachstumsbremsenden Effekte der Zollpolitik (Konsum- und Investitionszurückhaltung, schwächere Arbeitsmärkte) eröffnen Abwärtspotenzial bei den US-Zinsen. Insgesamt locken US-Anleihen Investoren derzeit mit historisch und international vergleichsweise hohen, positiven Realzinsen.
Euro wertet überraschend auf
Der Euro wertete nach dem 2. April deutlich auf. Bereits im Januar war die Parität zum US-Dollar in Sichtweite geraten. Im April übersprang die Gemeinschaftswährung kurzzeitig die Marke von 1,15 US-Dollar.
Mit nachlassender Unterstützung aus dem Zinsdifferential im Falle sinkender US-Zinsen könnte der US-Dollar gegenüber dem Euro weiter abwerten. Die „Physik“ wirkt gegen den teuren US-Dollar, dessen Kaufkraftparitäten deutlichen Spielraum für Abwertungen zeigen. Euro und Yen sind ihren fundamentalen Bewertungen nach hingegen unverändert günstig.
Europäische Aktien ziehen Kapital an
Eine Chance für internationale Märkte könnte in einem durch die US-Abschottung erzwungenen Reformkurs liegen. Eine stärkere Orientierung am Freihandel der Zoll-Leidtragenden untereinander oder eine lockerere Fiskal- und/oder Geldpolitik könnten die Märkte positiv aufnehmen.
Europäische Aktien sind günstiger bewertet und zeigten im Rahmen der „Großen Rotation“ seit Jahresbeginn 2025, dass sie Kapital von asiatischen Investoren anziehen können. Diese kehren aktuell den US-Märkten in einem selten zuvor gesehenen Tempo den Rücken. Greifen ab 2026 konjunkturstützende Maßnahmen der Schuldenpakete, könnten günstige „Bewertungsoptionen“ in vielen europäischen Aktien schnell „ins Geld kommen“.
Ist Gold bereits zu teuer?
Der Goldpreis eilt von Rekordhoch zu Rekordhoch. Die unverändert hohe Nachfrage asiatischer Notenbanken stützt den Preis. Diese haben kaum Alternativen, ihre erwirtschafteten, strukturellen Überschüsse sicher zu investieren. Der Vertrauensverlust in US-Staatsanleihen nach den Russlandsanktionen 2022 bleibt wohl ein irreversibler Strukturbruch.
Viele Notenbanken in den Schwellenländern sind noch weit von realistisch scheinenden Zielbeständen in Gold entfernt. China hält Schätzungen zufolge gerade einmal 10 Prozent seiner Reserven in Gold. Zum Vergleich: Deutschland und die USA liegen näher an 70 Prozent der Währungsreserven.
Mit der jüngsten Preisdynamik stellt sich die Frage, ob das Edelmetall seine Rekordjagd fortsetzen kann. Die langfristig reale Ertragserwartung an den Goldpreis liegt realistisch bei null – das Edelmetall soll „lediglich“ Kaufkraft erhalten. Diese Bedingung erfüllt Gold, wenn die nominale Preisentwicklung mit der Geldmengenausweitung Schritt hält und so den resultierenden Kaufkraftverlust der Währung ausgleicht. Gold bleibt daher ein alternativloser Grundbaustein und Stabilitätsanker im Portfolio.
Gold ist frei von Zollsorgen und im Kontext der aktuellen Handelskonflikte möglicherweise sogar antifragil: Sollte etwa China als Vergeltungsmaßnahme gegen US-Zölle seine US-Staatsanleihen verstärkt verkaufen und stattdessen Goldbestände konsequenter aufbauen, würde sich die zuletzt hohe Nachfragedynamik noch weiter erhöhen.

Insgesamt erfordert die aktuelle Situation eine stärkere Differenzierung in der Vermögensanlage. In der Portfoliokonstruktion gilt es, breitere Renditequellen zu aktivieren und die Risikoprämien untereinander aktiv zu steuern. Fleißarbeit dürfte künftig wieder stärker belohnt werden als in den vergangenen Jahren.
Über den Autor:
Bernhard Matthes leitet seit 2007 das Asset Management der Bank für Kirche und Caritas (BKC) in Paderborn und ist unter anderem verantwortlich für den Stiftungsfonds BKC Treuhand Portfolio. Darüber hinaus betreut er Stiftungen und kirchliche Institutionen im Rahmen von Spezialfonds- und individuellen Vermögensverwaltungsmandaten.