Wie „Long-Duration-Renten“ werden „Long-Duration-Aktien“ bei höheren Renditen und verbesserten Konjunkturerwartungen getroffen. Denn zum einen verschlechtert sich in Bewertungsmodellen der Abzinsungsfaktor, mit dem der Gegenwartswert von zukünftigen Gewinnen berechnet wird – was dann zu einer mathematischen Verminderung des Fair Value führt. Zum anderen verbessert sich die relative Attraktivität konjunktursensitiver Investments – zum Beispiel zyklischen Unternehmen.
Die Aktien von großen und hochkapitalisierten Unternehmen waren die Favoriten des Börsenbooms in den 90er Jahre, der mit dem der Internetblase im Jahr 2000 endete. Sowohl in Europa wie auch in den USA gab es seitdem eine deutlich bessere Performance von kleinen und mittleren Unternehmen.
Repräsentativ für diese Entwicklung werden in folgender Darstellung die relative Performance des Stoxx Europe Mid 200 zum Stoxx Europe Large 200 gezeigt.
Seit circa drei Jahren in den USA und seit vergangenem Sommer auch in Europa ist erkennbar, dass kleine und mittlere Unternehmen in ihrer relativen Performance wieder etwas zurückfallen. Dies dürfte damit zu tun haben, dass viele wachstumsstarke Small Caps inzwischen sehr hoch bewertet sind, während große „Old Economy“-Unternehmen, die gerade in Europa die Large-Cap-Indizes dominieren, ein im historischen Vergleich äußerst niedriges Bewertungsniveau haben.
Beständigkeit und Unempfindlichkeit gegenüber Marktsentiment-Schwankungen sind normalerweise Qualitäten eines erfolgreichen Langfristanlegers. In Zeiten des Wandels muss man aber aufpassen, dass man nicht den Anschluss verliert. Denn Unternehmen mit lange bewährten Geschäftsmodellen werden oft etwas träge – und können auf einmal von Gewinner zum Verlierer werden. Hingegen drängen viele neue Firmen in den Vordergrund, die neue Märkte erschließen und ihren Anlegern große Chancen eröffnen.
Eine kritische Überprüfung bisheriger Erfolgsbringer ist deshalb im aktuellen Umfeld für Investoren genauso unerlässlich wie die Suche nach den Gewinnern von Morgen. Der starke Zuwachs von kreativen Buchführungstechniken sowie das Abstellen der Ertragsberichterstattung vieler Firmen auf (oftmals geschönte) „adjustierte“ Gewinne zeigen, dass viele der etablierten Börsenstars von heute ihr Heil eher in Bilanztricks als in operativen Anpassungen an das veränderte wirtschaftliche Umfeld suchen. Damit werden sie jedoch nicht weit kommen.
Unterziehen Sie deshalb Ihr Anlage-Portfolio einem gründlichen Frühjahrsputz – und sortieren insbesondere die Titel aus, die an der Oberfläche vielleicht noch glänzen, innerlich aber längst angefangen haben, zu faulen. Starke Verschuldung, aggressive Gewinnberichterstattung, überoptimistische Analystenstudien oder sehr hohe Bewertungen sind Warnzeichen, die man in der aktuellen Börsenphase nicht ignorieren sollte. Gerade im Technologie- und im Pharmasektor gibt es viele bei Anlegern populäre Firmen, die ihre Erträge mit Bilanzkosmetik stark aufgehübscht haben. Qualitätsaktien von zyklischen Unternehmen beziehungsweise des Finanzsektors werden hingegen vielfach noch stark unterschätzt.
Über den Autor:
Karl-Heinz Thielmann ist Vorstand von Long-Term Investing Research – Institut für die langfristige Kapitalanlage.