private banking magazin: Seit 15 Jahren berechnet Infront Quant mehrere Zertifikate-Indizes, um den Markt transparenter zu machen. Wie fällt die Bilanz aus?
Mark Seeber: Jeglicher Schritt zu mehr Transparenz, sei es Risiko, Kosten oder Performance ist aus unserer Sicht ein richtiger Schritt. Durch das Abbilden der realisierten Performance der Zertifikate in unterschiedlichen Marktphasen haben die Indizes sicher einen positiven Beitrag geleistet. Wir haben damals die Indizes ins Leben gerufen, um gleich in mehrfacher Hinsicht für Transparenz bei strukturierten Produkten zu sorgen. Transparenz hat mehrere Dimensionen: Zum einen ging es um die Funktionsweise der Zertifikate, beispielsweise Discount-Zertifikat versus Kapitalschutz-Zertifikat und deren Verhalten in unterschiedlichen Marktgegebenheiten. Zum anderen ging es darum, bei der Fülle an Instrumenten ein Performance-Maß zu finden, das „den“ Markt widerspiegelt.
Wobei der Markt ja aus Produktgebern und Investoren besteht.
Seeber: Genau, und daher bildet der Index, basierenden auf dem tatsächlich investierten Zertifikate-Volumen – unterteilt nach Ausstattungsmerkmalen wie Restlaufzeit und Cap– repräsentativ mit monatlich wechselnden 20 Wertpapieren den Markt ab. Somit geben die Indizes auch eine Antwort auf die Frage, wie passiv oder offensiv der Markt investiert war. Die Indizes haben mit einer Historie von nun mehr 15 Jahren viele Marktphasen abgebildet und haben unseres Erachtens zur Transparenz beigetragen.
Seit Start schneiden die Indizes besser ab als der breite Markt, repräsentiert durch den Kursindex des Euro Stoxx 50, bei einem geringeren Risiko. Spannendes Einzelinvestment oder auch sinnvoll im Portfoliomanagement?
Seeber: Es ist auf jeden Fall ein Hinweis darauf, dass strukturierte Wertpapiere ein sinnvoller Baustein bei der Vermögensverwaltung sein können. Wichtig ist dabei immer, dass die Wertpapiere und deren Funktionsweise verstanden werden. Mit diesem Wissen und dem gezielten Einsatz zum Beispiel zur Risikoreduktion eines Basiswerts, können Zertifikate einen guten Beitrag beim Vermögensaufbau leisten.
Erstaunlich ist die Entwicklung des Kapitalschutz-Index, der mit einem Plus von mehr als 60 Prozent seit Auflegung Anfang 2006 deutlich besser performte als der Euro-Stoxx-50-Index mit einem Minus von 0,9 Prozent im gleichen Zeitraum. Wie ist das zu erklären?
Seeber: Das ist vor allem auf zwei Effekte zurückzuführen: Zum einen lag der Euro Stoxx 50 im Jahre 2006 auf einem ähnlichen Kursniveau wie heute. Insbesondere die Finanzkrise 2008 hat zu massiven Kursrückgängen geführt, die damals in den Kapitalschutz-Produkten nahezu vollständig abgefangen wurde. Die darauffolgenden Jahre waren dann zum anderen maßgeblich von Zinssenkungen geprägt. Diese führten gerade im Bereich der Kapitalschutz-Zertifikate mit typischerweise langen Restlaufzeiten zu Kurssteigerungen, die somit in Kombination mit dem Kapitalschutz-Effekt aus 2008 zu dieser erstaunlichen Outperformance resultieren. Dies kann sich natürlich auch wieder umkehren, sollten zum Bespiel Zinssteigerungen stattfinden. Dann wären Kapitalschutz-Zertifikate durch die lange Laufzeit auch eher betroffen als beispielsweise Discount-Zertifikate und würden, nur durch diesen Effekt, einen Kursverlust erleiden.
Langfristig am renditeträchtigste sind Discount-Strategie mit einer durchschnittlichen Wertentwicklung pro Jahr von 3,4 Prozent.
Seeber: Hinter Zertifikaten steht in der Regel eine definierte Investment-Strategie. Bei Discount-Zertifikaten ist es etwa die von professionellen Anlegern angewendete Covered-Call-Strategie. Diese ist besonders effektiv in leicht steigenden, leicht fallenden oder seitwärts tendierenden Märkten und dient der Verringerung des Risikos. Dies stellt sich beim Discount-Zertifikat wie folgt dar: Das Discount-Zertifikat liegt im Kaufpreis unter dem Kaufpreis des Basiswerts, durch den Discount. Der Discount ermöglicht es Anlegern, auch bei leichten Kursrückgängen im Basiswert noch eine positive Rendite erzielen zu können. Dies hat einen risikoreduzierenden Charakter für den Anleger, auch wenn Zertifikate als Inhaberschuldverschreibungen einem Ausfallrisiko des Emittenten unterliegen. Für diese Absicherung verzichtet der Anleger jedoch auf die Teilhabe an signifikanten Kurssteigerungen, er partizipiert nur bis zum sogenannten Cap.
In stark steigenden Marktphasen, wie wir sie teilweise gesehen haben, dürfte sie doch eigentlich hinterherhinken.
Seeber: Und dennoch haben Discount-Zertifikate in den vergangenen 15 Jahren viele längere Marktphasen erfahren, bei denen diese Zertifikate-Gattung ihre Stärken ausspielen und somit eine positive Rendite und Outperformance gegenüber dem Euro Stoxx 50 Index erzielen konnte.
Über den Interviewten:
Mark Seeber ist Vorstand der Infront Quant, einem Regtech-Dienstleister, der auf unabhängige Bewertungen und regulatorischer Kennzahlenberechnungen nach Vorgaben wie Priips und Mifid II spezialisiert ist. Für das Unternehmen der VWD-Gruppe ist Seeber bereits 2008 tätig. Seit 2018 gehört er dem Vorstand mit dem Fokus auf Vertrieb und Produktmanagement an.