Exklusive App Soziales Netzwerk Tiger 21 lockt Hochvermögende an

Der tschechische Milliardär Andrej Babis (links) posiert mit einem Tiger: Im Netzwerk Tiger 21 tauschen sich Milliardäre und Multimillionäre untereinander aus.

Der tschechische Milliardär Andrej Babis (links) posiert mit einem Tiger: Im Netzwerk Tiger 21 tauschen sich Milliardäre und Multimillionäre untereinander aus. Foto: Imago Images / CTK Photos

Im Jahr 1986 erscheint am 28. November in der New York Times ein unscheinbarer Artikel, überschrieben mit einer in Großbuchstaben gehaltenen Überschrift:

„JERSEY WATERFRONT PROJECT SOLD FOR $120 MILLION“

Darunter, in einer kurzen Meldung, können die New Yorker lesen, dass eines der damals ambitioniertesten Immobilienprojekte ihrer Stadt verkauft wurde. Und sie können lesen, dass der bisherige Entwickler Michael W. Sonnenfeldt und sein Geschäftspartner 120 Millionen US-Dollar dafür erhalten.

Cash Event ist Ursprung von Hochvermögenden-Netzwerk

Seit der Schlagzeile ist eine Menge Zeit vergangen. Der Komplex in Jersey ist mittlerweile mehrere hundert Millionen Dollar wert. Und der ehemalige Eigner Michael W. Sonnenfeldt scheint einen ganz anderen Weg eingeschlagen zu haben: Er gründete ein Soziales Netzwerk. Dass Sonnenfeldt Tech-Unternehmer geworden ist, hängt aber eng mit seinem ehemaligen Bürokomplex in Jersey zusammen.

Denn in Sonnenfeldts Netzwerk mit dem Namen Tiger 21 tummeln sich Mitglieder, die wie Sonnenfeldt ein beträchtliches Vermögen angehäuft haben. Und diese Mitglieder diskutieren dort Themen, die mit dem Vermögen einhergehen. Dass es für so etwas einen Bedarf gibt, erfährt Sonnenfeldt beim Verkauf der schon genannten Immobilie. Denn er und sein Geschäftspartner renovierten den Komplex vor dem Verkauf ohne viel Kapital. „Harborside, from day one, was a project that was done without sufficient capitalization“, heißt es im Artikel der New York Times. Mit dem Verkauf wird Sonnenfeldt also plötzlich zum Multi-Millionär. Er erlebt unvorbereitet das, was Berater in der Private-Wealth-Branche gerne als „Cash Event“ bezeichnen.

 

Und weil Sonnenfeldt nicht recht weiß, wie er nach dem Event mit dem Cash richtig umgehen soll, gründet er einige Jahre später eben Tiger 21. Allerdings noch ganz undigital. Tiger 21 ist zur Jahrtausendwende bloß eine Gruppe aus insgesamt sechs Unternehmern, die wie Sonnenfeldt zuvor ihre Beteiligungen verkauft haben. Ihr Wunsch ist, das eigene Vermögen möglichst gut zu erhalten.

Blick auf Harborside Plaza in Jersey: Einen Teil der Immobilien verkaufte David Sonnenfeldt mit seinem Geschäftspartner für eine dreistellige Millionensumme – einige Jahre später gründete Sonnenfeldt ein Netzwerk für Hochvermögende.
Blick auf Harborside Plaza in Jersey: Einen Teil der Immobilien verkaufte David Sonnenfeldt mit seinem Geschäftspartner für eine dreistellige Millionensumme – einige Jahre später gründete Sonnenfeldt ein Netzwerk für Hochvermögende. © Imago Images / Pond5 Images

Genauso wie Sonnenfeldt und die anderen sechs Unternehmer diesen Wunsch haben, hegen ihn auch andere. Aus dem Stammtisch entwächst im Laufe der Jahre erst ein regionales, dann ein nationales Netzwerk. Mittlerweile ist Tiger 21 international aufgestellt: In weltweit 53 Städten organisieren sich 123 Gruppen, in denen über 1.450 Hochvermögende über die Themen sprechen, die Sonnenfeldt nach seinem Immobilienverkauf umtrieben.

Und natürlich hat sich auch der einstige Stammtisch digitalisiert. Mittlerweile ist Tiger 21 eben ein veritables Soziales Netzwerk. T21 Connect heißt die entsprechende App, im App Store für Android wird die Zahl der Downloads mit gerade mal über 100 angegeben. Auf Apple hat bisher ausschließlich ein verlorener Nutzer die App bewertet. Mit 5 Sternen. Immerhin. Eine der exklusivsten Apps dürfte T21 Connect trotzdem sein.

Fünf Regeln für die Mitglieder von Tiger 21

Dass die App und das Netzwerk möglichst exklusiv bleiben, regelt Tiger 21 mit Vorgaben, die in abgewandelter Form auch aus einem britischen Gentlemen's Club stammen könnten. Fünf Kriterien müssen Personen erfüllen, wenn sie Teil des Netzwerks werden wollen:

  1. Alle Mitglieder sollen höchste Integrität und Ethik vorweisen können. Deshalb prüft das Netzwerk alle Kandidaten mit Background Checks und Interviews.
  2. Alle Mitglieder müssen Wissen, Erfahrung und Interesse mitbringen, um einen der Plätze im Netzwerk zu erhalten
  3. Alle Mitglieder müssen monatlich Zeit haben, um an den Tiger-21-Treffen teilzunehmen.
  4. Für alle Mitglieder gilt Vertraulichkeit, ein Abwerbeverbot sowie ein Transparenz- und Partizipationsgebot.
  5. Alle Mitglieder müssen ein Vermögen von mindestens 20 Millionen US-Dollar halten.

Die Vermögensgröße ist natürlich das, was aus der App eine exklusive App macht. Rechnet man bloß das Mindestvermögen pro Mitglied auf die derzeit ausgewiesenen 1.450 Tiger-21-Teilnehmer hoch, landet man bei einem Vermögen von schon 29 Milliarden Dollar. Das insgesamt hinter Tiger 21 stehende Kapital dürfte deutlich über dieser Summe liegen. Es kursieren Zahlen, die das durchschnittliche Vermögen der Mitglieder auf 110 Millionen Dollar taxieren – was das Gesamtvermögen des Netzwerks auf 159,5 Milliarden Euro vervielfachen würde.

Und viel spricht dafür, dass das Netzwerk weiter wächst. Laut Tiger 21 hat sich die Zahl der Mitglieder in den vergangenen 10 Jahren verfünffacht. Den Grund erklärt Sonnenfeldt selbst in einem Artikel der „NZZ“: Das Netzwerk sei einer von nur wenigen Räumen, in denen sich die Hochvermögenden privat, auf Augenhöhe und vertraulich austauschen könnten. Der kanadische Immobilieninvestor Nick Bakish gibt ähnliche Gründe zum Besten. „Diese völlig vertrauliche Gruppe, in der man sich öffnen kann und ehrliches Feedback erhält, ist eine unglaubliche Erfahrung“, bilanziert Bakish öffentlich sichtbar auf der Internetseite von Tiger 21.

 

Berufliche Themen? Sind Tabu. Stattdessen vernetzen sich die Mitglieder von Tiger 21 über die App, treffen sich zu Freizeitveranstaltungen. Die lokalen Gruppen organisieren Workshops, diskutieren Themen wie Nachfolgeplanung, Vermögenserhalt, Steuerthemen oder aber auch Gesundheit, Wellness und Reisen. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass mit steigendem Vermögen auch die Zahl derer steigt, die sich an diesen Vermögen bereichern wollen. Manche mit weniger, andere mit mehr fragwürdigen Methoden.

Bekannt sind natürlich Veranstaltungen für Unternehmerfamilien, zu denen etwa Banken, Mediatoren oder Beratungsunternehmen laden – mit den entsprechenden Motiven dahinter. Manch vermeintlicher Netzwerker geht dreister vor. Ende 2022 wurde beispielsweise bekannt, dass ein Veranstalter von angeblich hochkarätigen Family-Office-Veranstaltungen jahrelang Gäste und auch Kunden hinters Licht führte, um sich selbst übermäßig zu bereichern. Die falschen Geschichten flogen auf, die Veranstaltungen verschwanden. Für Tiger 21 ist eine ähnliche Wendung – zumindest bisher – nicht absehbar.

Bisher keine Gruppe von Tiger 21 in Deutschland – aber in der Schweiz

Die grundsätzliche Skepsis der Hochvermögenden befeuern solche Geschichten aber wohl eher. Selbst gegenüber der eigenen Verwandtschaft hegen Hochvermögende eine gewisse Skepsis, wie etwa eine Umfrage der UBS zeigt: Fast 30 Prozent der befragten Milliardäre befürchten, dass Familienmitglieder ein Anrecht auf das Vermögen verspüren, obwohl sie es sich nicht erarbeitet haben. Im Tiger-21-Netzwerk soll das anders sein. So zitiert das Netzwerk auf einer Internetseite den Investor Brian Rosen: „Die Menschen am Tisch sind wirklich wertvolle Berater, unbezahlte Vorstandsmitglieder.“

 

Bisher wächst das Netzwerk also weiter. Während der Ursprung von Tiger 21 gemäß Sonnenfeldts Geschichte in New York und damit in den USA liegt, gibt es mittlerweile auch in Europa mehrere Gruppen. In London zum Beispiel, in Portugal und in der Schweiz: Dort leitet etwa Eric Sarasin eine der Gruppen. Sarasin war einst stellvertretender Chef der jetzigen Bank J. Safra Sarasin, an der die Sarasin-Familie jahrelang beteiligt war. Er gilt als gut vernetzt, berät unter anderem auch Family Offices, spricht hin und wieder in der Öffentlichkeit.

In Deutschland gibt es ein Äquivalent zu Sarasin bisher noch nicht. Zwar finden sich auf der Internetseite von Tiger 21 schon Einträge zu Gruppen in Berlin, Frankfurt und München. Einen Gruppenleiter sowie genug aktive Mitglieder hat das Netzwerk hierzulande jedoch nicht.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?
Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen