Thomas Davis im Gespräch „Wirecard konnte keine Klarheit schaffen”

Seite 2 / 2

Dürfte der Growth-Ansatz in der aktuell Spätphase des Markts nicht bald an seine Grenzen stoßen?

Davis: Growth als breiter Anlagestil wird möglichweise Probleme bekommen, wenn das weltweite Wachstum abflaut. Aber der Growth-Ansatz ist kein einheitliches Konzept. Wenn Unternehmen es unabhängig von geringeren Wachstumtrends schaffen, auf dem neusten Stand zu bleiben, unseren Alltag mit neuen Produkten effizienter zu machen oder die Zusammenarbeit mit neuen Dienstleistungen produktiver zu gestalten, werden sie weiter eine gesunde Kundennachfrage und Umsatzwachstum haben. Nach solchen Unternehmen suchen wir.

Wachstum ist nicht gleich Wachstum. Warum gilt es, sich zu fokussieren und nicht zu diversifizieren?

Davis: Wenn Sie ein Growth-Portfolio mit 100 bis 500 Wachstumstiteln kaufen, befinden sich darin Unternehmen mit einem breiten Spektrum an Wachstum. Einige wachsen rasant, andere weniger. Ist zum Beispiel Cisco ein Growth-Titel? Absolut. Das Unternehmen war aber vor rund 20 Jahren auf dem neuesten Stand und ganz vorn dabei. Je breiter der Growth-Ansatz, desto mehr Unternehmen mit geringem Wachstum sind im Portfolio.

Welche Wachstumsraten müssen Unternehmen für das Portfolio mitbringen?

Davis: Wir suchen Unternehmen, die zweistellig pro Jahr wachsen. Einige unserer Investments wachsen zurzeit mit 40, 60 und sogar 80 Prozent jährlich. Dadurch besteht unser globales Investment-Universum aus wenigen Hundert und nicht mehreren Tausend Unternehmen wie bei der Benchmark. Wir sind wählerisch bei der Auswahl der Unternehmen, mit denen wir uns überhaupt ernsthaft als mögliche Portfoliokandidaten auseinandersetzen.

Welche der jüngsten Investments liefen wie versprochen?

Davis: Adyen, ein niederländischer Zahlungsdienstleister, hat sich für uns wirklich ausgezahlt, ein echter Home-Run. Wir waren beim Börsengang im Juni 2018 dabei und haben das Unternehmen seitdem zu einer größeren Position ausgebaut. Schon vor dem Börsengang verfügte Adyen über eine erstklassige Liste an Kunden, größere Online-Anbieter wie Netflix und Uber. Adyen hat ein rein digitales Zahlungsverarbeitungssystem entwickelt, ausgerichtet auf das E-Commerce- und Internet-Zeitalter. Das Unternehmen ist einfach perfekt aufgestellt für den heutigen und zukünftigen Markt.

Welche Titel bereiteten Probleme?

Davis: Für ein paar Jahre war Wirecard eine schnell wachsende und sehr erfolgreiche Position im Portfolio. Im Januar kam es zu Vorwürfen einer unkorrekten Bilanzierung bei einer Tochter. Mit den damaligen Untersuchungen konnte das Management nicht viel Klarheit schaffen. Angesichts dieser erhöhten Unsicherheit und unserer Unfähigkeit, dies etwaige Problempotenzial einzuschätzen, passte das Risiko-Ertrags-Verhältnis für unser konzentriertes Portfolio nicht mehr. Bei der Portfoliokonstruktion halten wir uns an bestimmte Regeln: Bei grundlegenden geschäftlichen Bedenken, Management-Problemen oder Buchhaltungsfragen gehen wir schnell vor, die Position aufzulösen.


Über den Interviewten:

Thomas Davis ist Portfoliomanager des PGIM Jennison Global Equity Opportunities Fund (ISIN: IE00BYV6MS67). Er kam 2011 zur US-Investmentboutique Jennison, einer Tochter von PGIM Investments. Zuvor war Davis elf Jahre bei Loomis Sayles tätig.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen