Es ist passiert: Der Mandant ist tot. Was nun, fragt sich der Testamentsvollstrecker. Jetzt gilt: Es gibt viel zu tun. Packen wir es an. Doch womit fängt man an? Nach Eröffnung des Testaments sollte der Testamentsvollstrecker unverzüglich gegenüber dem Nachlassgericht die Annahme des Testamentsvollstreckeramts erklären. Diese sollte er sich schriftlich bestätigen lassen, und er kann diese Bestätigung als Legitimationsersatz nutzen.
Allerdings genießt die Annahmeerklärung als Legitimationsnachweis keinen öffentlichen Glauben. Insofern sollte der Testamentsvollstrecker unverzüglich das sogenannte Testamentsvollstreckerzeugnis beantragen, denn dieses genießt öffentlichen Glauben.
Zu erwähnen ist, dass es Fälle gibt, in denen darauf verzichtet werden kann. Ein solcher liegt vor, wenn sich der gesamte Nachlass, bestehend aus Konten und Depots, nur bei der Bank befindet, die gleichzeitig Testamentsvollstrecker ist. Das Zeugnis wird in der Regel auch nicht benötigt, wenn der Testamentsvollstrecker über eine transmortale Vollmacht verfügt. Außerdem sollten zunächst sämtliche Konten und Depots im eigenen Haus auf sogenannte Nachlasskonten und Nachlassdepots umgestellt werden.
Sofern der Testamentsvollstrecker nicht über eine entsprechende Vollmacht verfügt, kann er sich allerdings erst nach Erhalt des Testamentsvollstreckerzeugnisses legitimieren und uneingeschränkt für den Nachlass handeln. Da die Ausstellung des Zeugnisses häufig sechs Wochen oder länger dauert, stellt diese Phase, in der der Testamentsvollstrecker zur Untätigkeit verdammt ist, in vielen Fällen ein großes Risiko für den Nachlass dar.
Das lässt sich jedoch durch Vollmachten vermeiden. Grundsätzlich muss der Testamentsvollstrecker erst einmal vom Tod seines Mandanten erfahren. Um das zu beschleunigen, sollte man dem Kunden empfehlen, in seiner Brieftasche ein Kärtchen mitzuführen, in dem Ansprechpartner (in diesem Fall das Institut) mit Kontaktdaten genannt sind, die im Todesfall zu benachrichtigen sind.
Vollmacht als Lückenfüller
Damit der Testamentsvollstrecker sein Amt möglichst zügig nach Kenntnisnahme des Erbfalls antreten kann und auch sofort handlungsfähig ist, sollte er beim künftigen Erblasser darauf drängen, dass dieser ihm zusätzlich eine notarielle transmortale Generalvollmacht ausstellt.
Zu unterscheiden sind diesbezüglich die transmortale und die postmortale Vollmacht. Letztere gilt erst ab dem Tod des Vollmachtgebers. Damit ist der Nachweis dessen Todes zwingend, um diese zu nutzen. Die transmortale Vollmacht indes ist ab sofort über den Tod hinaus gültig und hilft, die Handlungsfähigkeit in der Zeit vom Tod des Mandanten bis zur Legitimation des Testamentsvollstreckers durch ein entsprechendes Zeugnis zu überbrücken.
Die transmortale Vollmacht ist der postmortalen vorzuziehen, da der Tod des Kunden nicht nachgewiesen werden muss. Das ist insbesondere von Bedeutung, wenn sich der Nachweis des Todes (zum Beispiel in Form einer Sterbeurkunde) verzögert, etwa weil der Kunde im Ausland verstorben ist.
Hinzu kommt ein internationaler Vorteil. Eine postmortale Vollmacht kann im Gegensatz zur transmortalen in vielen Ländern mangels rechtlicher Anerkennung nicht genutzt werden. Vollmachten über das Kundenvermögen zugunsten des verwahrenden Instituts werden unter Compliance-Gesichtspunkten allerdings von einigen kritisch gesehen.
Trotzdem ist eine transmortale Vollmacht zum Schutz des Nachlasses dringend zu empfehlen. Darüber hinaus sollte ein mit der Testamentsvollstreckung beauftragtes Institut so schnell wie möglich Kontakt mit den Erben aufnehmen. Um das zu erreichen, sollte man bereits im Vorfeld darauf drängen, neben dem Testament auch eine Liste mit Kontaktdaten der Erben und Vermächtnisnehmer zu erhalten.
Nach der Annahme des Amtes muss der Testamentsvollstrecker seine Aufgaben erfüllen. Seine zentrale Aufgabe ist, die letztwilligen Verfügungen des Erblassers auszuführen. Den konkreten Inhalt und Umfang seines Auftrags im Einzelfall bestimmt somit der Erblasser durch die Regelungen im Testament oder Erbvertrag.
Seine Aufgaben unterscheiden sich auch je nach Art der Testamentsvollstreckung. So unterscheiden sich die Aufgaben einer reinen Abwicklungsvollstreckung deutlich von denen einer Dauertestamentsvollstreckung. Hinsichtlich des Nachlassvermögens, dessen Eigentümer die Erben mit dem Erbfall geworden sind, hat der Testamentsvollstrecker die Stellung eines Treuhänders.
Ordnet der Erblasser lediglich eine Testamentsvollstreckung ohne weitere Bestimmungen an, so besteht die Aufgabe des Testamentsvollstreckers im Wesentlichen darin,
- die letztwilligen Anordnungen des Erblassers umzusetzen, insbesondere Vermächtnisse, Auflagen und Teilungsanordnungen, zu erfüllen,
- die Nachlassverbindlichkeiten zu begleichen,
- zeitnah ein Nachlassverzeichnis zu erstellen und dieses den Erben zuzusenden,
- bei mehreren Erben möglichst zeitnah den Nachlass auseinanderzusetzen und
- die Erbschaftsteuer sowie sonstige ausstehende Steuern des Erblassers zu begleichen.
In der Ausübung seines Amtes hat sich der Testamentsvollstrecker in erster Linie am wohlverstandenen Interesse des Erblassers zu orientieren. Er ist unabhängig, insbesondere von Weisungen der Erben, und genießt bei seinen Entscheidungen einen weiten Ermessensspielraum. Einer dauernden Aufsicht etwa durch das Nachlassgericht oder eine Behörde unterliegt er nicht.
Vielmehr ist es Sache der Erben, bei Verdacht von Pflichtverstößen gegen den Testamentsvollstrecker vorzugehen. In ihrem Interesse und zu ihrem Schutz legt das Gesetz dem Testamentsvollstrecker bestimmte Verhaltens- und Rechenschaftspflichten auf, insbesondere die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses gemäß Paragraf 2216 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Herr des Erbes
Der Testamentsvollstrecker hat den Nachlass in eigener Verantwortung und nach eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen zu verwalten. Dazu muss er den Nachlass in Besitz nehmen, das heißt, die tatsächliche Verfügungsgewalt darüber erlangen. Zu den Sicherungspflichten des Testamentsvollstreckers gehört es, eventuell bestehende Verträge zugunsten Dritter und Bezugsberechtigungen für Lebensversicherungen zu ermitteln und im Zweifelsfall zu widerrufen.
Soweit keine konkreten Anordnungen des Erblassers vorliegen, steht dem Testamentsvollstrecker ein weiter Ermessensspielraum zur Verfügung. Darüber hinaus ist er zur sogenannten ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses verpflichtet. Der Testamentsvollstrecker darf Verfügungen vornehmen, sofern diese nicht unentgeltlich sind, außer wenn dies einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entspricht.
Außerdem ist er auch berechtigt, Verbindlichkeiten für den Nachlass einzugehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich ist. Unterliegen der Testamentsvollstreckung Anteile einer Personengesellschaft, kann er auch ohne die Zustimmung der Gesellschaftererben Maßnahmen vornehmen, die sich auf den Kernbereich ihrer Mitgliedschaft auswirken, es sei denn, mit den betreffenden Maßnahmen wäre eine persönliche Haftung der Gesellschaftererben verbunden.
Zur Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft hat der Testamentsvollstrecker einen Auseinandersetzungsplan zu erstellen und die Erben vor Ausführung des Plans dazu anzuhören. Einer Zustimmung der Erben oder des Nachlassgerichts bedarf es jedoch nicht. Die Umsetzung des Plans nimmt der Testamentsvollstrecker durch Verfügungen über die einzelnen Nachlassgegenstände vor.
Anstelle des Auseinandersetzungsplans kann er auch einen Auseinandersetzungsvertrag mit den Erben vereinbaren. Sofern sich alle Vertragsparteien einig sind, können sie darin sogar vom Erblasserwillen abweichende Regelungen treffen. Aus Sicht des Testamentsvollstreckers hat der Auseinandersetzungsvertrag den Vorteil, dass er für ihn mit geringeren Haftungsrisiken verbunden ist.
Die Testamentsvollstreckung ist grundsätzlich beendet, wenn der Testamentsvollstrecker alle Aufgaben erfüllt hat. Je nach konkretem Einzelfall gilt es Besonderheiten zu beachten: Die Testamentsvollstreckung ist besonders gut zum Schutz schwacher und unerfahrener Erben geeignet. Als Gestaltungsinstrument ist sie deshalb bei minderjährigen, behinderten, überschuldeten oder wirtschaftlich unerfahrenen Erben ein besonders geeignetes Instrument.
Die Spezialfälle
Falls Minderjährige ein größeres Vermögen erben, obliegt die Vermögenssorge zwar grundsätzlich den Eltern, in der Regel wird jedoch vom Familiengericht ein Ergänzungspfleger bestellt. Das macht die Eltern diesbezüglich quasi handlungsunfähig. Vermeiden kann man die Bestellung des Ergänzungspflegers durch die Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung bis zu einem gewissen Mindestalter, zum Beispiel dem 30. Lebensjahr.
Konkret wird der Nachlassteil, der an die Kinder fällt, dann bis zum 30. Lebensjahr treuhänderisch vom Testamentsvollstrecker verwaltet. Besonders sinnvoll ist die Testamentsvollstreckung auch bei behinderten Kindern. Für solche Fälle wurde das sogenannte Behindertentestament entwickelt. In dessen klassischer Variante werden das behinderte Kind als Vorerbe und gesunde Geschwister als Nacherben eingesetzt.
Für das Vorerbe wird eine Dauertestamentsvollstreckung bis zum Tod des behinderten Vorerben angeordnet. Der Testamentsvollstrecker erhält dann den Auftrag, dem Vorerben aus dem Vermögen regelmäßig nicht pfändbare Sach- und Geldleistungen zukommen zu lassen. Dabei muss man darauf achten, dass die Erbquote des Vorerben über seinem Pflichtteil liegt.
Die Dauertestamentsvollstreckung verhindert, dass der Sozialhilfeträger und andere Gläubiger des Behinderten zu seinen Lebzeiten auf das Vorerbe zugreifen können. Durch die Anordnung der Nacherbschaft können die Gläubiger des Behinderten auch nach seinem Tod nicht auf das Vorerbe zugreifen, da es nicht in den Nachlass, sondern direkt an die Nacherben fällt.
Diese Kombination aus Vor- und Nacherbschaft sowie Dauertestamentsvollstreckung lässt sich auch bei überschuldeten Erben sowie Hartz-IV-Empfängern nutzen. Ein solches Testament wird als Bedürftigentestament bezeichnet. Im Gegensatz zur Behinderung kann es sich jedoch bei der Überschuldung oder dem Hartz-IV-Bezug um einen vorübergehenden Zustand handeln. Das sollte eine Gestaltung berücksichtigen.
Eine besondere Herausforderung für die Testamentsvollstrecker sind Auslandsbezug und unternehmerisches Vermögen. Da die Testamentsvollstreckung in diesen Bereichen besonders schwierig und komplex ist, haben viele Banken und Sparkassen, die grundsätzlich diese Dienstleistung anbieten, sich entschieden, solche Mandate nicht anzunehmen.
Da die größten Kunden jedoch meist unternehmerisches Vermögen und Auslandsbezug haben, kann die Testamentsvollstreckung in solchen Fällen besonders ertragreich sein. Dabei müssen einige Besonderheiten berücksichtigt werden. Im Unternehmensbereich ergeben sich je nach Rechtsform große Unterschiede für den Testamentsvollstrecker. Zunächst muss er prüfen, ob bestehende Gesellschaftsverträge eine Testamentsvollstreckung ausschließen oder zulassen.
Besonders wichtig ist hierbei die Rechtsform des Unternehmens. Während eine Kapitalgesellschaft und Kommanditanteile eine Testamentsvollstreckung relativ unkompliziert ermöglichen, ist sie bei einer Einzelfirma oder einer Personengesellschaft eine echte Herausforderung.
Bei Letztgenannten ergibt sich das Problem, dass der Einzelkaufmann oder Gesellschafter mit seinem gesamten Privatvermögen für unternehmerische Risiken haftet. Hier gibt es jedoch geeignete Lösungsansätze. Zu nennen sind bei einer Einzelfirma unter anderem Vollmachts-, Treuhand- und Weisungsgeberlösungen sowie beaufsichtigende Testamentsvollstreckung und die Umwandlungsanordnung.
Bei Personengesellschaften kommt eine Testamentsvollstreckung nur bei einer Nachfolgeklausel in Betracht. Unabhängig von der Rechtsform stellt sich jedoch bei Tod des Unternehmers eine besonders wichtige Frage: Wer soll das Unternehmen leiten? Das lässt sich am besten mit einem guten Interimsmanager lösen. Aufgrund dessen sollte jeder Testamentsvollstrecker Kontakt zu einer guten Interimsmanager-Agentur haben.
Komplexer geht’s immer
Eine ebenso große Herausforderung ist die internationale Testamentsvollstreckung. Grundvoraussetzung für die Anordnung der Testamentsvollstreckung ist, dass deutsches Erbrecht gilt. Aber selbst dann kann es Probleme geben. Insbesondere, wenn der Erblasser im Ausland lebte oder Auslandsvermögen vorhanden ist.
Die am 17. August in Kraft getretene EU-Erbrechtsverordnung dürfte die Abwicklung der Testamentsvollstreckung mit dem Europäischen Nachlasszeugnis in den teilnehmenden Staaten erleichtern. Grundsätzlich sollte der Erblasser den Testamentsvollstrecker bereits zu Lebzeiten mit umfangreichen Vollmachten ausstatten, die die nationalen Besonderheiten aller betroffenen Länder berücksichtigen.
Abschließend ist festzuhalten, dass Testamentsvollstreckung ein sehr interessantes, lukratives und komplexes Geschäftsfeld ist, das aber großes Fachwissen und Know-how erfordert.
Teil 1: Was es beim Geschäft mit der Testamentsvollstreckung zu planen gibt
Teil 2: Der Erfolg hängt von der Vergütungstabelle ab
Über den Autor:
Jörg Plesse ist Erb- und Stiftungsmanager mit mehr als 15 Jahren Berufspraxis. Er hat aus seiner Tätigkeit bei mehreren Privat- und Regionalbanken langjährige Erfahrung in den Bereichen Family Office, Wealth Management und Unternehmensnachfolgeberatung. Daneben arbeitet er als freiberuflicher Dozent und Fachbuchautor.