Taxonomie, Inflationsschutz und Co. Erneuerbare Energien: Diese vier Faktoren muss jedes Projekt erfüllen

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Taxonomie, Inflationsschutz und Co.
Erneuerbare Energien: Diese vier Faktoren muss jedes Projekt erfüllen
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Karin Kaiser von Greencoat Capital

Karin Kaiser von Greencoat Capital: „Diejenigen, die über die richtigen technischen Kenntnisse verfügen und in der Lage sind, die mit der Technologie und den vertraglichen und regulatorischen Strukturen verbundenen Risiken sachkundig einzuschätzen, können sich einen Vorsprung verschaffen und damit gleichzeitig zum Klimaschutz beitragen.“ Foto: Greencoat Capital

Die Energiewende muss Unternehmen bei der Transformation unterstützen und gleichzeitig Investoren gute Anlagemöglichkeiten bieten. Innerhalb des Infrastrukturuniversums sind erneuerbare Energien einer der am schnellsten wachsenden Bereiche. Der Marktwert ist allein in Europa bis 2030 auf über 1.000 Milliarden Euro zu schätzen. Rechnet man die USA mit, so dürften erneuerbare Energien mittelfristig den größten Bereich des Infrastruktursektors stellen. Hierdurch entsteht laut Aurora Energy Research zwischen den Jahren 2022 und 2050 eine kumulative Investitionsmöglichkeit von mindestens 1.500 Milliarden Euro.

Regulatorisches Umfeld gibt Rückenwind

Das liegt auch an den regulatorischen Rahmenbedingungen, die im vergangenen Jahr einen Schub erlebten. Schließlich wurden viele Bestrebungen zur Erzielung von Netto-Null-Emissionen, die sonst wahrscheinlich erst in den frühen 2030er Jahren auf den Weg gebracht worden wären, nun vorgezogen.

Ein Wandel in der Klimagesetzgebung, wie er in jüngster Zeit durch neue industriepolitische Maßnahmen in der EU und den USA zu beobachten war, die Investitionen in umweltfreundliche Technologien erfordern, wird helfen, Klimapolitik in die Tat umzusetzen. In Europa geschah dies etwa mit dem Repower-EU-Plan, in den USA mit dem US Inflation Reduction Act, die beide einen großen Schwerpunkt auf den Ausbau erneuerbarer Energien als zentrale Säule der Energiewende legen.

Es sind beträchtliche Investitionen in Wasserstoff, Ladestationen für Elektrofahrzeuge und andere Formen nachhaltiger Infrastrukturen nötig. Dazu kommt – bedingt durch die zunehmende Elektrifizierung des Straßenverkehrs sowie die Umstellung von gasbetriebenen Heizverfahren auf elektrische Wärmepumpen – bis 2050 ein Anstieg der Stromnachfrage; Der laut Aurora Energy Research bei 51 Prozent liegen soll.

 

 

 

Gleichzeitig dürften konventionelle, auf Kohle und Gas basierte Anlagen über die nächsten Jahre weiter abgebaut werden, was den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt, da zudem die Preise für fossile Brennstoffe drastisch angestiegen sind, was erneuerbare Energien so günstig wie nie zuvor macht.  Die Chance, den traditionellen Energiequellen den Rang abzulaufen, war noch nie so groß wie heute. Hinzu kommt, dass sich einige der traditionellen Geldgeber im Infrastrukturbereich zurückziehen oder Kapital umschichten müssen. Möglichkeiten die zeigen: Das Potenzial für Investitionserträge in den kommenden Jahren hat sich verbessert.

Inflationsschutz ist möglich

Investitionen in die Energiewende punkten mit vielen Vorteilen. Die Cashflows sind weitestgehend vorhersehbar und relativ unempfindlich gegenüber dem Konjunkturzyklus. Bei einer Rezession kann das durchaus wertvoll sein.

Darüber hinaus ist ein gewisser, vom Umsatzmodell abhängiger Inflationsschutz möglich. Mehr vertraglich fixierte Einnahmen bedeuten ein niedrigeres, aber sichereres Ertragsprofil. Mehr Einnahmen vom börslichen Handel bedeuten ein höheres, aber variableres Ertragsprofil. Viele gängige Subventionsmodelle in Europa waren in der Vergangenheit vertraglich explizit an die Inflation gebunden. Doch auch ohne staatliche Unterstützung können Wind- oder Solarparks langfristige Verträge mit kreditwürdigen Vertragspartnern eingehen und ihren Strom für 10 bis 15 Jahre zu einem garantierten, teils inflationsgebundenen Preis verkaufen.

 

Außerhalb dieser Modelle wird der Strom auf dem freien Markt verkauft, der von den zukünftigen Strompreisen abhängig ist. Aufgrund der Kopplung der Energiepreise an die Inflation bleibt ein impliziter Zusammenhang bestehen, welcher sich im vergangenen Jahr besonders deutlich zeigte, als Energiepreise Haupttreiber der Inflation waren.

Je nach Umsatzstruktur kann sich für Investoren ein Aufwärtspotenzial ergeben, bei dem Vermögenswerte von einem inflationären Umfeld profitieren. Bestehende Verträge mit Festpreisregelungen ohne Inflationsschutz sind dann hingegen weniger attraktiv, etwa vergleichbar mit einer Anleihe. Dieses Risiko fließt jedoch sowohl in die Preisgestaltung als auch in die Vertragsdauer mit ein.

Überdies werden Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energien oft für den über ihre Lebensdauer erwirtschafteten Cashflow gehalten (Buy-and-Hold). Der Zeitraum kann hierbei zwischen 30 und 40 Jahren liegen. Die kurzfristige Volatilität der Bewertungen hat, auch in einem steigenden Zinsumfeld, weniger Einfluss auf die langfristigen Renditen der Investoren.

Zu guter Letzt sollte man den „First-Mover-Vorteil“ nicht unterschätzen. So ist es ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Investitionen in „neue" Bereiche des Infrastrukturmarktes wesentlich riskanter sind als Investitionen in bewährte und erprobte Bereiche. Dies kann zwar durchaus zutreffen, jedoch sind im Infrastrukturbereich viele „neue" Bereiche eher ungewohnt als riskant. Oft handelt es sich um bewährte Technologien, die entweder auf neue Art und Weise oder in einem bisher nicht kommerzialisierten Umfang eingesetzt werden.

Für längerfristig orientierte Investoren kann dies ein profitables Missverständnis sein. Neuere Technologien können neue Risiken und vertragliche/regulatorische Strukturen bedeuten. Für viele Investoren reicht das aus, um die Finger davonzulassen. Diejenigen, die über die richtigen technischen Kenntnisse verfügen und in der Lage sind, die mit der Technologie und den vertraglichen/regulatorischen Strukturen verbundenen Risiken sachkundig einzuschätzen, können sich einen Vorsprung verschaffen und damit gleichzeitig zum Klimaschutz beitragen.

Wie sich Investoren positionieren sollten

Mittlerweile kann man in verschiedene Regionen und Unterbereiche des Universums für erneuerbare Energien investieren. Tatsächlich sind die Chancen sowohl in Kontinentaleuropa als auch in den USA und Großbritannien gewachsen. In Europa ist laut Aurora Energy Research Deutschland einer der wichtigsten und auch attraktivsten Märkte für erneuerbare Energien, was sowohl für On- und Offshore-Wind als auch für Solarenergie gilt. Ebenso ist zu beobachten, dass in Europa der Fokus zusehends auf Wasserstoff ausgerichtet wird. Es gibt Bereiche, in denen grüner Wasserstoff eine Rolle spielen wird. Wie sich allerdings die Einsatzmöglichkeiten in den nächsten Jahren entwickeln, wird von der Politik und der relativen Wirtschaftlichkeit der verschiedenen technologischen Ansätze abhängen.

 

 

 

Die europäischen Regierungen bemühen sich um die Gründung und Ansiedlung von Unternehmen, die in der Wasserstoff-Technologie führend sind, um sicherzustellen, dass sie bei der Umstellung auf grüne Energie nicht ins Hintertreffen geraten. Dies wird ein Schlüsselelement des Narrativs des „gerechten Übergangs“ und der „grünen Arbeitsplätze“ sein. Diese „Vorzeige“-Investitionen werden wahrscheinlich interessante Investitionsmöglichkeiten in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro bieten, aber noch nicht die Größenordnung der Solar- und Windkraftanlagen erreichen, bei denen Investitionspotenzial von mehreren hundert Milliarden Euro vorhanden ist. In der Automobilindustrie ist unserer Ansicht nach das Rennen bereits gelaufen und Elektrofahrzeuge sind als klarer Gewinner hervorgegangen.

In Bezug auf die USA ist zu bedenken, dass die Windenergie dort noch in den Kinderschuhen steckt und im Vergleich zu Europa hinterherhinkt. Der US Inflation Reduction Act ist aber ein Schritt in die richtige Richtung, da er den Bau neuer Kraftwerke für erneuerbare Energien unterstützt, die vor der Verabschiedung vielleicht nur marginal realisierbar gewesen wären. Gleichzeitig ist das Gesetz auch ein politisches Signal, dass es eine breite Unterstützung für mehr erneuerbare Energien gibt, was indirekt bei der Genehmigung und dem Ausbau neuer Übertragungsnetze hilft und die Entscheidungen über den Strombezug beeinflusst. Somit könnten sich für Investor:innen, die über ein entsprechendes Fachwissen verfügen, durchaus Gelegenheiten ergeben.

Die Auswahl der Energieart und Region ist das eine, aber es gilt, noch weitere Aspekte zu betrachten. Bei nachhaltigen Infrastrukturinvestments kommt es noch mehr als bei anderen Bereichen des Segments auf ein umfassendes Detailwissen an. Daher ist bei der Wahl des passenden Infrastrukturmanagers darauf zu achten, dass dieser möglichst auf erneuerbare Energien spezialisiert ist und er sie nicht nur neben anderen Bereichen mitverwaltet. Ebenso ist eine hohe technische Kompetenz förderlich.

Ebenso sollte man laufende Projekte den Entwicklungsprojekten vorziehen, weil letztere komplexer und mit einem höheren Investitionsrisiko verbunden sind. Hier gibt es vier wichtige Faktoren, von denen jeder einzelne schief gehen kann. Ein Entwickler braucht

  1. Land
  2. eine Baugenehmigung,
  3. einen Netzanschluss
  4. einen Energieliefervertrag.

Dies sind vier große Risiken. Wenn auch nur eines davon scheitert, kann das gesamte Projekt scheitern. Es ist sehr wichtig, dass die Kapitalerträge bei solchen Entwicklungen die damit verbundenen Risiken rechtfertigen.

 

 

 

 

Investoren sollten darüber hinaus die regulatorischen Rahmenbedingungen im Blick haben, die sich schnell ändern könnten. Letztes Jahr kündigte die EU-Kommission zunächst strengere Regeln für Artikel-9-Fonds an, sodass viele Asset Manager präventiv entsprechende Produkte auf Artikel 8 herunterstuften. Im April veröffentlichte die Kommission nun Leitlinien, die doch nicht so streng wie erwartet ausfielen, sodass Fonds womöglich jetzt wieder hochgestuft werden. Doch auch innerhalb einzelner SFDR-Klassifizierungen gibt es Unterschiede, zum Beispiel im Bereich EU-Taxonomie oder Reporting. Es wäre wünschenswert, wenn perspektivisch mehr Transparenz einkehrt, ohne die Regulatorik dabei immer weiter zu verkomplizieren. Bis dahin wird es für Investoren essenziell sein, bei der Auswahl entsprechender Produkte genau hinzuschauen, inwieweit diese bestimmte Nachhaltigkeitsziele verfolgen.

Über die Autorin:

Karin Kaiser ist seit fast zehn Jahren in verantwortungsvoller Position bei der Schroders-Tochter Schroders Greencoat. Mit einem verwalteten Vermögen von gut 10 Milliarden Euro ist das Unternehmen einer der größten Asset Manager im Bereich erneuerbare Infrastrukturlösungen in Europa. Vor dieser Zeit war Kaiser unter anderem bei

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