In diesem Zusammenhang können globale Bestrebungen beobachtete werden, kleine modulare Reaktoren (Small Modular Reactors, SMRs) aus dem Vereinigten Königreich, den USA und Frankreich einzusetzen. SMRs haben eine Erzeugungskapazität von etwa 470 Megawatt (MW). Das ist im Vergleich zu großen Kraftwerken, die im Schnitt 1.400 Megawatt leisten, zwar ein geringer Wert, die Effizienz der Montage und des Betriebs stellen aber einen größeren Nutzen in Aussicht. So hält es die Nuclear Energy Agency NEA der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für möglich, bis 2035 eine SMR-Kapazität von 21 elektrischen Gigawatt (GWe) zu erreichen. Das entspräche neun Prozent der nuklearen Installationen von 2020 bis 2035 und drei Prozent der weltweiten Nuklearkapazität.
Die jährlichen Investitionen in saubere Energie weltweit, müssen sich bis 2030 auf rund 4 Billionen Dollar mehr als verdreifachen
Die CO2-Neutralität ist ein kollektives Ziel, das die Beteiligung aller Interessengruppen erfordert, von Regierungen über Investoren bis hin zu Unternehmen und Verbrauchern. Daher sollten gemeinschaftliche Taxonomien, wie die der EU, als nützliches Instrument zur Erleichterung des Dialoges zwischen den verschiedenen Interessengruppen betrachtet werden und eine glaubwürdige Basis für Entscheidungen zur Kapitalallokation darstellen. Zukünftig wird unser Energiesystem wahrscheinlich weniger von den variablen Kosten dominiert, die oft in Verbindung mit den Betriebskosten für fossile Brennstoffe gesehen werden. Stattdessen rücken die Fixkosten der Entwicklung von kohlenstoffarmen Energiealternativen in den Mittelpunkt. Dies wird erhebliche Kapitalinvestitionen von Investoren erfordern.
Die Internationale Energieagentur IEA geht davon aus, dass sich die jährlichen Investitionen in saubere Energie weltweit bis 2030 auf rund 4 Billionen Dollar mehr als verdreifachen müssen, um das Ziel einer CO2-neutralen Gesellschaft bis 2050 zu erreichen. Wir stellen daher Kapital in erster Linie den Branchen und Unternehmen bereit, die eine wichtige Bedeutung für die Energiewende haben. Obwohl der Klimanotstand erhebliche Risiken birgt, bieten sich auch neue Chancen, in Sektoren und Unternehmen zu investieren, die bei der Energiewende eine Vorreiterrolle einnehmen oder sich an Klimalösungen beteiligen.
Klimaschutzlösungen werden in den Portfolios an Bedeutung gewinnen. Daher unterstützen wir gemeinsame Rahmenwerke wie die EU-Taxonomie, wenn sie eine objektive Orientierungshilfe bieten, die sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützt – und nicht auf politische Beweggründe.
Wir sehen unsere Rolle bei der Energiewende darin, auf Unternehmen zuzugehen, um die Entwicklung glaubwürdiger, ambitionierter Dekarbonisierungspläne zu unterstützen. Gleichzeitig gilt es, auch mit unseren Kunden daran zu arbeiten, ihr Kapital Unternehmen zur Verfügung zu stellen, die sich auf dem Weg zur Klimaneutralität befinden. Die Energiewende erfordert einen diversifizierten Mix aus etablierten und fortschrittlichen Technologien, um das ehrgeizige Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 zu erreichen. Daher begrüßen wir den Vorstoß der EU-Kommission, die Rolle von Erdgas und Kernenergie für die Energiewende anzuerkennen – auch wenn diese Entscheidung unsere Herangehensweise an das Thema voraussichtlich nicht beeinflussen wird.
Bei der Kernenergie sind die Sicherheitsmängel der Vergangenheit und die Abfallentsorgung für viele nach wie vor ein Grund zur Besorgnis. Genauso wird Erdgas von vielen weiterhin als kohlenstoffintensiver fossiler Brennstoff angesehen, für andere spielt er immerhin eine vorübergehende Rolle. Darüber hinaus werden die technischen Prüfkriterien im Zusammenhang mit Erdgas auch weiterhin ein begrenzender Faktor für eine erhöhte Kapitalallokation in dem Sektor sein. Der Schwellenwert von 270 Gramm CO2 pro Kilowattstunde wäre bei den derzeitigen Effizienzmaßnahmen und ohne die Möglichkeit, CCS-Technologien einzusetzen oder zusätzlich auch Wasserstoff in den Kraftwerken zu verbrennen, eine Herausforderung.
Unabhängig von der Aufnahme der Kernenergie und Erdgas in die EU-Taxonomie stellt sich für Anleger die Frage, ob sie bereit sind, Kapital in diese Sektoren zu investieren. Aus diesen Gründen arbeiten wir mit unseren Kunden zusammen, um individuelle Ausschlüsse zu definieren, falls sie Investitionen in bestimmte Branchen oder Sektoren vermeiden möchten.
Über die Autorin:
Sarah Peasey ist Direktorin für europäische ESG-Investitionen der Investmentgesellschaft Neuberger Berman. Vorher war sie in der selben Position bei LGIM.