Auch zum Jahreswechsel ist die Umsetzung von Nachhaltigkeitsaspekten im Versicherungsvertrieb ein diskutables Thema. Auf der einen Seite sorgen Komplexität und Qualifikationserfordernisse dafür, dass vor allem Kunden, Berater und Produktentwickler weiterhin vor Herausforderungen stehen. Auf der anderen Seite wurde mit dem aktuellen SFDR-Review ein Überarbeitungsprozess der Offenlegungspflichten angestoßen, der zum Ausdruck bringt, dass die faktischen Umsetzungsschwierigkeiten der Regulatorik auch in Brüssel erkannt worden sind. Nicht nur Interessenverbände kritisieren fehlende „Praxistauglichkeit“ des umfänglichen regulatorischen Frameworks zur Nachhaltigkeit; auch aus Bonn ertönen derweil zweifelnde Töne.
Ohne die Frage zur Sinnhaftigkeit aller Maßnahmen zu eröffnen, bleibt indessen klar, dass sich die bestehenden und in der Verabschiedung befindlichen Regularien erst mittelfristig verändern werden – in welche Richtung bleibt schließlich abzuwarten. Anders formuliert, müssen die Marktteilnehmer einstweilen mit dem Status quo zurechtkommen und nach Lösungsansätzen suchen.
Damit stellt sich die pragmatische Frage, wie die aktuelle Situation bei gegebenen Rahmenbedingungen verbessert werden kann. Der gedankliche Ausgangspunkt ist hier zunächst in der Notwendigkeit eines gemeinsamen Verständnisses aller Richtlinien und Verordnungen zu sehen. Denn isolierte Interpretationen von CSRD, SFDR, Taxonomie, IDD/Mifid und Co. sind nicht unwesentliche Gründe der mangelhaften Marktgängigkeit. Ferner führen sie zu fehlendem Konsens der involvierten Stakeholder.
Es stehen aufschlussreiche Daten zur Verfügung
Der zweite wesentliche Punkt ist in der informativen Komplexitätsreduktion für die Anwender, insbesondere den Kunden, zu sehen. Der vermeintliche Widerspruch führt schließlich zur Notwendigkeit der Standardisierung, beginnend von der Datenerhebung, fortgeführt über die Datenkommunikation bis hin zur Datenaufbereitung und adressatengerechten Präsentation der Nachhaltigkeitsinformationen.
Im „ESG-Back-End“ werden mit der CSRD und den ESRS momentan die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen. Das European ESG Template (EET) als Quasi-Informationsstandard (ein Excel-Template mit circa 400 Zellen zu Nachhaltigkeitsangaben der im Fonds oder Sicherungsvermögen enthaltenen Kapitalanlagen) wird laufend aktualisiert und ist bereits auf einem guten Niveau entwickelt.
Wenn es richtig befüllt und ausgeliefert wird, stehen – vorbehaltlich der gegebene Datenqualität – bereits aufschlussreiche Daten zur Verfügung, die einer Marktfähigkeit nachhaltiger Anlageprodukte schon heute nicht im Wege stehen. Die in diesem Umfeld beschäftigten Experten sind mit der Materie vertraut, und weitere Optimierungen sind absehbar.
Es drohen totale Konfusion und erhebliche Kosten
Problematischer ist die Situation im „ESG-Front-End“, also hinsichtlich produktbezogener Nachhaltigkeitsinformationen einzuordnen. Denn zur Befüllung der weitgehend regulatorisch vorgegebenen Informationen herrscht bislang ebenso wenig Konsens wie zur Produktempfehlung an der Kundenschnittstelle. Das heißt, obwohl ein Mindestmaß an ESG-Daten verfügbar ist, gelingt der Übersetzungsmechanismus noch nicht. Hieran scheitern die Produktentwicklung, der Beratungsprozess und der Diskurs mit denjenigen Kritikern, die nach Greenwashing-Indizien suchen.
Dem entgegen steht bereits seit einiger Zeit das sogenannte Zielmarktkonzept, das maßgeblich von der Fondsindustrie ausgearbeitet worden ist. Kurz gesagt werden darin freiwillige Mindestkriterien nachhaltiger Fondsprodukte formuliert, die auch mit der Aufsichtsbehörde diskutiert worden sind. Eine Verbindung zum Konzept der Nachhaltigkeitspräferenz fehlt allerdings, was nicht zuletzt der zeitlichen Historie geschuldet ist.