Hat der Steuerpflichtige ein innerbetriebliches Kontrollsystem (IKS) eingerichtet, kann das nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Indiz sein, dass kein Vorsatz und keine Leichtfertigkeit vorlagen. Die Einrichtung und Dokumentation eines solchen Kontrollsystems – auch Tax-Compliance-System genannt – kann demnach darüber entscheiden, ob die Finanzbehörde bei der Berichtigung von Fehlern in den Steuererklärungen eine strafbare Steuerhinterziehung des Geschäftsleiters oder Vorstands annimmt oder nicht. Es sei erwähnt, dass auch ein angemessenes und durch Mitarbeiterschulungen gestütztes Tax-Compliance- System bei menschlichen Fehlleistungen, Missbrauch oder vernachlässigter Verantwortung oder bei Umgehung von Kontrollen durch die Zusammenarbeit mehrerer Personen versagen muss.
Nichtsdestotrotz ist ein funktionierendes Tax-Compliance-System vor allem als Instrument zur Vermeidung von Haftungs- und Strafrisiken des Unternehmers das Mittel der Wahl. Stand früher die Steueroptimierung im Vordergrund, ist heute das Ziel, steuerliche Pflichten zu erfüllen, und das als Grundsatz in der Unternehmenskultur zu etablieren.
Das geänderte politische Klima und die verstärkte Tendenz in der Finanzverwaltung, Berichtigungen von Erklärungen auch steuerstrafrechtlich aufzugreifen, haben die Verantwortlichen aufgeschreckt. Die Angst wächst, sich bei der Vielzahl von möglichen Verkürzungen – ob vorsätzlich oder durch Organisationsversagen – dem Vorwurf einer Steuerstraftat ausgesetzt zu sehen.
Darüber hinaus kann die Einrichtung eines Tax-Compliance-Programms als Risikofrüherkennungssystem in den Unternehmen verstanden werden. Denn es dient nicht nur dem Schutz vor Strafverfahren und der Vermeidung der persönlichen Inanspruchnahme von Vorstand oder Geschäftsführung und Aufsichtsrat, sondern sorgt auch für klare Zuständigkeiten in den Steuerabteilungen. Damit werden der Fortbestand der Gesellschaft sowie der Schutz des Vermögens der Gesellschafter langfristig gesichert.
Wie ein IKS ausgestaltet werden muss, hat die Finanzverwaltung offengelassen. Aufgestellte Grundsätze und ergriffene Maßnahmen müssen jedoch geeignet sein, mit hinreichender Sicherheit sowohl Risiken für wesentliche Regelverstöße rechtzeitig zu erkennen als auch derartige Regelverstöße zu verhindern. Orientierungshilfe bietet dabei der vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) veröffentlichte Prüfungsstandard IDW PS 980, mit dem die Grundsätze zur ordnungsgemäßen (freiwilligen) Prüfung von Compliance-Management-Systemen definiert werden. Die Verantwortung der Geschäftsführung liegt dabei besonders darin, die eigenen Mitarbeiter angemessen und regelmäßig zu schulen.
Über den Autor
Michael Olfen ist Partner der auf das Steuerstrafrecht spezialisierten Rechtanwaltskanzlei Jatzek König Olfen mit Büros in Hamburg, München, Berlin und Koblenz. Der 51-Jährige ist Fachanwalt für Steuerrecht sowie Strafrecht und zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht.